OGH 5Ob146/21p

OGH5Ob146/21p27.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers DI K*****, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerinnen 1. T***** GmbH, *****, 2. F***** GmbH & Co KG, *****, beide vertreten durch Mag. Dr. Gerhard Podovsovnik LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 11 MRG iVm § 21 Abs 5 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Februar 2021, GZ 38 R 6/21w‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00146.21P.0727.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht trug der Zweitantragsgegnerin unter Androhung einer Ordnungsstrafe von 2.000 EUR auf, dem Antragsteller gemäß § 21 Abs 3 MRG binnen 14 Tagen die Abrechnung der Betriebskosten des Jahres 2017 zu legen und Einsicht in die Belege zu gewähren.

[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweitantragsgegnerin nicht Folge, bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 10.000 EUR nicht übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

[3] Die Zweitantragsgegnerin erhob eine Zulassungsvorstellung verbunden mit einem Revisionsrekurs. Das Rekursgericht wies diese Zulassungsvorstellung, soweit sich die Zweitantragsgegnerin damit an das Rekursgericht wende, zurück. Soweit die Zweitantragsgegnerin eine Unterbewertung durch das Rekursgericht behaupte und beantrage, den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 10.000 EUR übersteigend zu bewerten, sei ihr Rechtsmittel als außerordentlicher Revisionsrekurs zu werten.

[4] Das Erstgericht legte das Rechtsmittel der Zweitantragsgegnerin daraufhin als außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin ist jedenfalls unzulässig und zurückzuweisen.

[6] 1. Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 59 Abs 2 AußStrG hat das Rekursgericht bei seinem Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig ist, im Fall eines Entscheidungsgegenstands rein vermögensrechtlicher Natur, der nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 10.000 EUR übersteigt oder nicht. Bei diesem Ausspruch sind § 54 Abs 2, § 55 Abs 1 bis 3, § 56 Abs 3, § 57 und § 58 JN sinngemäß anzuwenden (§ 59 Abs 3 AußStrG). Eine Begründung für die Bewertung mag im Einzelfall zur Vermeidung eines Verdachts auf einen Ermessensexzess angezeigt sein, ist aber nicht zwingend vorgesehen (RS0042410 [T32]; RS0042515 [T17]).

[7] 2. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist – auch im Verfahren außer Streitsachen – unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RS0042410 [T28]; RS0042515 [T10]; RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]).

[8] 3.  Wenn eine durch die Entscheidung der zweiten Instanz beschwerte Partei in einem Rechtsmittel geltend machen will, dass eine offenkundige, den Obersten Gerichtshof nicht bindende Unterbewertung vorgenommen worden sei oder in Wahrheit keine Bewertung zu erfolgen gehabt hätte, steht ihr die Möglichkeit offen, ungeachtet der Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz ein außerordentliches Rechtsmittel zu erheben. Schließt sich der Oberste Gerichtshof dieser Beurteilung an, steht der abweichende Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels nicht entgegen (3 Ob 6/18f mwN).

[9] 4.  Hier liegt keine der vom Obersten Gerichtshof anerkannten Ausnahmen von dessen Bindung an den Bewertungsausspruch des Rekursgerichts vor.

[10] Zwingende Bewertungsvorschriften im Sinn dieser Rechtsprechung sind die in § 59 Abs 2 AußStrG genannten Normen, die starre Berechnungsmethoden vorgeben (vgl RS0010760; RS0042515 [T5]). Das Rekursgericht wies daher zutreffend darauf hin, dass die Bestimmung des § 10 Z 3 RATG nur die Bemessungsgrundlage für die Rechtsanwaltskosten regelt (vgl RS0042434) und einer davon abweichenden Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch die zweite Instanz nicht entgegensteht (1 Ob 168/13g).

[11] Ist die Bewertung – wie hier – nicht zwingend vorgegeben, kann das Gericht zweiter Instanz den Wert des Entscheidungsgegenstands zwar nicht willkürlich festsetzen, es steht ihm aber ein Ermessensspielraum offen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, die Bewertung hat sich am objektiven Wert der Streitsache zu orientieren (RS0118748 [T1]). Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands – bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache – weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbeurteilung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (RS0118748).

[12] Die Zweitantragsgegnerin zeigt eine solche offenkundige Fehlbeurteilung und damit eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Rekursgericht nicht auf. Die Zweitantragsgegnerin macht geltend, dass ihr „Schaden“ in der Präjudizwirkung dieses Verfahrens für sämtliche Mieter des ca 10.000 m² umfassenden Gebäudes liege. Dieses Vorbringen zu ihrem „Abrechnungsvolumen“ hat sie in erster Instanz – der Antragsteller bewertete den Streitgegenstand mit 1.500 EUR – nicht erstattet. Mit dieser auf die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 10 Z 3 RATG bezogenen Argumentation übersieht die Zweitantragsgegnerin außerdem, dass das Verfahren auf Legung einer Betriebskostenabrechnung nach § 37 Abs 1 Z 11 MRG iVm § 21 Abs 5 MRG kein Mehrparteienverfahren ist und die beantragte Entscheidung daher über die formellen Parteien hinaus keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet (vgl Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 138 mwN).

[13] 5.  Der Oberste Gerichtshof ist daher an die Bewertung des Rekursgerichts gebunden. Der Entscheidungsgegenstand übersteigt demnach 10.000 EUR nicht und das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt. Ohne Abänderung dieses Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher jedenfalls unzulässig.

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