European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132402
Spruch:
A. Aus Anlass der außerordentlichen Revision wird das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. März 2021, GZ 13 Ra 34/20b‑19, dahin berichtigt, dass es in Spruchpunkt 1. statt „Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei [...] einen vollständigen Buchauszug über die vom Kläger übermittelten Versicherungsverträge […] zu übermitteln [...]“ lautet: „Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei [...] einen vollständigen Buchauszug über die vom Kläger vermittelten Versicherungsverträge […] zu übermitteln [...]“.
Die Durchführung der Berichtigung in der Urschrift und den Ausfertigungen obliegt dem Berufungsgericht.
B. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] A. Zum Berichtigungsbeschluss:
[2] 1. Nach § 419 Abs 1 ZPO kann das erkennende Gericht jederzeit Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten einer Entscheidung berichtigen. Eine Berichtigung kann nach § 419 Abs 3 ZPO auch in höherer Instanz angeordnet werden. Unter einer solchen „Anordnung“ ist nicht eine Weisung an das ursprünglich erkennende Gericht zu verstehen, einen Berichtigungsbeschluss zu fassen, sondern die Berichtigung durch das Gericht höherer Instanz selbst; nur der Vollzug der Berichtigung obliegt dem ursprünglich erkennenden Gericht (M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 III/2 § 419 ZPO Rz 15; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 419 Rz 9; beide mwN). Entscheidungen der Vorinstanzen können insbesondere auch aus Anlass der Zurückweisung einer Revision berichtigt werden (2 Ob 169/20x mwN).
[3] 2. Eine solche Berichtigung hat hier zu erfolgen:
[4] 2.1 Die Berichtigung ist zulässig, wenn das, was ausgesprochen wurde, offensichtlich nicht dem Willen des Gerichts zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat und sich dies aus dem ganzen Zusammenhang und insbesondere aus den Entscheidungsgründen ergibt (RIS‑Justiz RS0041418). Durch die Berichtigung soll der wahre Entscheidungswille zum Ausdruck gebracht werden (RS0041519), der schon vor der Berichtigung den materiellen Gehalt der Entscheidung bestimmt (RS0041489).
[5] 2.2 Anders als das Klagebegehren und der Spruch des Ersturteils, die jeweils die vom Kläger „vermittelten Versicherungsverträge“ zum Gegenstand haben, verpflichtete das Berufungsurteil die Beklagte zur Übermittlung eines Buchauszugs über die „vom Kläger übermittelten Versicherungsverträge“. Dabei handelt es sich evidentermaßen um einen Schreibfehler, dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Berufungsgericht nur der Berufung des Klägers, nicht aber der Beklagten Folge gegeben hat und der Kläger das Ersturteil insoweit gar nicht angefochten hat. Es gibt daher keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Berufungsgericht dem Kläger etwas anderes als beantragt zuerkennen wollte, sodass das Wort „übermittelte“ – gemessen am unzweifelhaften Entscheidungswillen – offenbar unrichtig im Sinn von § 419 ZPO ist.
[6] B. Zur außerordentlichen Revision:
[7] Der Kläger war vom 1. 10. 2012 bis zur Dienstnehmerkündigung mit 30. 9. 2019 bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, als Außendienstangestellter tätig. Seine kollektivvertragliche Einstufung erfolgte nach dem Kollektivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmen (kurz KVA). Zu seinen Aufgaben zählte die Vermittlung von Versicherungsverträgen sowie die laufende Kundenbetreuung, insbesondere Mithilfe im Schadensfall. Die Entlohnung des Klägers bestand unter anderem aus Provisionszahlungen, die von seinen eigenen Leistungen abhängig waren. Die Modalitäten dieser allfälligen Provisionszahlungen wurden in den „Provisionsvereinbarungen für hauptberuflich angestellte Mitarbeiter des Außendiensts der T*“ (kurz „Provisionsvereinbarungen“) beiderseits vertraglich vereinbart.
[8] Unter Behauptung kollektivvertraglicher Folgeprovisionsansprüche nach § 6 Abs 2 KVA begehrte der Kläger mit Stufenklage zunächst einen Buchauszug mit näher bezeichnetem Inhalt betreffend die von ihm vermittelten Versicherungsverträge, um in der Folge sein bislang unbestimmt erhobenes Zahlungsbegehren beziffern zu können.
[9] Mit Teilurteil gab das Erstgericht dem Begehren auf Übermittlung eines Buchauszugs in eingeschränktem Umfang statt.
[10] Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Abweisung des Begehrens auf Auskunft über „Stornogrund, Erhaltungsmaßnahmen, Gründe für die Beendigung“ erhobenen Berufung des Klägers Folge, der Berufung der Beklagten hingegen keine Folge.
[11] Gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
[12] 1. Der Anspruch auf Mitteilung eines Buchauszugs dient dem Zweck, dem Angestellten die Möglichkeit zu geben, sich eine Übersicht über die von ihm verdienten Provisionen zu verschaffen und die Provisionsabrechnung zu kontrollieren (RS0028157). Das Recht auf Buchauszug erfasst nur jene Geschäfte, für die überhaupt Provision gebühren kann, dann aber unabhängig davon, ob diese tatsächlich zusteht (8 ObA 57/05y; 9 ObA 95/15h). Der Sinn des Auskunftsanspruchs des provisionsberechtigten Angestellten liegt nämlich gerade darin, auch über jene Geschäfte ausreichende Informationen zu erlangen, in denen – auf tatsächlicher oder rechtlicher Ebene – Streit darüber bestehen könnte, ob sie zu jenen gehören, für die eine Provision gebührt (9 ObA 83/17x).
[13] 2.1 Bei der in der Versicherungsbranche üblichen „Folgeprovision“ handelt es sich dem Wesen nach um eine Vermittlungsprovision, die durch mehr als einmalige Erfolgsvergütung vorgenommen wird. Die Folgeprovision gebührt meist für die vom Angestellten durch selbständige Werbung vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneingangs, während eine Provision aus Verträgen, die nicht vom Angestellten vermittelt, sondern ihm zur Verwaltung und Betreuung übergeben wurden, ein Entgelt für die allgemeine Tätigkeit des Vertreters darstellt (RS0027977). In der grundlegenden Entscheidung 14 Ob 13/86 hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass durch die bloße Bezeichnung einer vereinbarten „Folgeprovision“ als „Betreuungsprovision“ die beklagte Partei die in § 6 Kollektivvertrag für Angestellte der Versicherungsunternehmungen – Außendienst für den Fall einer vereinbarten Folgeprovision vorgesehenen Rechte eines Angestellten nicht schmälern kann. Sollte das dem Kläger unter der Bezeichnung „Betreuungsprovision“ gewährte Entgelt mit einem ins Gewicht fallenden Anteil eine Teilvergütung für die frühere Vermittlung von Versicherungsverträgen darstellen, wäre die dem Kläger gewährte „Betreuungsprovision“ in Wahrheit eine Folgeprovision im Sinne des Kollektivvertrags.
[14] 2.2 Soweit erkennbar meint die Beklagte, dem Kläger stehe nur eine Betreuungsprovision und damit keine Folgeprovision zu.
[15] Nach den festgestellten „Provisionsvereinbarungen“ gilt die „Betreuungsprovision“ allerdings „als Vergütung für die Akquisition von Versicherungsverträgen für zustandegekommene Versicherungsverhältnisse sowie die laufende Betreuung des Versicherungsvertrags und alle sonstigen damit im Zusammenhang stehenden Leistungen“ (Punkt „I. Begriffsbestimmungen“). Damit ist klargestellt, dass die zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte „Betreuungsprovision“ auch ein Erfolgsentgelt für die Vermittlung bereits abgeschlossener Verträge beinhaltet. Es handelt sich somit um eine Folgeprovision im Sinn des § 6 KVA. Dies steht im Übrigen damit im Einklang, dass die Beklagte dem Kläger unstrittig auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses noch Provisionen ausbezahlt hat.
[16] 2.3 Alle Einwendungen in der außerordentlichen Revision, die darauf abzielen, dass dem Kläger keine Folgeprovision zustünde, gehen daher ins Leere.
[17] 3.1 Des Weiteren beruft sich die Beklagte darauf, dass nach den „Provisionsvereinbarungen“ jegliche Disposition über Abschluss, Auflösung oder Gestaltung der Versicherungsverträge ohne Auswirkung auf Provisionsansprüche des Klägers nur ihr zukommen sollte. Einziges für das Zustehen der Provision maßgebliches Kriterium sei daher der Prämieneingang, allein dieser sei damit relevant und zu beauskunften. Hingegen seien insbesondere Zahlungsweise, Konvertierung und Storno bedeutungslos.
[18] 3.2 Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es dem von der Beklagten ins Treffen geführten Passus in den „Provisionsvereinbarungen“ („Es liegt ausschließlich im Ermessen der [Beklagten], ohne Angabe von Gründen Versicherungsanträge anzunehmen oder abzulehnen, auf offene Prämien ganz oder teilweise zu verzichten oder Versicherungsverträge vorzeitig aufzulösen. In diesen Fällen entstehen keinerlei Provisionsansprüche …“) an der konkreten, ausreichend bestimmten Umschreibung jener Gründe, die die Beklagte zur Ablehnung, zum Verzicht oder zur vorzeitigen Auflösung berechtigen. Dies widerspreche dem in § 11 Abs 3 AngG statuierten Vereitelungsschutz. Unabhängig davon, ob man dieser Bestimmung eine relativ zwingende Wirkung zugunsten des Arbeitnehmers zuerkenne, halte die Ausschlussvereinbarung einer Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 879 ABGB nicht stand. Die Gültigkeit des Provisionsausschlusses verlange im jeweiligen Einzelfall jedenfalls eine sachliche Rechtfertigung für die Ablehnung der Geschäftsausführung bzw die Auflösung des Geschäfts durch den Arbeitgeber.
[19] 3.3 Dem hält die Revisionswerberin letztlich nichts Stichhältiges entgegen, wenn sie von einer Abdingbarkeit des § 11 Abs 3 AngG ausgehend bloß pauschal die Sittenwidrigkeit bestreitet. Die Beklagte geht nicht weiter darauf ein, dass ihr der Wortlaut der Vertragsklausel eine völlig willkürliche Vereitelung des Anspruchserwerbs gestattet. Das wird aber auch von jenen Lehrmeinungen für unzulässig erachtet, die § 11 Abs 3 AngG mit der Entscheidung 9 ObA 2/97b als dispositiv beurteilen (Mair in Reissner, AngG³ § 11 Rz 11; Gerlach in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 11 Rz 36 ff; aA Jabornegg in Löschnigg 10 AngG § 11 Rz 11 f und 69 f). Es ist daher keineswegs zu beanstanden, dass das Berufungsgericht (auch) die Auskunft über Stornierungen und sonstige Beendigungen bzw Vertragskonvertierungen als potentiell provisionsrelevant beurteilt hat.
[20] 3.4. Mit der Auffassung der Vorinstanzen, dass der Kläger Informationen zur Zahlungsweise der Prämie benötigt, weil die Fälligkeit der Provisionsansprüche davon abhängt, setzt sich die Beklagte ebenfalls nicht auseinander.
[21] 4. Die Schlussfolgerung der Beklagten, alle für einen Buchauszug erforderlichen Angaben bereits gemacht zu haben, trifft daher nicht zu. Mit dem Ansinnen, man müsse einen Teilbuchauszug als Teilerfüllung genügen lassen, weil auch eine Teilabweisung zulässig sei, übergeht die Beklagte die Beurteilung des Erstgerichts, dass die bisher von ihr übermittelten Urkunden eben nicht als (Teil‑)Erfüllung gewertet werden können.
[22] 5. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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