OGH 2Ob174/21h

OGH2Ob174/21h27.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* Ö*, vertreten durch Dr. Eric Heinke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G* AG, *, 2. A* M*, beide vertreten durch Dr. Frank Riel und andere Rechtsanwälte in Krems an der Donau, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei B* eGen, *, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 75.813,87 EUR sA, Zahlung einer Rente (Streitwert 18.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2021, GZ 15 R 48/21w‑56, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00174.21H.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Zweitbeklagte war von der Nebenintervenientin mit dem Transport eines gekauften Ochsen beauftragt worden und verwendete dabei einen bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Lkw. Beim Verladen wurde der Ehemann der Verkäuferin schwer verletzt. Die Vorinstanzen wiesen sein Schadenersatzbegehren ab, weil den Zweitbeklagten kein Verschulden getroffen habe und er auch nicht Halter des Ochsen gewesen sei.

[2] In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger geltend, dass der Zweitbeklagte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als Halter anzusehen sei und dass er den in § 1320 ABGB vorgesehenen Entlastungsbeweis nicht erbracht habe. Damit zeigt der Kläger keine Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Gesetzgeber mit § 1320 ABGB keine (volle) Gefährdungshaftung normiert hat, die besondere Tiergefahr aber dadurch berücksichtigt wird, dass nicht auf das subjektive Verschulden des Halters, sondern auf die objektiv gebotene Sorgfalt abgestellt wird (2 Ob 85/11f mwN; RS0030291 [T13]). Der Tierhalter hat zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt. Misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch allenfalls schuldloses Verhalten (2 Ob 85/11f mwN; RS0105089, zuletzt etwa 5 Ob 168/19w). Für die Bestimmung der im konkreten Fall erforderlichen Sorgfalt sind die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten und eine Abwägung der betroffenen Interessen maßgebend (RS0030081 [T16]). Je größer die Gefährlichkeit des Tieres, desto größere Sorgfalt ist aufzuwenden (RS0030081 [T6, T11]). Die Anforderungen an die Beaufsichtigung und Verwahrung eines Tieres dürfen aber auch nicht überspannt werden (RS0030365; RS0030326).

[4] 2. Im vorliegenden Fall waren der Zweitbeklagte und sein Mitarbeiter beim Verladen sorgfältig vorgegangen. Der Bereich hinter dem Lkw war abgesperrt, der Versuch, den Ochsen durch eine von der Ladefläche heruntergelassene Kuh zum „Mitgehen“ zu bewegen, war der Situation angemessen. Allerdings drehte der Ochs auf der Ladefläche plötzlich um und lief die Laderampe wieder hinunter. Zur Verletzung des Klägers kam es ausschließlich deswegen, weil er sich unvermittelt in den abgesperrten Bereich begab, um den Ochsen aufzuhalten. Nach den Feststellungen konnten der Zweitbeklagte und sein Mitarbeiter weder das Herunterlaufen des Ochsen verhindern noch den Kläger rechtzeitig warnen. Damit könnte dem Zweitbeklagten höchstens vorgeworfen werden, dass er dem Kläger nicht vorweg das Betreten des abgesperrten Bereichs untersagt hatte. Allerdings war es der – auf dem Bauernhof lebende und daher auch mit Rindern vertraute – Kläger selbst gewesen, der den Zweitbeklagten vor dem Beginn des Verladens auf die Gefährlichkeit des „narrischen“ Ochsen und die Notwendigkeit eines Sicherheitsabstands hingewiesen hatte. Auf dieser Grundlage ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass es für den Zweitbeklagten keinen Anlass für weitere Warnungen gab. Er musste mit dem vom Berufungsgericht zutreffend als „unsinnig und geradezu halsbrecherisch“ bezeichneten Verhalten des Klägers nicht rechnen.

[5] 3. Zwar hat das Berufungsgericht diese Erwägungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Verschuldenshaftung des Beklagten angestellt, weil es die Haltereigenschaft des Zweitbeklagten verneinte. Darauf kommt es aber nicht an: Selbst wenn man annehmen wollte, dass der Transporteur eines Tieres als Halter angesehen werden kann (so Reischauer in Rummel3 § 1320 Rz 7 aE, ihm folgend Danzl in KBB6 § 1320 Rz 3) und dass die Haltereigenschaft im konkreten Fall schon mit dem Beginn des Verladens begründet wurde, ist dem Zweitbeklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen der Entlastungsbeweis gelungen. Die Annahme einer Warnpflicht wäre nach den Umständen des konkreten Falls eine Überspannung (auch) der nach § 1320 ABGB gebotenen Sorgfalt.

[6] 4. Damit ist die abstrakt möglicherweise erhebliche Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls wann der Transporteur eines Tieres zum Halter iSv § 1320 ABGB wird, im konkreten Fall nicht präjudiziell (RS0088931). Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Stichworte