OGH 15Os105/21m

OGH15Os105/21m20.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Casagrande in der Strafsache gegen ***** S***** wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 21. Mai 2021, GZ 6 Hv 24/21k‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00105.21M.1020.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde ***** S***** gemäß § 336 StPO von der Anklage freigesprochen, er habe sich in G***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er

1./ von zumindest Mitte Oktober bis 12. November 2020 in seinem Haftraum in der Justizanstalt G***** eine Zeichnung mit einem rot/schwarzen, stilisierten Hakenkreuz und der Aufschrift „BLUT UND ERHE VATERLAND“ an der Wand aufhängte und dadurch propagandistisch zur Schau stellte;

2./ von 2004 bis zumindest 12. November 2020 seine rechts am Hals befindliche Tätowierung der Odalrune in der Öffentlichkeit für andere Personen sichtbar machte;

3./ von zumindest 2004 bis 12. November 2020 seine am Genick befindliche Tätowierung des Schriftzugs „WHITE POWER“ in Frakturschrift in der Öffentlichkeit für andere Personen sichtbar machte.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 8 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel.

[3] Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt‑ oder die Eventualfrage gerichtet ist, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage (Schuldspruch, Freispruch und Subsumtion, nicht aber die Sanktionsfrage) bezogene Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und § 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen (RIS‑Justiz RS0125434; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 53).

[4] Indem die Beschwerde zur Hauptfrage 3 eine Belehrung der Geschworenen über den Begriff „White Power“ und die dahinterstehende Ideologie „in Bezug zum Nationalsozialismus und der Vorherrschaft der 'weißen (arischen) Rasse'“ vermisst, spricht sie – mangels Bezugnahme auf ein bestimmtes gesetzliches Merkmal des § 3g VG oder einen in der Hauptfrage 3 vorkommenden Gesetzesausdruck – keinen der bezeichneten Inhalte dieses Nichtigkeitsgrundes deutlich und bestimmt an (vgl [zum Begriff „Waffen-SS“] RIS‑Justiz RS0079810).

[5] Das – von der Nichtigkeitsbeschwerde der Sache nach begehrte – Zurückführen der Tatbestandsmerkmale auf den zu beurteilenden konkreten Sachverhalt ist nicht Aufgabe der (abstrakt abzufassenden) Rechtsbelehrung nach § 321 Abs 2 StPO, sondern jene der nach § 323 Abs 2 StPO angeordneten Besprechung (RIS‑Justiz RS0100764, RS0109476; Świderski, WK‑StPO § 321 Rz 10), deren Inhalt aber unter dem Aspekt der Nichtigkeitsdrohung unbeachtlich ist (RIS‑Justiz RS0100843 [T11]; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 54).

[6] Warum aufgrund der Erläuterungen (insb S 23 der Rechtsbelehrung) zur Bedeutung des abgerundeten Hakenkreuzes und der Odalrune, aber des Fehlens einer Erklärung des Begriffs „White Power“ und dessen neonazistischer Ideologie aus Sicht maßgerechter Laienrichter die Rechtsbelehrung als Ganzes undeutlich sein soll (RIS‑Justiz RS0125362 [T1]), obwohl in dieserein Bezug zu den Besonderheiten des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht, zum Sachverhalt und zu den Beweisergebnissen gar nicht herzustellen ist (RIS‑Justiz RS0101130, RS0100843 [T8, T9]), legt die Rüge nicht dar (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 56, 65).

[7] Durch die Behauptung, „bei Bejahung der Hauptfrage 3 und des für die Geschworenen erkennbaren Zusammenhangs der Tätowierung 'White Power' mit der nationalsozialistischen und rassistischen Theorie der Vorherrschaft der arischen, weißen Rasse als Schlüsselbegriff der Neonaziszene“ hätte die zu den Hauptfragen 1 und 2 verneinte subjektive Tatseite eine andere Beurteilung erfahren, weshalb auch die Rechtsbelehrung zu den Hauptfragen 1 und 2 undeutlich sei, wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht prozessförmig dargestellt.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Stichworte