European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120983
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der im führenden Verfahren Beklagten das Urteil des Erstgerichts insoweit, als das Zahlungsbegehren der Beklagten (= als Klägerin der beiden verbundenen Verfahren) abgewiesen und festgestellt wurde, dass den beiden Klägerinnen jeweils auf Lebenszeit und unentgeltlich das obligatorische Wohnungsgebrauchsrecht an je einer näher umschriebenen Wohnung zukommt und dass die Beklagte auf Dauer dieses Wohnungsgebrauchsrechts die auf diese Wohnungen entfallenden Bewirtschaftungskosten ohne Anspruch auf Rückersatz zu tragen hat. Hingegen wies es in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils das Begehren die Beklagte zur Zahlung von je 188,33 EUR sA an die beiden Klägerinnen zu verpflichten, und das Mehrbegehren auf Feststellung, die Beklagte habe für die Dauer des Wohnungsgebrauchsrechts der Klägerinnen auch die Kosten für Strom- und Gasbezug für deren Wohnungen ohne Anspruch auf Rückersatz zu tragen, ab.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands betreffend jede Klägerin insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Die Klägerinnen brachten daraufhin einen Abänderungsantrag nach § 508 ZPO samt ordentlicher Revision ein. Auch die Beklagte stellte einen Abänderungsantrag nach § 508 ZPO und erhob gleichzeitig eine „außerordentliche bzw ordentliche“ Revision. Darin behauptete sie einerseits das Vorliegen mehrerer im Detail bezeichneter erheblicher Rechtsfragen. Andererseits machte sie geltend, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zweifellos 30.000 EUR, weil der Wert zweier unentgeltlicher Wohnrechte auf Lebenszeit sicherlich jeweils über 100.000 EUR liege. Darüber hinaus sei § 502 Abs 5 Z 2 ZPO analog anzuwenden, weil Prozessgegenstand das Bestehen oder Nichtbestehen einer vertraglichen Zusage zur Einräumung eines Wohnungsrechts und damit letztlich das Benützungsrecht an einer Wohnung sei.
Das Berufungsgericht wies mit Beschluss vom 13. Dezember 2017, GZ 35 R 128/17h‑38, die Abänderungsanträge der Klägerinnen und der Beklagten sowie die Revisionen zurück.
Rechtliche Beurteilung
Nunmehr legt das Erstgericht die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die „außerordentliche Revision“ der Beklagten vor. Diese Aktenvorlage ist verfehlt.
1. Der vom Berufungsgericht gemäß § 500 Abs 2 ZPO vorzunehmende Bewertungsausspruch ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS‑Justiz RS0042385; RS0042410; RS0042515), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (RIS-Justiz RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]; RS0042410 [T28]; jüngst 3 Ob 114/17m).
2. Will eine durch die Entscheidung der zweiten Instanz beschwerte Partei in einem Rechtsmittel geltend machen, dass eine offenkundige, den Obersten Gerichtshof nicht bindende Unterbewertung vorgenommen worden sei bzw in Wahrheit keine Bewertung zu erfolgen gehabt hätte, steht ihr bei einem Streitwert zwischen 5.000 EUR und 30.000 EUR die Möglichkeit offen, ungeachtet der Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz ein außerordentliches Rechtsmittel (allenfalls verbunden mit einem eventualiter gestellten Antrag nach § 508 ZPO samt ordentlicher Revision) zu erheben. Schließt sich der Oberste Gerichtshof dieser Beurteilung an, steht der abweichende Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels nicht entgegen (3 Ob 22/17g mwN).
3. Das Berufungsgericht hat (auch) den Abänderungsantrag der Beklagten samt der („außerordentlichen bzw ordentlichen“) Revision zurückgewiesen. Im Fall eines richtigerweise als außerordentliche Revision zu deutenden Rechtsmittels beschränkt sich die Befugnis des Berufungsgerichts auf die Zurückweisung des Abänderungsantrags. Weist das Berufungsgericht eine (in Wahrheit) außerordentliche Revision zurück, gilt der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO nicht (RIS‑Justiz RS0122264). Unterlässt die Partei in diesem Fall die Bekämpfung des Zurückweisungsbeschlusses, erwächst die Zurückweisung (auch) der außerordentlichen Revision in Rechtskraft. In diesem Fall liegt kein Rechtsmittel mehr vor, über das der Oberste Gerichtshof entscheiden könnte (2 Ob 82/07h; 4 Ob 33/08v; 8 Ob 164/08p = RIS-Justiz RS0122264 [T2]).
4. Bisher wurde der Beschluss des Berufungsgerichts vom 13. Dezember 2017 den Parteien aber offenbar noch gar nicht zugestellt. Das Erstgericht wird dies zu veranlassen haben. Nur dann, wenn die Beklagte fristgerecht Rekurs gegen die Zurückweisung erheben sollte, wäre der Akt neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)