OGH 4Ob115/21x

OGH4Ob115/21x28.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofrätinnen Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M.,als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin F* Partei *, vertreten durch Dr. Niki Haas, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten J* S*, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien,wegen Unterlassung (Streitwert 40.000 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3.200 EUR) und 600 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2021, GZ 5 R 25/21i-29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133137

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Ein Berufsfotograf stellte ein Foto eines Funktionärs der Klägerin her und trat in der Folge sämtliche nach dem UrhG übertragbaren Rechte an die Klägerin ab. In der Folge war auf der Webseite * in einem Beitrag mit der Überschrift „N* H* Pressesprecher im braunen Sumpf“ unter anderem auch das genannte Foto veröffentlicht. Dessen Metadaten enthielten den Beklagten als „Autor“. Der Beklagte sichert aus politischem Interesse gelegentlich Screenshots von ihm relevant erscheinenden Internetseiten und speichert diese auf seinem Computer. Er speichert Screenshots, um „Hasspostings“ zu sichern, diese an die Organisationen „ZARA“ oder „Ban Hate“ zu melden oder strafrechtlich relevante Dinge an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln, und er verwendet dazu mehrere Facebook-Profile. Personen mit ähnlichen Interessen organisieren sich in Facebook-Gruppen oder finden sich temporär in Facebook-Chatgruppen zusammen. Private Facebook-Gruppen werden für eine gewisse Dauer eingerichtet. Die Mitgliederzahl kann von weniger als zehn bis zu 80–100 Personen betragen. In solche Facebook-Gruppen gelangt man nur durch Einladung des Administrators. Die Verbindung zwischen den Gruppenmitgliedern ist die gemeinsame politische Ausrichtung.

[2] Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, das genannte Lichtbild zu vervielfältigen und/oder zur Verfügung zu stellen. Sie begehrt weiters die Urteilsveröffentlichung und Zahlung von 600 EUR. Der Beklagte sei Medieninhaber der Internetseite *Er habe Lichtbilder ohne ihre Zustimmung „auf seinem Facebook‑Account“ veröffentlicht. Auch insoweit liege keine Vervielfältigung zum eigenen oder privaten Gebrauch vor. Der Beklagte habe schuldhaft in die Rechte der Klägerin nach § 15 und § 18a UrhG eingegriffen. Das angemessene Entgelt für die Veröffentlichung betrage 300 EUR. Der Klägerin stehe aufgrund des Verschuldens des Beklagten gemäß § 87 Abs 3 UrhG Schadenersatz in Höhe von 600 EUR zu.

[3] Der Beklagte wendete ein, er sei nicht passiv legitimiert, weil er die inhaltliche Gestaltung, Veröffentlichung und Verbreitung der Webseite * nicht besorge und nicht deren Medieninhaber sei. Die in einem Lichtbild enthaltenen Metadaten sagten dazu nichts aus. Er sei in diversen geschlossenen Facebook-Gruppen aktiv, gebe aus politischem Interesse angefertigte Privatkopien diverser Fotos mitunter privat weiter und teile sie in diesen Gruppen. Auf diese Weise dürfte auch das gegenständliche Lichtbild an die Betreiber der Seite * gelangt sein.

[4] Das Erstgericht wies die Klage auch im zweiten Rechtsgang ab (zum ersten Rechtsgang siehe 4 Ob 89/20x). Der Beklagte sei weder Betreiber der Webseite, noch habe er sonst einen Tatbeitrag geleistet.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Der Beklagte könne sich mit Erfolg auf die freie Werknutzung der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch gemäß § 42 Abs 4 UrhG berufen. Die Vervielfältigung von Lichtbildern innerhalb „privater“ Facebook-Chatgruppen, die nur aus einigen wenigen, vom Ersteller des Chats „hereingeholten“ Mitgliedern bestünden und nach kurzer Zeit wieder beendet seien, greife nicht in das Zurverfügungstellungsrecht gemäß § 18a UrhG ein.

[6] Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin, der Klage stattzugeben. Die in der Entscheidung 4 Ob 89/20x aufgestellten Kriterien für ein Nichtvorliegen des öffentlichen Zugänglichmachens seien hier nicht gegeben. Im Übrigen sei der Anscheinsbeweis, dass der Beklagte an der Veröffentlichung des Lichtbilds mitgewirkt habe, erbracht.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Zur Frage des Anscheinsbeweises und der Veröffentlichung auf * hat der Senat im ersten Rechtsgang (4 Ob 89/20x, Facebook-Gruppen) Stellung genommen, die Rechtsansicht der Vorinstanzen gebilligt und die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises verneint. An diese Rechtsansicht ist der Oberste Gerichtshof nunmehr gebunden (vgl RIS‑Justiz RS0007010). Die Aufhebung der Entscheidung erfolgte damals nur in Ansehung des Vorwurfs, der Beklagte habe das Lichtbild auch in geschlossenen Facebook‑Gruppen gepostet und damit in das Zurverfügungstellungsrecht des § 18a UrhG eingegriffen, wozu der Senat weitere Feststellungen zu Größe und Zusammensetzung der Gruppen für erforderlich erachtete. Das erstinstanzliche Verfahren hatte sich auf diese Frage zu beschränken. Bei der Thematik des Anscheinsbeweises und der Veröffentlichung auf * handelt es sich um abschließend erledigte Streitpunkte (vgl RS0042031), sodass die Revision zu diesen Themenkreisen keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.

[8] 2.1. Zu den Facebook‑Gruppen wurden die Kriterien, anhand derer eine Zur-Verfügung-Stellung im Sinne des § 18a UrhG zu prüfen ist, bereits im ersten Rechtsgang dargelegt (Pkt 3.1 in 4 Ob 89/20x, Facebook-Gruppen = ÖBl 2021, 39 [Otti] = RZ 2020, 214 [Spenling] = MR 2020, 272 [Hofer/Amschl] = JusIT 2021, 35 [Maier]). Darauf ist hier zu verweisen und zu präzisieren, dass – wie sich bereits aus der zu Pkt 3.3 der Vorentscheidung zitierten Judikatur des EuGH ergibt – ein öffentliches Zugänglichmachen nur bei Überschreiten einer gewissen Personenanzahl und dem Fehlen eines Verbindungsmerkmals vorliegt, nichts desto trotz aber als Erfahrungssatz angenommen werden kann, dass eine ausreichende Verbindung umso unwahrscheinlicher wird, je mehr Personen einer Gruppe angehören.

[9] 2.2. Nach den ergänzenden Feststellungen bestehen die hier relevanten (privaten) Gruppen aus zehn bis maximal 80–100 Personen. Die Teilnehmer sind durch ihre gleichgerichtete politische Einstellung verbunden und werden – wenngleich sie nicht unter ihrem Klarnamen bekannt sind – persönlich eingeladen, nachdem sie anhand ihres Auftretens in öffentlichen Gruppen von einem Administrator auf ihre politische Einstellung hin überprüft und ausgewählt wurden. Innerhalb dieser Gruppen eröffnen Mitglieder manchmal Chatgruppen, in die wiederum nur einzelne Gruppenmitglieder eingeladen werden, und fragen dort nach Material zu einem bestimmten politischen Thema. Nur in diesen Chatgruppen hat der Beklagte Downloadlinks zu Material, darunter das gegenständliche Lichtbild, geteilt.

[10] 2.3. Die Revision weicht teilweise von diesem Sachverhalt ab und zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Wenn die Revisionswerberin rügt, dass bei 80–100 Personen eine „ziemlich große Zahl von Personen“ vorliege, übergeht sie die Feststellung, dass der Beklagte nicht in den Gruppen selbst gepostet, sondern nur einzelnen Mitgliedern das Lichtbild zur Verfügung gestellt hat. Schon deswegen hat das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 18a UrhG vertretbar verneint. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach sich der Beklagte hier auf das Recht zum privaten Gebrauch berufen könne (vgl RS0076514) ist daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung.

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