European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00135.21Z.1215.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 377,50 EUR (darin enthalten 62,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger war ab 18. 7. 2019 bei der Beklagten beschäftigt. Für den Zeitraum 16. 3. – 14. 6. 2020 vereinbarten sie Kurzarbeit im Ausmaß von vier Wochenstunden. Die zugrunde liegende Sozialpartnervereinbarung – Einzelvereinbarung (idF: Kurzarbeitsvereinbarung) beinhaltet unter anderem folgende Regelungen:
„2. Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes:
a) Während der Kurzarbeit
Der/Die ArbeitgeberIn ist verpflichtet, jenen Beschäftigtenstand im Betrieb aufrecht zu erhalten, der zum Zeitpunkt des Geltungsbeginnes der Kurzarbeitsvereinbarung (Punkt I) bestanden hat (Behaltepflicht).
[…]
b) Nach der Kurzarbeit
Die Dauer der Behaltepflicht nach Ende der Kurzarbeit beträgt einen Monat.
[…]
[c)] Gemeinsame Bestimmungen:
Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden.“
[2] Mit Schreiben vom 28. 6. 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 10. 7. 2020.
[3] Der Klägerbegehrt den Klagsbetrag als Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von 11. 7. – 10. 10. 2020 und bringt vor, die Kurzarbeit sei bis 14. 9. 2020 zuzüglich ein Monat Behaltefrist verlängert worden. Die Kündigung sei demnach fristwidrig erfolgt.
[4] Die Beklagte bestreitet. Die Kurzarbeit sei Ende Juni 2020 beendet worden.
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Eine an Wortlaut und Zweck der Sozialpartnervereinbarung orientierte Auslegung ergebe, dass den einzelnen Arbeitnehmern kein subjektiver Anspruch auf Bestand des Arbeitsverhältnisses eingeräumt werden sollte.
[6] Die Revision wurde vom Berufungsgericht als zulässig erachtet, weil der Frage, ob aus der Sozialpartnervereinbarung über die Kurzarbeit ein besonderer Kündigungsschutz abzuleiten sei, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921 und RS0112769; Lovrekin Fasching/Konecny³ IV/1 § 502 Rz 113). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich, wenn sie durch eine oder mehrere andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (vgl 8 Ob 23/08b ua).
[9] 2. In der – nach Fällung des Berufungsurteils ergangenen – Entscheidung 8 ObA 48/21y hat sich der Oberste Gerichtshof ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Kündigungsbeschränkungen einer Kurzarbeitsvereinbarung, die im konkreten Fall vom klagenden Arbeitnehmer nicht mitunterfertigt worden war, bloß den Beschäftigungsstand in den Unternehmen oder auch die individuellen Arbeitnehmer schützen sollen und einen individuellen Kündigungsschutz gewähren. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass sich aus den Bestimmungen des § 37b AMSG iVm den maßgeblichen Regelungen der Kurzarbeitsvereinbarung keine Unwirksamkeit einer während der Kurzarbeit oder der anschließenden Behaltefrist ausgesprochenen Kündigung ergibt.
[10] 3. Diesem Ergebnis ist der Oberste Gerichtshof mit ausführlicher Begründung auch in der jüngst ergangenen Entscheidung 8 ObA 50/21t gefolgt, in der eine „Sozialpartnervereinbarung – Einzelvereinbarung“ (Formularversion 7.0) über Begleitmaßnahmen während der Kurzarbeit von sämtlichen Arbeitnehmern mitunterfertigt worden war.
[11] 4. Die Revision macht im Wesentlichen geltend, dass ausgehend von den Auslegungsregeln des ABGB der Arbeitnehmer die getroffene Kurzarbeitsvereinbarung dahingehend verstehen durfte, dass Kündigungen entgegen dieser Vereinbarung nicht vertragskonform seien, weshalb er einen Anspruch auf Feststellung des aufrechten Bestandverhältnisses bzw wahlweise auf Kündigungsentschädigung habe.
[12] Auch mit diesem Argument hat sich bereits die Entscheidung 8 ObA 50/21t auseinander gesetzt und dazu ausgeführt, dass sich die Unwirksamkeit einer entgegen der Vereinbarung ausgesprochenen Kündigung aus dem Wortlaut nicht ableiten lasse. Aufgrund des Umstands, dass die zugrunde liegenden Mustervereinbarung von den Sozialpartnern ausverhandelt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass diese Rechtsfolge gerade nicht gewollt gewesen sei.
[13] Verwiesen wurde auch darauf, dass die sonstigen Reglungen des entsprechenden Vertragspunkts (ebenso wie im vorliegenden Fall) nur die Frage beträfen, wann eine Auffüllpflicht bestehe, somit eine Thematik, die für den einzelnen Arbeitnehmer ohne Bedeutung sei.
[14] 5. Die Revision des Klägers zeigt keine Gründe auf, von den Vorentscheidungen abzuweichen. Sie ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[15] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
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