European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00204.21B.0223.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die beiden Kuratelen zur Gänze beendet und die Kuratoren ihres Amtes enthoben werden.
Begründung:
[1] Die beiden Minderjährigen sind nach dem Ableben ihres Vaters sehr vermögend. Sie sind jeweils – wie auch ihre Mutter und zwei bereits erwachsene Halbbrüder – zu 20 % Gesellschafter einer GmbH; ihr Geschäftsanteil hat jeweils einen Wert von vielen Millionen EUR. Darüber hinaus besitzen sie Goldbarren und Bargeld. Die Obsorge kommt ihrer Mutter zu. Für die Verwaltung und Veranlagung bestimmter Vermögensteile – die den Minderjährigen zugekommenen Geschäftsanteile an der GmbH und Goldbarren – wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 7. 5. 2019 rechtskräftig für jeden der beiden Minderjährigen bis zu seiner Volljährigkeit ein Rechtsanwalt zum Kollisionskurator bestellt. Die Interessenkollision zwischen der Mutter und den Minderjährigen wurde damit begründet, dass auch sie Gesellschafterin der GmbH ist und sie selbst einen Teil der vorhandenen Goldbarren erhielt. Mit ebenso unangefochten gebliebenem Beschluss vom 5. 6. 2019 wurde der Beschluss vom 7. 5. 2019 dahingehend konkretisiert, dass die Kuratoren auch zur Verwaltung und Veranlagung der auf die Minderjährigen entfallenden ausgeschütteten Gewinne der GmbH bestellt werden. Mit gleichfalls in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 6. 2. 2020 wurde der Wirkungskreis der Kuratoren dahingehend erweitert, dass diese auch für die Verwaltung und Veranlagung des jeweiligen Pflichtteils der Minderjährigen, den diese nach der väterlichen Großmutter erhalten haben, bestellt werden.
[2] Mit Schriftsatz vom 23. 4. 2021 stellte die Mutter „im eigenen Namen sowie als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder“ einen unter anderem auf gänzliche Beendigung beider Kuratelen abzielenden Antrag. Zwischen ihr und den Minderjährigen bestehe keine materielle Interessenkollision, eine Gefährdung der Interessen der Minderjährigen sei nicht zu besorgen. Deren Interessen könnten vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden; all dies stehe den Kollisionskuratelen entgegen. Auch aufgrund des konfliktfreien Verlaufs seit der im Mai 2019 erfolgten Kuratorbestellung habe eine Beendigung der Kuratelen nach § 284 ABGB zu erfolgen.
[3] Die Kuratoren äußerten sich zu diesem Antrag dahin, dass der Bestellungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen sei und die bloße Gefahr einer Interessenkollision ausreiche. Durch die Bestellung von Kollisionskuratoren solle prophylaktisch ein Schaden vermieden werden. Die Situation habe sich seit 2019 nicht geändert. Aus den selben Gründen, aus denen zwischen der Mutter und den Minderjährigen ein Interessenkonflikt bestehe, bestehe ein solcher auch zwischen den Minderjährigen. Die Kollision ergebe sich aus den Beteiligungsverhältnissen. Würde die Mutter auch die jeweils 20%igen Geschäftsanteile der Minderjährigen verwalten, hätte sie gemeinsam mit ihren eigenen Anteilen die Mehrheit in der GmbH.
[4] Das Erstgericht gab dem Antrag soweit statt, als er „die Enthebung [der Kuratoren] vom Wirkungskreis der Verwaltung und Veranlagung des jeweiligen Pflichtteils der beiden Minderjährigen, den diese nach ihrer Großmutter erhalten haben, betrifft“; im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen.
[5] Das Rekursgericht gab dem auf gänzliche Beendigung der beiden Kuratoren abzielenden, von der Mutter wiederum „im eigenen Namen sowie als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder“ erhobenen Rekurs dahin Folge, dass es die beiden Kuratoren „mit Ausnahme des Wirkungskreises 'Verwaltung der Geschäftsanteile der Pflegebefohlenen an der * GmbH sowie Ausübung des Stimmrechts'“ ihres Amtes enthob.
[6] Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung in der Sache wie folgt: Zum Zeitpunkt der Bestellung der Kuratoren bzw Erweiterung ihres Wirkungskreises sei es gerechtfertigt gewesen, für die Minderjährigen jeweils einen Kollisionskurator zu bestellen, was letztlich auch mit Zustimmung der Mutter erfolgt sei. Nach dem Ableben des vermögenden Vaters sei zunächst die Erb- bzw Vermächtnissituation zu klären und sicherzustellen gewesen, dass die Vermögenssituation zwischen der Mutter und den Minderjährigen bzw auch zwischen den Minderjährigen untereinander nicht vermengt werde. Dass die Bestellung von Kollisionskuratoren zunächst von allen Beteiligten als erforderlich angesehen worden sei, heiße aber nicht, dass die Voraussetzungen für die Bestellung der Kuratoren bis zur Volljährigkeit der Kinder weiter gegeben seien. Wie die Rekurswerber richtig ausführten, habe sich die Situation seit Bestellung der Kuratoren tatsächlich wesentlich geändert. Das geerbte Vermögen der Minderjährigen sei festgestellt und gesichert; die Goldbarren lägen in einem Safe, die vorhandenen Gelder seien bis zur weiteren Veranlagung auf mehreren Konten deponiert. Es spreche aktuell nichts dagegen, die Verwaltung des Vermögens der Mutter als gesetzlicher Vertreterin zu überlassen. Im Gesetz sei konkret geregelt, wie im Fall einer Vermögensverwaltung durch die Mutter vorzugehen und diese durch das Gericht zu überwachen sei. Eine Gefährdung der Minderjährigen sei nicht mehr zu erwarten, könne doch das Gericht deren Interessen ausreichend wahrnehmen. Die Anlegung der Gelder und die weitere Vermögensverwaltung könne daher in die Hand der Mutter gelegt werden.
[7] Hinsichtlich der Geschäftsanteile der Minderjährigen sei demgegenüber weiterhin deren Vertretung durch die Kollisionskuratoren erforderlich, sei doch auch die Mutter Inhaberin von Anteilen im Ausmaß von 20 %. Würde sie die jeweils 20 % ihrer Söhne mitverwalten bzw deren Stimmrechte ausüben, hätte sie im Ausmaß von 60 % Einfluss auf die GmbH. Es wäre in diesem Sinn denkbar, dass bei Auseinanderklaffen der Interessen der Mutter und der Minderjährigen die Stimmrechtsausübung durch die Mutter einen Nachteil für die Minderjährigen bedeuten könnte. Für die Annahme eines Interessenwiderstreits genüge ein objektiver Tatbestand, bei dem die Interessen auch eines pflichtbewussten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm Vertretenen zuwiderlaufen können und bei dem der Vertreter in Verfolgung seiner legitimen Interessen in die Lage kommen könne, die Interessen des von ihm Vertretenen wahren zu müssen, wie zum Beispiel bei einem Gesellschaftsverhältnis (insofern verwies das Rekursgericht auf die Entscheidung EFSlg 66.169 und Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 277 Rz 18). Zweifellos müssten die Interessen der Mutter im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Gesellschaft nicht immer mit denen der Minderjährigen konform gehen, etwa hinsichtlich der Erhaltung des Vermögens und der längerfristigen Zukunftsorientierung, sodass Interessenkonflikte im Sinne einer „materiellen Kollision“ vorkommen könnten bzw in einem gewissen Umfang auch zu erwarten seien. Was die Ausübung der mit den Geschäftsanteilen verbundenen Rechte bzw die Verwaltung der Geschäftsanteile der Kinder einschließlich der Stimmrechtsausübung betreffe, seien die Kollisionskuratelen daher beizubehalten.
[8] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und – weil keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliege – der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[9] In dem von der Mutter im eigenen Namen und im Namen der beiden Minderjährigen aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wird ein auf gänzliche Beendigung der beiden Kuratelen gerichteter Abänderungsantrag, hilfsweise ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
[10] Der Kurator des jüngeren Kindes beantragte in seiner – vom Senat freigestellten – Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm den Erfolg zu versagen. Der Kurator des älteren Kindes machte von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung nicht Gebrauch.
[11] Im Revisionsrekurs wird releviert, dass es seit der Bestellung der Kuratoren im Mai 2019 keine Fälle mit Kollisionspotential gegeben habe, vielmehr nur zwei einstimmige Gewinnverwendungsbeschlüsse. Die frühere Befürchtung von Kollisionen in Angelegenheiten der GmbH sei nicht begründet gewesen und die vormals angenommenen Voraussetzungen der Kuratelen iSd § 284 Abs 2 ABGB seien „weggefallen“. Ein konkreter Interessenwiderspruch zwischen der Mutter und den beiden Minderjährigen liege nicht vor, weshalb es an der für eine Kuratorbestellung nach § 277 Abs 2 ABGB notwendigen materiellen Interessenkollision fehle. Dass die Stimmrechte der Minderjährigen und der Mutter gemeinsam eine Mehrheit von 60 % ergäben, bedeute ebenso keine Interessenkollision, bestünde doch zwischen den Interessen der Mutter und der Kinder inhaltlich Einklang. Das Rekursgericht gehe von keinem konkreten aktuellen Interessenwiderspruch aus, sondern halte allein – jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte – eine materielle Kollision der Interessen der Mutter mit jenen der Minderjährigen in der Zukunft hinsichtlich „Erhaltung des Vermögens“ und „längerfristige Zukunftsorientierung“ für denkbar. Dies reiche für eine Errichtung oder – hier – Beibehaltung einer Kuratel aber nicht aus. Es liefe auf eine rein prophylaktische Kuratel hinaus, die im vorliegenden Fall aufgrund des Alters der Kinder sogar über zehn Jahre, nämlich bis zu deren Volljährigkeit, dauern würde. Aufgrund des besonders hohen Wertes der Geschäftsanteile wäre die Beibehaltung der Kuratelen im Lichte der Pauschalentschädigung nach § 283 Abs 1 ABGB auch sehr kostspielig. Sollte das Pflegschaftsgericht für eine konkrete Abstimmung oder ein bestimmtes Rechtsgeschäft, somit „eine bestimmte Angelegenheit“ iSd § 277 Abs 2 ABGB eine Interessenkollision befürchten, könnte es jeweils ad hoc Kollisionskuratoren bestellen.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil – wie in der Zulassungsbeschwerde zutreffend releviert – der Frage, ob abseits eines konkreten Interessenwiderspruchs zwischen einem Obsorgeberechtigten und seinem Kind allein schon deshalb, weil beide Gesellschafter einer GmbH sind, ein Kollisionsfall iSd § 277 Abs 2 ABGB vorliegt, erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt. Der Revisionsrekurs erweist sich auch als berechtigt.
I. Zur Rechtsmittellegitimation der Mutter für ihre Kinder und zu ihrer eigenen Rechtsmittellegitimation:
[13] I.1. Wie bereits in der in diesem Pflegschaftsverfahren ergangenen Entscheidung 3 Ob 130/21w (Rz 6 mwN) ausgeführt, scheidet, wenn für einen Minderjährigen zur Erledigung einer bestimmten Angelegenheit iSd § 277 Abs 2 ABGB ein Kollisionskurator bestellt wird, diese Angelegenheit aus dem Aufgabenkreis des gesetzlichen Vertreters aus und verliert dieser die Befugnis, für den Minderjährigen in der Angelegenheit einzuschreiten und ihn zu vertreten, solange der Kollisionskurator im Amt ist. Die Kuratoren sind nur mehr zur Verwaltung der Geschäftsanteile der Minderjährigen (einschließlich Stimmrechtsausübung) bestellt. Von dieser Angelegenheit zu unterscheiden ist die Erhebung eines auf Beendigung der Kuratelen gerichteten Antrags. In dieser Angelegenheit besteht die gesetzliche Vertretung der obsorgeberechtigten Mutter und damit ihre Legitimation, namens der Kinder vor Gericht einzuschreiten, fort.
[14] Nach Ansicht von Mondel (Das Recht der Kuratoren3 [2021] Rz 3.105) kommt dem Schutzberechtigten keine Parteistellung in Bezug auf die Frage zu, ob ein Kollisionskurator zu bestellen ist. Er begründet dies damit, dass „sein (nicht vorhandener) Vertretungsumfang keine Änderung erfährt“. Der Schutzberechtigte habe hingegen sehr wohl im Hinblick auf die Auswahl der Person des Kollisionskurators ein Rechtsmittelrecht.
[15] Wenn es für den Schutzberechtigten schon einen Unterschied macht, wer Kollisionskurator wird, so macht es für ihn umso mehr einen Unterschied, ob er in der betreffenden Angelegenheit vom Obsorgeberechtigten oder ab sofort (Bestellungsbeschluss) bzw weiterhin (Entscheidung über einen Beendigungsantrag) von einem Kurator vertreten wird; dies bereits aus der Erwägung, dass der Schutzberechtigte nur im Fall der Kuratel einem Anspruch nach § 283 ABGB auf Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz ausgesetzt ist.
[16] Die beiden Minderjährigen haben daher nach Ansicht des Senats im Verfahren über die Beendigung der Kuratel nach § 284 ABGB Parteistellung und werden dabei von ihrer – insofern weiterhin vertretungsbefugten – obsorgeberechtigten Mutter vertreten. Deren Einschreiten dient auch dem Interesse der Kinder, für den Fall des Fehlens einer Interessenkollision die mit einer Kuratel einhergehende Kostenbelastung hintanzuhalten. Der Mutter stand es daher frei, namens der Kinder den Revisionsrekurs zu erheben.
[17] I.2. Anerkanntermaßen ist ein Obsorgeberechtigter (auch) im eigenen Namen legitimiert, gegen die Bestellung eines Kollisionskurators Rechtsmittel zu ergreifen, weil dadurch in sein Obsorgerecht eingegriffen wird (6 Ob 390/66 = SZ 40/5; Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 277 Rz 24; Mondel, Kuratoren3 Rz 3.106). Ist die Kuratel bereits rechtskräftig beschlossen, könnte die Meinung vertreten werden, dass durch die Verweigerung der Beendigung der Kuratel nicht in die Rechtsstellung des Obsorgeberechtigten eingegriffen wird, weil sich diesfalls rechtlich nichts ändere. Dies führte aber zu einem Wertungswiderspruch, zumal es einem nichtobsorgeberechtigten Elternteil grundsätzlich möglich ist zu beantragen, mit der Obsorge betraut zu werden. Zumal der Antrag eines Obsorgeberechtigten auf Beendigung der Kollisionskuratel letztlich auf die Wiederherstellung der gänzlichen Obsorge gerichtet ist, ist an der Legitimation der Mutter, auch in ihrem eigenen Namen den Beendigungsantrag nach § 284 Abs 2 ABGB zu stellen bzw dessen gänzliche Stattgebung durch den vorliegenden Revisionsrekurs zu verfolgen, nicht zu zweifeln.
II. Zur Berechtigung des Beendigungsantrags:
[18] II.1. Die Berechtigung des von der Mutter und den Minderjährigen gestellten Beendigungsantrags (Enthebungsantrags), dessen gänzliche Stattgebung mit dem vorliegenden Revisionsrekurs weiterverfolgt wird, richtet sich nach der Bestimmung des § 284 Abs 2 Satz 1 ABGB. Danach hat das Gericht den Kurator auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben, wenn die Voraussetzungen für seine Bestellung wegfallen (HS 1). Fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der übertragenen Angelegenheiten weg, so ist der Wirkungskreis einzuschränken (HS 2).
[19] II.2. Ein Wegfall der Voraussetzungen wird im Revisionsrekurs insofern behauptet, als anfänglich ein Interessenwiderspruch von Gericht und Parteien für möglich gehalten worden sei, die Entwicklung des Geschehens diese Befürchtung aber nicht bestätigt habe. Im Übrigen wird im Revisionsrekurs ins Treffen geführt, dass in Wahrheit bereits im Zeitpunkt der Kuratorbestellung die Voraussetzungen des § 277 Abs 2 ABGB nicht vorgelegen hätten, weil es zwischen der Mutter und den Minderjährigen von Vornherein überhaupt keinen Interessenwiderspruch gegeben habe.
[20] Es ist nicht unzulässig, einen Antrag auf Enthebung nach § 284 Abs 2 ABGB (auch) darauf zu stützen, dass die spätere Entwicklung zeigt, die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung seien nach richtiger Beurteilung nie vorgelegen, müsste doch sonst die Kuratel – überflüssigerweise – weiterbestehen. Dass der Bestellungsbeschluss insofern keinen Hinderungsgrund bildet folgt auch daraus, dass das Gericht nach § 284 Abs 3 ABGB in angemessen Zeitabständen zu prüfen hat, ob die Kuratel zu ändern oder zu beenden ist, und § 284 Abs 2 ABGB vom Gericht im betreffenden Fall auch eine Beschlussfassung von Amts wegen fordert.
[21] II.3. Nach § 277 Abs 2 Satz 1 ABGB ist ein Kurator (auch) dann zu bestellen, „wenn die Interessen einer minderjährigen oder sonst iSd § 21 Abs 1 [ABGB] schutzberechtigten Person dadurch gefährdet sind, dass in einer bestimmten Angelegenheit ihre Interessen jenen ihres gesetzlichen Vertreters oder jenen einer ebenfalls von diesem vertretenen anderen minderjährigen oder sonst schutzberechtigten Person widerstreiten (Kollision)“.
[22] Voraussetzung für diese Kuratorbestellung ist nach allgemeiner Ansicht eine Kollision im formellen und im materiellen Sinn. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetz oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Kollision im materiellen Sinn liegt vor, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzter geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen (RS0058177).
[23] Üblicherweise wird formuliert, der Kollisionskurator sei schon dann zu bestellen, wenn aufgrund eines objektiv gegebenen Interessenwiderspruchs eine Gefährdung der Interessen des Pflegebefohlenen möglich ist (RS0107600 [T1]). Es wird auf eine mögliche Interessenkollision abgestellt oder – mit anderen Worten – die Gefahr einer Interessenkollision als ausreichend betrachtet (zB 4 Ob 72/18v [Pkt 2]; 7 Ob 42/20g [Pkt 2 und 3]). Zum Teil wird sogar gesagt, es sei ex ante zu beurteilen, ob Interessenwidersprüche denkbar sind (so 4 Ob 72/18v [Pkt 9]).
[24] Häufig wird auch dahin argumentiert, es sei zu beurteilen, ob genügend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators vorliegen (RS0127193; zB 4 Ob 72/18v [Pkt 7]), und es wird die materielle Interessenkollision als konkrete Gefährdung der Interessen des Pflegebefohlenen definiert (zB 10 Ob 23/08t [Pkt 4.2.]). Es wird auch ausgesprochen, es sei kein Kollisionskurator zu bestellen, wenn kein Interessengegensatz zu befürchten ist (RS0049033) oder wenn die Interessen des Vertretenen ausreichend vom Gericht wahrgenommen werden können (zB 6 Ob 14/21h [Rz 20]).
[25] II.4. Für den vorliegenden Fall ist zu klären, ob die Notwendigkeit zur Bestellung eines Kollisionskurators bereits deshalb besteht, weil Obsorgeberechtigter und Minderjährige Gesellschafter einer GmbH sind. In Rechtsprechung und Lehre finden sich hierzu folgende Äußerungen:
A. Rechtsprechung
[26] a) Der Oberste Gerichtshof sprach in seiner Entscheidung 7 Ob 75/55 (= JBl 1955, 448) im Fall einer OHG, deren Gesellschafter eine Mutter und deren drei minderjährige Kinder waren, aus, dass unter den Ausdruck „Geschäft“ in (damals) § 271 ABGB (nunmehr: „Angelegenheit“ in § 277 Abs 2 ABGB; vgl Mondel, Kuratoren3 Rz 5.5 ff) unter anderem ein Gesellschaftsverhältnis fallen kann.
[27] b) Ebenso in diesem Sinne entschied das LGZ Wien in seiner in EFSlg 40.950 veröffentlichten Entscheidung 43 R 321/82, dass unter den Ausdruck „Geschäfte“ in § 271 ABGB aF auch ein Gesellschaftsverhältnis fallen kann.
[28] c) Unter Berufung auf die Entscheidung JBl 1955, 448, führte der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 12/62 (= EvBl 1962/331) aus, für die Annahme eines Interessenwiderstreits genüge ein objektiver Tatbestand, „bei dem die Interessen auch des pflichtbewussten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm Vertretenen zuwiderlaufen können, bei dem der Vertreter – abgesehen von den ihm aus der gesetzlichen Vertretung erwachsenen Pflichten – in Verfolgung seiner legitimen Interessen in die Lage kommen könnte, die Interessen des von ihm Vertretenen bekämpfen zu müssen, wie zB bei einem Gesellschaftsverhältnis oder bei der Auseinandersetzung über ein gemeinsames Vermögen“. Aus JBl 1955, 448, folgte aber nur, dass ein Gesellschaftsverhältnis, an dem Obsorgeberechtigter und Kind als Gesellschafter beteiligt sind, ein Geschäft iSd § 271 ABGB aF sein kann. Dass womöglich nicht jedes solches Gesellschaftsverhältnis stets und immer auch einen Kollisionsfall bilden muss, blieb unerörtert.
[29] d) In der Entscheidung 7 Ob 1533/91 (= EFSlg 66.169) formulierte der Oberste Gerichtshof ganz ähnlich, für die Annahme eines Interessenwiderstreits genüge „ein objektiver Tatbestand, bei dem die Interessen auch eines pflichtbewussten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm Vertretenen zuwiderlaufen können, bei dem der Vertreter in Verfolgung seiner legitimen Interessen in die Lage kommen kann, die Interessen des von ihm Vertretenen wahren zu müssen wie zB bei einem Gesellschaftsverhältnis (SZ 53/136; EvBl 1962/331)“. Anzumerken ist, dass die damals (auch) zitierte Entscheidung SZ 53/136 zwar eingehende Ausführungen zu § 271 ABGB aF enthält, aber nicht zu einem Gesellschaftsfall erging.
B. Literatur:
[30] a) Nach W. Jud/Grünwald (Zivilrechtliche Probleme der Anerkennung von Personengesellschafts-verträgen zwischen Familienangehörigen, in Ruppe, Handbuch der Familienverträge2 [1985] 277 [291]), die sich insofern auf die – bereits referierten – Entscheidungen EFSlg 40.950 und JBl 1955, 448 beriefen, „[kann] die Gefahr der schädigenden Interessenkollision zwischen Vertreter und Vertretenem […] insbesondere dann vorliegen, wenn der Vormund selbst Gesellschafter ist“.
[31] b) Für den Fall einer Satzungsänderung bedarf es nach Ostheim (Glosse zu 4 Ob 509/89 in GesRZ 1990, 93), der sich insofern auf deutsche Literatur stützte, der Bestellung eines Kollisionskurators, wenn die Eltern selbst Gesellschafter sind.
[32] c) Krejci (Erwerbsgesellschaftengesetz [1991] § 1 Rz 136) lehrte, dass bei Familiengesellschaften „mitunter beim gesetzlichen Vertreter eine Interessenkollision ein[tritt]“. Sofern das den einschlägig Geschäftsunfähigen angebotene Geschäft „nicht ausschließlich zu deren Vorteil gereicht (was bei der Übernahme einer Gesellschafterposition idR der Fall sein wird)“, sei ein Kollisionskurator zu bestellen.
[33] d) Nach Dellinger (Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation [2001] 109) ist für den Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung ein Kollisionskurator zu bestellen, wenn die Eltern des minderjährigen Gesellschafters selbst an der Gesellschaft beteiligt sind. Er begründet dies damit, dass hier neben der bei jedem Geschäft zwischen Eltern und einem minderjährigen Kind gegebenen formellen Kollision „objektiv ex ante betrachtet auch die in [damals; Anm] § 271 ABGB nach hM vorausgesetzte Gefahr eines Interessengegensatzes (materielle Kollision) zwischen den Gesellschaftern besteht“.
[34] e) Kalss/Probst (Familienunternehmen [2013] Rz 20/13 ff) führen zur Frage einer Beteiligung eines Minderjährigen an einer Gesellschaft, an der auch der Obsorgeberechtigte beteiligt ist, unter anderem Folgendes aus: Ist eine Interessengefährdung des Minderjährigen zu besorgen, so müsse vom Gericht ein Kollisionskurator bestellt werden (Rz 20/15). § 271 [nunmehr: § 277 Abs 2; Anm] ABGB greife bei materiellen Interessenkonflikten, dh immer wenn wegen eines zu befürchtenden Interessenwiderspruchs zwischen Minderjährigem und Elternteil eine Interessengefährdung auf Seite des Minderjährigen besteht. Dies könne zunächst bei der unmittelbaren Beteiligung eines Elternteils an der Gesellschaft, an der auch der Minderjährige beteiligt ist, gegeben sein. Klare Kriterien, die in gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen einen materiellen Interessenkonflikt zwischen den minderjährigen Gesellschaftern und den ebenfalls beteiligten Eltern hervorrufen, stünden nicht fest (Rz 20/18). Gerade im Bereich der Vertretung und deren Genehmigungsbedürftigkeit herrsche daher letztlich Rechtsunsicherheit über Beurteilungskriterien und damit darüber, welche Erfordernisse bei den einzelnen Geschäften einzuhalten seien. Die Frage der Wirksamkeitserfordernisse stelle sich nicht nur beim Erwerb der Beteiligung, sondern auch bei zahlreichen gesellschaftsinternen Vorgängen, wie etwa Beschlussfassungen über Kapitalerhöhung, Satzungsänderung und Verschmelzung, sowie beim Austritt des Minderjährigen aus der Gesellschaft (Rz 20/19).
[35] f) Zinner lässt in ihrem Aufsatz mit dem Titel „Minderjährige Gesellschafter – Ausübung des Stimmrechts und pflegschaftsgerichtliche Genehmigung“ in JEV 2013, 74 ff ausdrücklich den „Themenkreis um mögliche Interessenkollisionen im Zusammenhang mit der Vertretung bei der Stimmrechtsausübung und das daraus möglicherweise folgende Erfordernis einer Kollisionskuratorbestellung“ ausgeblendet (aaO FN 2).
[36] g) Zib (in Zib/Dellinger, UGB-Großkommentar [2017] § 105 Rz 53 iVm Rz 55) vertritt für den Fall der Gründung einer Gesellschaft mit einem Minderjährigen oder dessen Beitritt zu einer bereits bestehenden Gesellschaft die Ansicht, es bedürfe dann der Bestellung eines Kollisionskurators, wenn auch ein Elternteil des Minderjährigen Gesellschafter wird oder ist.
[37] h) Artmann (in Artmann, UGB3 § 105 Rz 63) lehrt, dass es bei Familiengesellschaften zu Interessenkollisionen kommen kann, wenn etwa der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Gesellschafters selbst an der Gesellschaft beteiligt ist. Diesfalls sei ein Kollisionskurator zu bestellen.
[38] i) Nach Weitzenböck (in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 277 Rz 18 [bei FN 85]) ist die Bestellung eines Kollisionskurators erforderlich „bei Beteiligung von gesetzlichem Vertreter und Kind an derselben Handelsgesellschaft“. Der Autor beruft sich dazu auf die Entscheidungen SZ 53/136, EvBl 1962/331 und EFSlg 66.169.
[39] j) Nach S. F. Kraus (in U. Torggler, UGB3 2019 § 105 Rz 23) bedarf es bei der Begründung der Gesellschaft mit einem Minderjährigen der Bestellung eines Kollisionskurators, wenn der Vertreter oder der andere Elternteil Mitgründer der Gesellschaft ist.
[40] k) Nach Warto (in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 [2019] § 145 Rz 65) ist bei liquidationsähnlichen Auseinandersetzungen im Fall eines minderjährigen Gesellschafters dann, wenn zumindest ein Elternteil ebenfalls Gesellschafter ist, ein Kollisionskurator zu bestellen.
[41] l) Nach Schauer (in Österreichisches Gesellschaftsrecht2 [2017] Rz 2/341; ders in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 [2021] § 105 Rz 70) bedarf es bei der Gründung einer Gesellschaft mit einem Minderjährigen und dessen gesetzlichen Vertreter jeweils als Gesellschafter der Beteiligung eines Kollisionskurators.
[42] m) Mondel (Das Recht der Kuratoren3 [2021] Rz 10.129 ff) widmete sich jüngst ausführlich der Frage einer Interessenkollision im Fall der Beteiligung von Eltern und ihren minderjährigen Kindern an einer Gesellschaft. Solle ein Schutzberechtigter (Mit-)Gründer einer GmbH werden, hält (auch) er immer die Bestellung eines Kollisionskurators für erforderlich, sofern auch sein gesetzlicher Vertreter Mitgründer sei. Ebenso sei bei jeder Änderung im Stand der Gesellschafter, an welcher der Schutzberechtigte und sein Vertreter beteiligt sind, eine Kollision zu bejahen. Ändere sich lediglich die Gesellschafterstellung des gesetzlichen Vertreters, komme eine Befassung bzw ein Mitspracherecht des Schutzberechtigten in seiner Eigenschaft als Gesellschafter nur dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Geschäftsanteilen von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig mache, namentlich die erforderliche Zustimmung der Generalversammlung oder der Mitgesellschafter vorsehe. Gegebenenfalls sei eine die Kuratorbestellung erforderlich machende Interessenkollision zu bejahen (Rz 10.139). Die sonstige Geltendmachung von Gesellschaftsrechten an einer GmbH, deren Mitgesellschafter sowohl ein Schutzberechtigter als auch sein gesetzlicher Vertreter sind, sei nach den allgemeinen Bestimmungen zum Vorliegen einer maßgeblichen Interessenkollision zu beurteilen (Rz 10.140).
[43] n) In Deutschland ist einhellige Ansicht, dass im Fall, dass der gesetzliche Vertreter selbst Gesellschafter ist, er beim Abschluss und bei der Änderung des Gesellschaftsvertrags den Minderjährigen nicht vertreten kann, sondern ein sogenannter Ergänzungspfleger zu bestellen ist (K. Schmidt in MünchKommHGB II4 [2016] § 105 Rz 129; Bienwald in Staudinger [2017] § 1909 BGB Rz 47; Emmerich in Heymann, HGB-Großkommentar II3 [2020] § 105 Rz 42). In der Regel sei davon auszugehen, dass mit dem Abschluss dieser Angelegenheit die Pflegschaft ende und es der Anordnung einer neuen Pflegschaft bedürfe, wenn weitere Fälle gesetzlicher Verhinderung auftreten (Schneider in MünchKommBGB X8 [2020] § 1909 Rz 41 mwN). Für die Beschlussfassung der Gesellschafter in laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft bedürfe es keines Ergänzungspflegers (Schäfer in Staub, HGB‑Großkommentar III5 [2009] § 105 Rz 86).
Der Senat hat erwogen:
[44] II.5.1. Der gesellschaftsrechtliche Meinungsstand zur Vertretung Minderjähriger, deren Obsorgeberechtigter so wie sie selbst einer Gesellschaft angehört, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Überwiegend wird es nur für besondere Situationen – so für den Abschluss des Gesellschaftsvertrags mit dem Kind, für eine Satzungsänderung und für den Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung – als unabdingbar angesehen, für das Kind einen Kollisionskurator zu bestellen. Dies impliziert, dass grundsätzlich für den laufenden Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft ein Kollisionskurator nicht als erforderlich betrachtet wird. In Deutschland wird ebensolches explizit ausgesprochen.
[45] II.5.2. Soweit Äußerungen vorliegen, die die Notwendigkeit einer Kuratorbestellung bereits aus dem Umstand selbst abzuleiten scheinen, dass Kind und Obsorgeberechtigter Gesellschafter sind, ist dies auf eine unrichtige Wiedergabe jener Entscheidung zurückzuführen, die allein aussprach, dass „die Gefahr der schädigenden Interessenkollision zwischen Vertreter und Vertretenem […] insbesondere dann vorliegen [kann], wenn der Vormund selbst Gesellschafter ist“ (7 Ob 75/55 = JBl 1955, 448).
[46] II.5.3. Nach Ansicht des Senats reicht eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, nicht hin, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Kind und damit gleichsam prophylaktisch die Bestellung eines Kurators rechtfertigen zu können.
[47] Die gegenteilige Auffassung stünde zum einen in Konflikt mit der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Auffassung, die etwa erst bei einer anstehenden Satzungsänderung oder Auflösungsvereinbarung die Bestellung eines Kollisionskurators für nötig hält.
[48] Zum anderen muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Obsorge entsprechend den Interessen des Kindes ausgeübt wird. Auch bei einer Beteiligung von Obsorgeberechtigtem und Kind an einer Gesellschaft ist grundsätzlich ein Interesseneinklang zu erwarten, ist doch das Wohlergehen der Gesellschaft im Interesse beider. Dass etwa hinsichtlich Gewinnausschüttung unterschiedliche Interessen von Obsorgeberechtigtem und Kind denkbar sind – etwa wenn nur ersterer einen gewissen Geldbedarf hat –, rechtfertigt noch nicht die Kollisionskuratel, wird doch in solchen Fällen mit dem Instrumentarium der § 181 Abs 1 ABGB und § 133 Abs 2 und 4 AußStrG, insbesondere mit Auftragserteilungen, und erforderlichenfalls mit einer Kuratorbestellung ad hoc in aller Regel das Auslangen gefunden werden können. Es gilt dabei der Grundsatz der Anwendung des gelindesten zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeigneten Mittels auf dem Bereich der Vermögensverwaltung (6 Ob 12/04i; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 [2019] § 133 Rz 43; Täubel-Weinreich in Schneider/Verweijen, AußStrG [2019] § 133 Rz 12 f).
[49] II.5.4. Dass ein Obsorgeberechtigter ein großes Kindesvermögen verwaltet, ist auch durchaus vom Gesetz gedeckt, schränkt dieses doch die Vermögensverwaltung der Eltern dem Wert nach in keiner Weise ein (vgl §§ 158, 164 f ABGB), sondern knüpft an das Vorliegen eines „nennenswerten Vermögens“ nur eine besondere pflegschaftsgerichtliche Überwachung (§ 133 AußStrG; vgl Hopf/Höllwerth in KBB6 [2020] §§ 164 f ABGB Rz 3).
[50] II.5.5. Sollten einem Obsorgeberechtigten die Fähigkeiten fehlen, das große Vermögen seines Kindes zu verwalten, und daraus eine Gefährdung von dessen materiellem Wohl resultieren, und kann das Manko nicht durch besondere pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen (vgl § 181 ABGB und § 133 AußStrG) ausgeglichen werden, so wäre nicht mit Bestellung eines Kollisionskurators, sondern – als ultima ratio – mit teilweiser Entziehung der Obsorge vorzugehen (vgl Hopf/Höllwerth in KBB6 §§ 181 f ABGB Rz 4).
[51] II.5.6. Dass im vorliegenden Fall die Mutter grundsätzlich nicht in der Lage wäre, im Interesse ihrer minderjährigen Kinder deren Geschäftsanteile zu verwalten, ist nicht ersichtlich. Ebenso liegt nach der zwischenzeitlichen Entwicklung kein Hinweis vor, dass sie in Hinsicht auf Gewinnausschüttung oder Geschäftspolitik derzeit Interessen hat, die jenen der Minderjährigen zuwiderlaufen. Das Vorliegen einer konkreten, nicht bloß abstrakt denkbaren Interessenkollision in der Vergangenheit oder in der absehbaren Zukunft zwischen der Mutter und den beiden Kindern wurde von den Kollisionskuratoren auch weder in ihren Äußerungen zum Enthebungsantrag noch im Revisionsrekursverfahren behauptet. Ebenso ist – jedenfalls derzeit – nicht ersichtlich, dass die Interessen der beiden minderjährigen Kinder untereinander iSd § 277 Abs 2 ABGB konfligierten oder in absehbarer Zeit konfligieren werden. Es ist aber vor allem auch nicht ersichtlich, warum nicht mit Maßnahmen wie etwa einer der Mutter vom Erstgericht erteilten Berichtspflicht vor Beschlussfassungen der Gesellschafter und erforderlichenfalls einer Kuratorbestellung ad hoc das Auslangen gefunden werden kann.
[52] In einem Fall wie dem vorliegenden ist daher nach Beurteilung des Senats die Beendigung der Kollisionskuratel sachgerecht. Es war aus diesem Grunde dem Revisionsrekurs Folge zu geben und in Beendigung der Kuratelen die Enthebung der Kuratoren zu beschließen.
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