European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00114.21M.1125.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RS0118891 [T5]). Das trifft auf den vorliegenden Fall, in dem das Berufungsgericht eine als Negativfeststellung formulierte Feststellung im Zusammenhalt mit der Beweiswürdigung und den Rechtsausführungen des Erstgerichts als sprachlich ungenauen Ausdruck dafür ansah, dass sich der vorgetragene Sachverhalt gerade nicht verwirklicht hat, nicht zu. Davon ausgehend kommt der in der Revision angesprochenen Frage der Beweislastverteilung keine Bedeutung zu.
[2] 2. Soweit die Klägerin eine Befassung des Dienststellenausschusses mit der Kündigung vermisst, hat bereits das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung verwiesen, dass die in § 9 Abs 1 lit i PVG aufgezählte Kompetenz des Dienststellenausschusses zur Mitwirkung an der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Kündigung durch den Dienstgeber dem Dienststellenausschuss nur dann zukommt, wenn die Dienstgeberkündigung von dem Dienststellenleiter ausgeht, bei dessen Dienststelle der Dienststellenausschuss errichtet ist (RS0052994). Das war hier nicht der Fall.
[3] 3. Das Grundrecht der Religionsfreiheit (Art 9 EMRK; Art 10 Abs 1 GRC; siehe zu den Begriffen Religion, forum internum und forum externum zuletzt EuGH 15. 7. 2021, C‑804/18 und C‑341/19 WABE und Müller, Rn 45 mwN) schützt nicht jede durch Religion oder Überzeugung motivierte Handlung (RS0126892). Der Klägerin wurde nicht angelastet, dass sie bestimmte Auffassungen vertritt, sondern dass sie diese (über die Grenzen geschützter Grundrechte hinaus) – trotz mehrfacher Verwarnung – im fachfremden Unterricht wiedergibt, wodurch es zu Verängstigungen und Verstörungen der SchülerInnen kam. Dass ihre Äußerungen unangemessen waren und nichts mit dem Lehrplan zu tun hatten, ist auch ihren eigenen Ausführungen zu entnehmen. Nach den von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen stellt sich die Frage, inwieweit die „Ausübung“ eines Grund- und Freiheitsrechts eines Vertragsbediensteten nach dem PVG einen Kündigungsgrund darstellen könne, nicht.
[4] 4. Ob ein Kündigungstatbestand nach § 32 Abs 2 Z 1 oder Z 6 VBG verwirklicht ist, ist nur nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (s RS0106298 [T13, T18]). Letzteres trifft hier nicht zu. Die Befolgung von Anordnungen der Vorgesetzten zählt zu den wesentlichen Pflichten des Vertragsbediensteten, insbesondere auch einer Lehrerin, wenn die Vorgaben für die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebs notwendig sind (RS0105940 [T10], 8 ObA 39/13p). Die Aussagen und das Verhalten der Klägerin sind in objektiver Sichtweise auch dazu geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer Dienstpflichten zu erschüttern. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen liegt nicht vor.
[5] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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