European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00047.21Z.0810.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung werden zurückgewiesen.
Der Privatbeteiligten fallen die durch ihre Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht Dr. ***** E***** von der wider ihn erhobenen Anklage frei, er habe von September 2014 bis zum 29. Jänner 2015 in H***** und an anderen Orten mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch die wahrheitswidrigen Vorgaben, rückzahlungsfähiger und ‑williger Darlehensnehmer zu sein, und das von ihm aufgenommene Darlehen diene der Errichtung einer Anlage zur Verwertung von Plastikmüll, während er das Geld tatsächlich für einen Grundstückskauf samt Einfamilienhaus und die Befriedigung andrängender Gläubiger verwendet habe, mithin durch Täuschung über Tatsachen, ***** M***** zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung eines Darlehens und zur Überweisung von einer Million Euro verleitet, welche diesen in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richten sich von der Staatsanwaltschaft aus Z 5 und 9 lit a sowie von der Privatbeteiligten Verlassenschaft nach ***** M***** aus Z 1, 4, 5 und 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden.
[3] Das Erstgericht ging im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
[4] Dr. E***** war auf der Suche nach Geschäftspartnern, um sein Projekt einer Anlage für Recycling von Plastikmüll nach einer neuen Methode realisieren zu können. Er trat mit M***** in Kontakt, der sowohl als Geldgeber als auch als Eigentümer einer bestehenden Recyclinganlage in Deutschland als Partner in Betracht kam. Im Zuge von Verhandlungen ersuchte Dr. E***** den bevollmächtigten Berater von M*****, ***** S*****, um Gewährung eines Darlehens von einer Million Euro. Dieses würde er benötigen, um eine Finanzierung der Gesamtkosten des Recyclingprojekts (von 40 Millionen Euro) organisieren zu können. Seinen zu dieser Zeit bestehenden privaten Geldbedarf erwähnte Dr. E***** in diesem Zusammenhang nicht.
[5] Die von M***** verlangte Sicherheit für das Darlehen organisierte Dr. E***** derart, dass er bei einer zyprischen Bank eine Wertpapierleihe mit einem Nominalwert von zehn Millionen Euro und einjähriger Laufzeit aufnahm. Für die dafür erforderliche Leihgebühr von 100.000 Euro nahm er ein kurzfristiges Darlehen auf. M***** gewährte daraufhin Dr. E***** Ende Jänner 2015 ein Darlehen von einer Million Euro. Zur Besicherung wurde M***** ein Teil der Forderung aus der bezeichneten Wertpapierleihe abgetreten. Vertragspartner derselben sowie von Darlehens- und Abtretungsvertrag war nicht Dr. E***** persönlich, sondern eine von ihm mit seinem Geschäftspartner ***** K***** gegründete Gesellschaft, welche auch das Recyclingprojekt betreiben sollte.
[6] Dr. E***** verwendete die Darlehenssumme unter anderem zum Ankauf einer Liegenschaft samt Haus für seine Familie sowie zur Tilgung privater Schulden. Ein Zusammenhang der Mittelverwendung mit dem Recyclingprojekt wurde vom Erstgericht nur für einen kleinen Teil des Darlehens als gesichert angenommen.
[7] In weiterer Folge bemühte sich Dr. E***** um weitere Kredite, unter anderem in der Höhe von sieben Millionen Euro bei der erwähnten zyprischen Bank, wobei wiederum die oben bezeichnete Wertpapierleihe als Sicherheit dienen sollte. Auf diese Weise hoffte er, das von M***** aufgenommene Darlehen zurückzahlen zu können, was letztlich misslang.
[8] Das Erstgericht verneinte einen Vorsatz Dris. E***** in Bezug auf die Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie auf eine Schädigung von M*****. Dies insbesondere mit Blick darauf, dass die von Dr. E***** und dem Zeugen K***** übereinstimmend geschilderten „Refinanzierungsbe-mühungen“ zwar „abenteuerlich anmuten“, jedoch „nicht völlig abwegig“ seien. Das geliehene Wertpapier sei auch vom sachkundigen Zeugen S***** „als gut befunden“ worden. Dr. E***** habe glaubhaft dargestellt, dass er ernsthaft – auch durch Akquisition sonstiger privater Investoren – an der Umsetzung des Recyclingprojekts gearbeitet habe. Er sei zwar „mit äußerstem Risiko“, jedoch ohne den vom Betrugstatbestand geforderten Vorsatz vorgegangen (US 30).
[9] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[10] Dem von der Mängelrüge erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die (von ihm im Tatzeitpunkt nicht vorhergesehenen) „Probleme des Angeklagten mit der Refinanzierung des Projektes“ sehr wohl dargestellt (US 13 f und 21 f iVm US 28). Dass die kritisierten Erwägungen Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen (RIS‑Justiz RS0118317), vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen.
[11] Die unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Treffen geführte Aussage des Angeklagten, er hätte das von M***** gewährte Darlehen „nicht privat bedienen können“ (ON 29 S 13), stellt kein den Feststellungen entgegenstehendes, erhebliches Beweisergebnis dar (vgl aber RIS‑Justiz RS0098646), weil die Tatrichter davon ohnehin nicht ausgingen. Im Übrigen haben sie sich mit der Verantwortung des Angeklagten ausführlich auseinandergesetzt (US 16 ff und 26 ff). Zu einer Erörterung sämtlicher Aussagedetails im Urteil waren sie schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642; vgl im Übrigen US 31).
[12] Gleiches gilt für die Kritik unterbliebener Auseinandersetzung mit der Antwort des Angeklagten auf die Frage, welche Folgen die Nichterteilung der für die Recyclinganlage erforderlichen Umweltgenehmigung gehabt hätte (ON 29 S 14). Denn nach den Urteilsannahmen hoffte er, das (hier gegenständliche) Darlehen nicht erst nach Realisierung des Gesamtprojekts, sondern bereits durch weitere, davor zu beschaffende Kreditmittel zurückzahlen zu können (vgl insbesondere US 30). Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Überlegung des Angeklagten, bei Nichterteilung der Umweltgenehmigung hätte er (nicht spezifizierte) „Probleme mit dem Wertpapierverleiher“ gehabt, betrifft keinen für den anklagegegenständlichen Vorwurf relevanten Umstand. Aus weiterer Kreditaufnahme allenfalls resultierende Schädigung eines Dritten stellt im Übrigen keinen Fall (von der Beschwerdeführerin ersichtlich angesprochener) bloßer Schadensüberwälzung dar (vgl dazu RIS‑Justiz RS0132241, RS0094502; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 60; Kert , SbgK § 146 Rz 283, 300).
[13] Der Einwand, „das Beweisverfahren“ habe „nichts ergeben, was darauf schließen lässt“, dass „überhaupt eine Umweltgenehmigung in Angriff genommen worden wäre“, spricht – abgesehen von oben aufgezeigter fehlender Relevanz – schon im Ansatz keine (nominell geltend gemachte) Unvollständigkeit an, weil er das Vorkommen erörterungsbedürftiger Verfahrensergebnisse in der Hauptverhandlung gerade nicht behauptet (vgl erneut RIS‑Justiz RS0098646).
[14] Die Verwendung des Darlehens großteils für projektfremde Zwecke hat das Erstgericht ohnehin festgestellt (US 12 f), sodass Unvollständigkeit infolge Nichterörterung darauf bezogener Teile der Aussage des Angeklagten nicht vorliegt.
[15] Überlegungen zur Plausibilität der Pläne des Angeklagten betreffend die Finanzierung des Recyclingprojekts insgesamt und zu einer von ihm erhofften, damit in Zusammenhang stehenden Verlängerung der Wertpapierleihe musste das Erstgericht mangels Relevanz für die (geplante) Rückzahlung des gegenständlichen Darlehens nicht anstellen.
[16] Die (aus Z 5) nicht erfolgreich bekämpften Negativfeststellungen zum Vorsatz des Angeklagten auf Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie auf Vermögensschädigung stehen dem von der Beschwerdeführerin angestrebten Schuldspruch entgegen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das aus Z 9 lit a erstattete weitere Beschwerdevorbringen, das im Übrigen die Anforderungen an gesetzmäßige Geltendmachung eines Feststellungsmangels verfehlt (vgl RIS‑Justiz RS0118580).
[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[18] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten Nachlass nach ***** M*****:
[19] In der Hauptverhandlung wurde der Anschluss der ***** M***** Stiftung als Privatbeteiligte durch deren Vertreter zurückgezogen (ON 29 S 2). Weiters hat das Erstgericht die Privatbeteiligtenerklärung des „Nachlasses des ***** M*****“ zunächst zurückgewiesen (§ 67 Abs 4 Z 1 und Abs 5 StPO [ON 29 S 3]), in weiterer Folge die Privatbeteiligte „Verlassenschaft nach ***** M*****“ – nach erneuter Anschlusserklärung (vgl dazu Spenling , WK‑StPO Vor §§ 366–379 Rz 58) – jedoch mit Urteil auf den Zivilrechtsweg verwiesen (ON 29 S 16 und 35).
[20] Die nunmehr gegen das Urteil (offenbar gemeint [vgl ON 40 S 2]) von derselben Privatbeteiligten (am 18. März 2021) ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde war – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zurückzuweisen, weil sie nicht (rechtzeitig) angemeldet wurde (§ 285a Z 1, § 285d Abs 1 Z 1 StPO). Denn die Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (vgl § 284 Abs 1 StPO) beginnt auch für den Privatbeteiligten (sofern dessen Erklärung – wie hier – nicht rechtskräftig zurückgewiesen wurde) stets ab der Verkündung des Urteils zu laufen (vgl RIS‑Justiz RS0099963; zum Ganzen Spenling , WK‑StPO Vor §§ 366–379 Rz 57 ff).
[21] Ebenso war mit der nicht angemeldeten und zudem infolge des Freispruchs unzulässigen (§ 283 Abs 4 zweiter Satz, § 366 Abs 3 StPO) Berufung dieser Privatbeteiligten zu verfahren (§ 294 Abs 4, § 296 Abs 2 StPO).
[22] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.
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