OGH 6Ob169/21b

OGH6Ob169/21b25.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Rechnungslegung und Unterhalts, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das (Teil‑)Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 2. August 2021, GZ 2 R 127/21g‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00169.21B.0225.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Vorinstanzen verpflichteten den Beklagten mit Teilurteil, näher bezeichnete Einkünfte „offen zu legen“ und darüber Rechnung zu legen.

[2] 2. Der Frage, wie ein bestimmtes Prozessvorbringen zu verstehen ist, kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828 [T3]). Das Berufungsgericht kam vertretbar zum Ergebnis, die Klägerin nehme den Beklagten nicht nur auf Zahlung anteiliger Wohn- und sonstiger Fixkosten in Anspruch, sondern mache auch einen von der Höhe des Einkommens des Beklagten abhängigen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB geltend. In der Revision wird in diesem Zusammenhang keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dargetan.

[3] 3.1. Der Anspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO steht jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell‑rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RS0106851).

[4] 3.2. Die Stufenklage nach Art XLII EGZPO ist auch bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen zwischen Ehegatten zulässig (10 Ob 47/07w; RS0035020 [T1]; RS0122058).

[5] 3.3. Eine ordentliche Rechnungslegung umfasst alle Angaben, die eine Überprüfung der Rechnung ermöglichen (RS0035036). Auch wenn nur eine formell vollständige Rechnung geschuldet wird und eine wahrheitsgemäße Rechnungslegung nicht erzwungen werden kann, also keine Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Rechnung erfolgt (RS0004372 [T1]), muss eine formell vollständige Rechnung grundsätzlich detailliert sein und darf sich nicht in der bloßen Angabe von Endziffern oder im Überlassen von Belegen erschöpfen (2 Ob 261/12i). Ob eine formell vollständige Rechnung gelegt wurde, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (9 ObA 57/13t). Auch die Frage, ob die erforderliche Interessenabwägung zugunsten des Rechnungslegung begehrenden Klägers ausfällt, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls (4 Ob 175/07z).

[6] 3.4. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt im hier zu beurteilenden Fall nicht vor. Dass das Berufungsgericht in der bloß ziffernmäßigen Angabe des Nettoeinkommens (bzw für das Jahr 2020: der Nettopensionen) des Beklagten ohne Vorlage oder auch nur konkrete Nennung von Belegen, aus denen sich die angegebenen Beträge ergeben sollen, keine formell vollständige Rechnungslegung erblickte, bewegt sich innerhalb des den Vorinstanzen eingeräumten Beurteilungsspielraums. Dabei ging das Berufungsgericht vertretbar (trotz der Bezugnahme auf Offenlegung und Rechnungslegung) von einem einheitlichen Rechnungslegungsbegehren aus.

[7] 4. Nach ständiger Rechtsprechung sind (auch beträchtliche) Einmalzahlungen, die der Geldunterhaltspflichtige im Zusammenhang etwa mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bezieht, bei Ermittlung seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen (stRsp, s bloß 7 Ob 186/08s). Die Frage, ob die Klägerin die Einbeziehung der vom Beklagten erhaltenen Abfertigungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage in ihrem Vorbringen rechtlich zutreffend vornahm oder nicht (vgl dazu RS0009667; RS0047428), berührt daher die Berechtigung des Rechnungslegungsbegehrens hinsichtlich der Abfertigungen nicht. Auch daraus, dass die Klägerin in ihrer Klage zunächst eine – offenkundig auf das Vorbringen des Beklagten im Scheidungsverfahren gestützte – Behauptung zur Höhe der Abfertigungen erhob, folgt nicht zwingend, dass ihr die Bezifferung ihrer Unterhaltsansprüche ohne die in der Folge begehrte Rechnungslegung (auch) über die vom Beklagten erhaltenen Abfertigungen ohne nennenswerte Schwierigkeiten (vgl RS0106851) möglich ist. Auch diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

[8] 5. Einem Antrag nach § 303 ZPO muss entweder eine Abschrift der Urkunde beigelegt oder deren Inhalt so genau angegeben werden, dass für den Fall der Verweigerung der Vorlage sowohl Besitz als auch Herausgabepflicht des Gegners vom Gericht in freier Würdigung angenommen werden können und auch der Inhalt selbst gegebenenfalls als erwiesen angesehen werden kann (G. Kodek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 303 Rz 23; vgl zur Individualisierungspflicht auch Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 303 Rz 3). Das Berufungsgericht hielt dem Vorbringen des Beklagten, die Klägerin habe wegen der Möglichkeit der Antragstellung nach § 303 ZPO kein rechtliches Interesse an der begehrten Rechnungslegung, entgegen, dass der Klägerin mangels konkreter Kenntnisse der relevanten Urkunden eine Antragstellung nach § 303 ZPO nicht zumutbar sei. Mit dieser Begründung setzt sich die außerordentliche Revision nicht auseinander, sodass auch in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

[9] 6. Soweit sich der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision darauf beruft, die Klägerin sei „offensichtlich in Kenntnis der konkreten Höhe der [von ihm] bezogenen Abfertigungszahlung, da sie einen konkret berechneten Unterhaltsanspruch […] geltend macht“, so ist es zwar richtig, dass die Klägerin (jedenfalls zunächst) konkrete Unterhaltsansprüche geltend machte, und zwar an rückwirkendem Unterhalt rund 47.457,53 EUR und ab 1. 12. 2020 monatlich 262 EUR. Diesbezüglich wäre auch tatsächlich die Rechtsprechung zu beachten, wonach das Ziel der Rechnungslegung darin besteht, es dem Unterhaltsberechtigten zu ermöglichen, ein unbestimmtes Leistungsbegehren konkretisieren zu können, weshalb sein Rechtsschutzinteresse wegfällt, wenn der Stufenkläger schon vor der begehrten Rechnungslegung sein Zahlungsbegehren konkretisiert und dazu nicht ausführt, dass es sich nur um ein Teilbegehren handelt und dass er die Rechnungslegung für weitere Ansprüche noch benötigt (6 Ob 255/04z). Allerdings hat die Klägerin hier im Laufe des Verfahrens ausdrücklich vorgebracht, dass sie über das bisher Begehrte hinaus unterhaltsberechtigt (gewesen) sei, der Beklagte jedoch seine Einkünfte nicht offenlege. Deshalb begehre sie zur Geltendmachung einer Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs Rechnungslegung. Dieses Vorbringen entspricht – jedenfalls im Ansatz – den Vorgaben der Entscheidung 6 Ob 255/04z.

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