OGH 7Ob163/21b

OGH7Ob163/21b24.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* F*, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei b* Ltd, *, vertreten durch Dr. David Christian Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 39.049,08 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Juli 2021, GZ 4 R 109/21h‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00163.21B.1124.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta. Sie verfügt über keine nationale Glücksspiellizenz in Österreich, bietet aber auf der von ihr betriebenen Homepage Online‑Glücksspiele an. Der Kläger beteiligte sich im Zeitraum 2013 bis 2019 daran und erlitt Verluste in Höhe des Klagsbetrags.

Rechtliche Beurteilung

[2] 1.1 Erst jüngst stellte der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 1 Ob 229/20p (zu Zeitraum Jänner 2013–Mai 2019 = RS0130636 [T7]), 5 Ob 30/21d (zu Zeitraum Jänner 2012–Dezember 2015), 9 Ob 20/21p (zu Zeitraum 2014–2019 = RS0130636 [T8]) unter Darstellung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs neuerlich klar, dass das im Glücksspielgesetz (GSpG) normierte Monopol‑ bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt (insbesondere derWerbemaßnahmen der Konzessionäre) für den hier gegenständlichen Zeitraum den vom Europäischen Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht, wogegen die Beklagte keine stichhaltigen Argumente zu bringen vermag.

[3] 1.2 Dass der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur deshalb keine Aussagekraft mehr zukomme, weil sie die aktuelle Werbepraxis der Konzessionsinhaber und das daraus folgende kontinuierliche Wachstum des österreichischen Glücksspielmarkts nicht berücksichtigt habe, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Beklagte nicht konkret aufzeigt, inwieweit aus dieser behaupteten Praxis in jüngster Zeit Rückschlüsse gezogen werden können, dass es zu einer maßgeblichen Änderung jenes Sachverhalts gekommen wäre, der den genannten oberstgerichtlichen Entscheidungen zugrunde lag. Vielmehr erfolgten die Spiele des Klägers auf der Internetplattform der Beklagten während eines Zeitraums, für den die konkrete Werbepraxis der Konzessionäre bereits umfassend beurteilt wurde.

[4] 1.3 Zu den bereits wiederholt gebrachten Argumenten zu der Frage, ob die Beschränkungen des Angebots von Glücksspielen durch das Glücksspielgesetz die damit angestrebten Ziele des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung in kohärenter und systematischer Weise verfolgen, wurde in den genannten oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso schon Stellung genommen wie zu jenen zur unterschiedlichen Behandlung von Online‑Sportwetten und Online‑Glücksspielen, zur restriktiven Behandlung von Online‑Glücksspielen im Vergleich zu Offline‑Glücksspielen und zum Spielerschutz bei Ausspielungen von Video‑Lotterie‑Terminals (VLT).

[5] 1.4 Der Verwaltungsgerichtshof (Erk vom 11. 7. 2018, Ra 2018/17/0048) wertete auch die Beschränkung des § 14 Abs 3 GSpG ausdrücklich als nicht diskriminierend. Er ging bei der Prüfung der österreichischen Rechtslage davon aus, dass die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14 Abs 3 GSpG für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung – nämlich eine vergleichbare Lotteriekonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht – zwar eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt, diese jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, den Anforderungen an ihre sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden Verhältnismäßigkeit genügt und erkennbar das Ziel verfolgt, eine effiziente Kontrolle der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer zu ermöglichen, um der Ausnutzung der Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.

[6] 1.5 Da sich das Berufungsgericht an der übereinstimmenden Judikatur sämtlicher Höchstgerichte orientierte, ist diesem keine „gravierende“ vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung vorzuwerfen.

[7] 1.6 Die Anregung der Beklagten auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs war nicht aufzugreifen, weil unter Bedachtnahme auf die vom Europäischen Gerichtshof bereits geklärten Fragen in der außerordentlichen Revision keine stichhaltigen Zweifel zur Auslegung des Unionsrechts aufgezeigt werden.

[8] 2. Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen zur Anspruchsverwirkung des Klägers wegen Rechtsmissbrauch und zum Abzug der Aufwendungen der Beklagten, insbesondere der 40%igen Glücksspielabgabe, verstößt gegen das Neuerungsverbot.

[9] 3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0043338 [T4, T10, T13, T27]).

[10] 3.2 Das Erstgericht ging davon aus, dass der Kläger die Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel zurückfordern könne. Die Beklagte wandte sich in der Berufung ausschließlich gegen die Beurteilung, dass das im GSpG normierte Monopol – bzw Konzessionssystem – den Vorgaben des Unionsrechts widerspreche. Die Rechtsrüge in der Berufung machte aber weder die Unzulässigkeit einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung noch eine (analoge) Heranziehung der Haftungsbeschränkung nach § 25 Abs 3 GSpG geltend. Ein weiteres Eingehen darauf erübrigt sich hier.

[11] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte