European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00108.21W.1216.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen (in Bezug auf einzelne, bloß pauschal individualisiert zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefasster Vergewaltigungen [zum Begriff vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 33, 291; RIS‑Justiz RS0119552] verfehlten [Lendl, WK‑StPO § 259 Rz 7]) Freispruch enthaltenden (US 2 iVm ON 13 S 1 f) – Urteil wurde M***** H***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116, in einem Fall auch nach 15 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er von Jänner 2018 bis August 2018 sowie von 7. November 2018 bis 11. April 2019 in B********** A***** in zahlreichen, zumindest zehn Angriffen mit Gewalt, nämlich vorwiegend durch Festhalten zur Überwindung ihrer Gegenwehr, in zwei Fällen auch durch Drücken eines Polsters auf ihr Gesicht oder Zuhalten ihres Mundes zwecks Unterdrückung ihrer Schreie zur Duldung des Beischlafs genötigt und in einem Fall zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
[4] Dessen leugnende Verantwortung blieb nicht unberücksichtigt, sie wurde vielmehr als unglaubwürdig und durch die Aussage des Tatopfers sowie weitere Verfahrensergebnisse widerlegt angesehen (US 5 ff). Unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) war das Erstgericht daher – entgegen dem Standpunkt der Mängelrüge – nicht verhalten, auf deren Inhalt näher einzugehen (RIS‑Justiz RS0098642; vgl im Übrigen US 9).
[5] Die Aussage der Zeugin ***** R***** wurde gleichfalls erörtert (US 7 ff). Zu einer gesonderten Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerde relevierten – zudem unerheblichen – Detail daraus bestand keine Verpflichtung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS‑Justiz RS0106642).
[6] Dies trifft ebenso auf einzelne – isoliert hervorgehobene – Passagen aus den Depositionen der Zeugin ***** I***** (US 9) zu. Deren Aussage, dass das Tatopfer ihr gegenüber eine andere Ursache für die Verletzung am Auge nannte, als die im Urteil festgestellte (US 3), mussten die Tatrichter schon deshalb nicht explizit erörtern, weil sie – von der Beschwerde ignoriert (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370) – davon ausgingen, dass A***** in Bezug auf die Gewalttätigkeiten und sexuellen Übergriffe des Angeklagten äußerst verschwiegen war und sich diesbezüglich nicht einmal Freundinnen anvertraute (US 9).
[7] Die weiters als übergangen reklamierten Angaben der Zeugin P***** H*****, wonach es manchmal unmöglich gewesen sei, das gemeinsame Kind des Angeklagten und des Tatopfers aufzuwecken und sie – entgegen deren Behauptung – nie ein Foto von A***** erhalten habe, das eine Verletzung derselben (am Auge) zeigte, steht den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen – auch unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit in Ansehung der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers – nicht erörterungsbedürftig entgegen (RIS‑Justiz RS0098495 [insb T6], RS0119422 [insb T4]; vgl im Übrigen auch US 8).
[8] Weshalb die zunächst pauschal zu sämtlichen der vom Schuldspruch umfassten Taten getroffenen Feststellungen (US 3) im Widerspruch zu den nachfolgenden, eine detaillierte Schilderung einzelner dieser Vorfälle enthaltenden Konstatierungen (US 3 f) stehen sollten, macht die Rüge (Z 5 dritter Fall) nicht klar (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438). Mit dem Vorwurf eines inneren Widerspruchs in Bezug auf die Urteilsannahmen zur Anzahl der im Stadium des (strafbaren; § 15 Abs 2 StGB) Versuchs verbliebenen Vergewaltigungen spricht sie keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0099497, RS0122138 [zur rechtlichen Gleichwertigkeit von Versuch und Vollendung]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398).
[9] Indem die Beschwerde – gestützt auf Z 5 vierter Fall – die Angaben der Zeuginnen R***** und I***** (für sich betrachtet) als zur Fundierung der Feststellungen zu zwei der im Urteil konkret beschriebenen Vergewaltigungen ungeeignet erachtet und in Betreff der weiteren Taten das Fehlen jeglicher Begründung behauptet, lässt sie außer Acht, dass das Erstgericht sämtliche Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen vor allem auf die als glaubwürdig, in sich schlüssig und konstant beurteilten Angaben des Opfers stützte (US 5 ff) und jene zur subjektiven Tatseite aus dem konstatierten Täterverhalten ableitete (US 10). Solcherart orientiert sie sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und verfehlt damit den Bezugspunkt einer Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0119370; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394; vgl auch RIS‑Justiz RS0116882).
[10] Mit der These, die Zeugin I***** hätte (als Nachbarin) zumindest mehrfach Geräusche wahrnehmen müssen, wenn A***** tatsächlich in zehn Fällen vergewaltigt worden wäre, übt sie bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[11] Der Einwand, in Bezug auf eine der vom Schuldspruch umfassten Taten ergäbe sich aus den Angaben der Zeugin I***** nicht, dass diese im konstatierten Tatzeitraum begangen wurde, bezieht sich nicht auf eine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0098557, vgl auch RS0116736).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[13] Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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