European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00006.22D.0127.000
Spruch:
F* B* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Oberlandesgericht Wien die über F* B* am 16. Juli 2021 vom Landesgericht Eisenstadt verhängte (ON 93) und von diesem Gericht zuletzt am 2. November 2021 (zu AZ 6 HR 44/21s) fortgesetzte (ON 334) Untersuchungshaft – aus Anlass einer Beschwerde des Genannten gegen den zuletzt erwähnten Beschluss – aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und lit b StPO fort (ON 358 der Hv‑Akten).
[2] Dabei ging es von dem als hafttragend erachteten dringenden Verdacht aus, F* B* habe „seit zumindest Sommer 2020 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtmittel in einer das 25‑Fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, allein im Zeitraum 17. März 2021 bis 31. Mai 2021 insgesamt 11,3 Kilogramm Kokain (Reinheitsgehalt rund 50 %) und 25,9 Kilogramm Cannabisblüten (enthaltend rund 2,6 Kilogramm THCA […] und 250 Gramm Delta‑9‑THC) anderen überlassen bzw. die Übernahme und Weitergabe der Suchtmittel über ein Verteilernetz von Mittätern, Großabnehmern, Läufern und 'Bunkerhaltern', nämlich […] B* B*, * S*, * H*, * R*, * G*, N* M*, E* M*, * Mi*, * Y*, * L* und weitere Beschuldigte, an Abnehmer organisiert und hiedurch das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall StGB begangen“ (ON 358 S 2).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten F* B*, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Eine unrichtige rechtliche Beurteilung des dringenden Tatverdachts releviert die Beschwerde mit der Behauptung, das Oberlandesgericht habe zum objektiven Tatbildmerkmal der Vorschriftswidrigkeit keine Sachverhaltsannahmen getroffen (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO). Wie sie bei gebotener Gesamtbetrachtung der Verdachtsannahmen (ON 358 S 2 f, siehe auch S 4; vgl RIS‑Justiz RS0099810) aber ohnehin selbst erkennt, wird die Vorschriftswidrigkeit der Überlassung von Suchtgift in den Annahmen zur subjektiven Tatseite angesprochen und damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Oberlandesgericht auch jenen zur objektiven Tatseite einen vorschriftswidrigen Umgang mit Suchtgift zugrunde legt.
[5] Dass zum objektiven und subjektiven Tatbildmerkmal der Vorschriftswidrigkeit keine „der urteilsähnlichen Begründungspflicht entsprechende“ Begründung vorliegt (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) trifft nicht zu. Denn das Oberlandesgericht hat den dringenden Tatverdacht (unter Nennung der Fundstellen im Akt) in objektiver Hinsicht auf seit zumindest Juni 2020 geführte intensive und umfangreiche Ermittlungen der Landespolizeidirektion Wien, auf dadurch gewonnene Ergebnisse von optischen und akustischen Überwachungen sowie Telefonüberwachungen und auf aktenkundige Gespräche mit „Kryptohandys“ gestützt und die Verdachtsannahmen zur subjektiven Tatseite – da sich der Beschwerdeführer sowie andere Beschuldigte weitgehend einer Aussage enthalten haben – aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet (ON 358 S 3 ff).
[6] Warum diese Begründung nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale umfassen sollte, sondern eine getrennte oder darüber hinausgehende Argumentation zur Vorschriftswidrigkeit erforderlich gewesen wäre, erklärt die Grundrechtsbeschwerde nicht (vgl auch RIS‑Justiz RS0132363).
[7] Indem die Beschwerde (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO) behauptet, das Oberlandesgericht habe zur Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG „überhaupt keine konkreten Verdachtsannahmen“ getroffen, setzt sie sich nicht mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses auseinander. Dieser zufolge (ON 358 S 2 f) besteht nämlich der dringende Verdacht, dass der Zusammenschluss mit den im Beschluss genannten „organisiert und arbeitsteilig zusammenwirkenden“ (vgl ON 358 S 3) Personen auf längere Zeit angelegt und darauf ausgerichtet war, „dass von den Mitgliedern fortgesetzte Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz – insbesondere mit dem Ziel, anderen vorschriftswidrig Suchtgift in übergroßen Mengen zu überlassen – begangen werden“, die fortlaufende Tatbestandsverwirklichung durch F* B* „im Rahmen dieser kriminellen Vereinigung“ erfolgte und er „sich wissentlich und willentlich (zumindest) mit den genannten Personen zusammengeschlossen“ hat.
[8] Die von der Grundrechtsbeschwerde behauptete Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§ 9 Abs 2 und § 177 Abs 1 StPO, Art 5 Abs 3 zweiter Satz MRK) bei der Erledigung der gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 2. November 2021 gerichteten Beschwerde des F* B* liegt nicht vor.
[9] Zwar wurde die Vorlage der am 5. November 2021 beim Erstgericht eingebrachten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht erst sechs Werktage später, nämlich am 15. November 2021, veranlasst, gemessen am Aktenumfang und dem damit verbundenen Aufwand sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei Gericht, nämlich die zuvor noch erforderliche Verrichtung einer Haftprüfungsverhandlung gegen einen weiteren Beschuldigten und die sodann erfolgte Herstellung von Aktenkopien durch die Staatsanwaltschaft zur Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Oberlandesgericht (ON 1 S 126 f), liegt darin eine ins Gewicht fallende Verzögerung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0120790) durch das Erstgericht nicht vor. Eine solche wurde – der Grundrechtsbeschwerde zuwider – auch nicht durch die am 14. Dezember 2021 veranlasste Zustellung der Rechtsmittelentscheidung bewirkt, weil diese erst am 13. Dezember 2021 beim Erstgericht eingelangt ist (ON 358).
[10] Das Oberlandesgericht wiederum hat über die am 18. November 2021 bei ihm eingelangte Beschwerde – nachdem noch am selben Tag veranlasst worden war, der Oberstaatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 89 Abs 1 StPO) und der Akt am 22. November 2021 von dieser zurückgelangt war – am 7. Dezember 2021 entschieden und den Akt zwei Tage später an die Vorlageinstanz zurückgeschickt, sodass dem Rechtsmittelgericht – auch mit Blick auf den Verfahrensumfang und die Befassung von drei Richtern (§ 33 Abs 2 letzter Satz StPO) – ebenfalls keine dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen zuwider laufende Säumigkeit vorzuwerfen ist.
[11] Soweit die Beschwerde argumentativ auf die Entscheidung 15 Os 82/93 verweist, vernachlässigt sie, dass dort eine Untätigkeit des Oberlandesgerichts für einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen, nicht aber eine fünfwöchige Dauer des gesamten Beschwerdeverfahrens in Rede stand.
[12] F* B* wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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