OGH 9ObA49/21b

OGH9ObA49/21b24.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Frick (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** R*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Dr. Michael Rück, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei ***** AG, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 8.336,94 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. März 2021, GZ 13 Ra 35/20z‑39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00049.21B.0624.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger übt bei der Beklagten seit 2011 die Funktion einer „Leitenden Sicherheitsfachkraft“ aus, wie sie der Funktionsbeschreibung vom 2. 10. 2013 entspricht.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem auf die Zahlung von Gehaltsdifferenzen gerichteten Begehren des Klägers statt. Sie folgten seinem Standpunkt, dass seine bestehende Einordnung unter die Verwendungsbezeichnung „Sachbearbeiter 3“ gemäß ON 706 der Anlage 1 der AVB der Beklagten unzutreffend und er unter die Verwendungsbezeichnung „Leiter 5 eines Stabes“ gemäß Anlage 1 der AVB einzuordnen sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4] Nach ständiger Rechtsprechung sind jene Bediensteten der *****, deren Verträge den AVB unterliegen, unabhängig von der Ernennung auf eine entsprechende Planstelle nach ihrer konkreten Tätigkeit zu entlohnen. Demnach kommt es für die Einstufung der Bediensteten auf die tatsächliche Verwendung an (RS0116314; s auch RS0082007). Die AVB dienen als Vertragsschablone (RS0054759 [T2]).

[5] Die Höhe des Gehalts für in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis (RS0052676) stehende Bedienstete der Beklagten richtet sich gemäß § 24 AVB (Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den *****) nach der Gehaltsgruppe und der Gehaltsstufe. Die Gehaltsgruppe ergibt sich aus der Verwendung. Die Zuordnung der einzelnen Verwendungen zu den Gehaltsgruppen bestimmt die Anlage 1 der AVB (Gehaltsgruppenzuordnung).

[6] Die Anlage 1 der AVB enthält allgemeine Verwendungsbezeichnungen der Arbeitnehmer, die nicht näher definiert werden. Da diese sehr allgemein gehaltenen Verwendungsbezeichnungen (beispielsweise „Sachbearbeiter“) in unterschiedlichen Klassifizierungen („Sachbearbeiter 1–5“) mit verschiedenen zugeordneten Gehaltsgruppen vorkommen, diesen Klassifizierungen aber keine Wertigkeiten, keine bestimmten Tätigkeitsmerkmale und auch keine bestimmten Anforderungsprofile beigemessen wurden, bieten diese Verwendungsbezeichnungen oft keine verlässliche Grundlage für die begehrte Gehaltsgruppenzuordnung (vgl 8 ObA 77/11y [Personenkassiere]; 9 ObA 135/11k [CCC‑Agenten]; 9 ObA 122/11y [Reisebüromitarbeiter]; 9 ObA 25/12k [Lehrlingsausbildner]; 8 ObA 43/16f [Zugbegleiter]), wenn auch eine Auslegung der AVB nach § 914 ABGB keine Zuordnung der Tätigkeit des Bediensteten zu einer in Anlage 1 der AVB erwähnten Verwendungsbezeichnung zulässt (9 ObA 58/18x).

[7] Der zuletzt genannten Entscheidung, von der sich die Beklagte abgrenzen möchte, lag ein Fall zugrunde, in dem eine Auslegung der bezughabenden Verwendungsbezeichnung der AVB möglich war („Teamleiter 4“) und aufgrund des Inhalts der Ausschreibung und einer vorgenommenen Funktionsbeschreibung („Serviceteamleiter Vertrieb“) eine Zuordnung der von jenem Kläger auch ausgeübten Tätigkeit zur genannten Verwendungsbezeichnung erfolgen konnte.

[8] Im vorliegenden Fall existierte in Anlage I der AVB eine Verwendungsbezeichnung „Leiter 5 eines Stabes“. Die Bedeutung einer Stabsstelle wurde vom Berufungsgericht nach allgemeinem Verständnis als „Organisationseinheit in Unternehmungen, die eine Leitungsstelle oder Instanz bei der Entscheidungsvorbereitung und/oder Entscheidungsdurchsetzung unterstützt“ ausgelegt. Je nach Bedeutung der Stabsaufgabe könne die Stabsstelle oder Stabsabteilung der Unternehmensleitung oder einer mittleren Leitungsstelle unterstellt werden. Im Allgemeinen habe die Stabsstelle kein Weisungsrecht, es könne ihr aber für Einzelfälle übertragen werden. Das Vorbringen der Beklagten, dass der Kläger als „leitende Sicherheitsfachkraft“ bloß organisatorisch als „Stabsstelle“ eingeordnet/angesiedelt worden sei, widerlegt dieses Verständnis nicht. Im Besonderen ist ihm auch nicht zu entnehmen, dass dem in der Anlage I nicht näher definierten Begriff „Leiter eines Stabes“ nach den AVB eine andere (welche?) Bedeutung zukommen sollte, geht doch daraus nur hervor, dass es auch die höheren Klassifizierungen „Leiter 1“ bis „Leiter 4“ eines Stabes gibt (zu denen der Kläger keine Zuordnung anstrebt). Die Verwendungsbezeichnung „Leitende Sicherheitsfachkraft“ ist in der Anlage 1 der AVB dagegen nicht enthalten. Nicht anders als in der Entscheidung 9 ObA 58/18x konnte damit auch im vorliegenden Fall im Wege der Auslegung der Inhalt einer Verwendungsbezeichnung der AVB („Leiter eines Stabes“) ermittelt werden.

[9] Wenn das Berufungsgericht die konkrete Funktion und Verwendung des Klägers an diesem Verständnis des „Leiters eines Stabes“ gemessen und darunter subsumiert hat, so ist auch diese – stets von den Umständen des Einzelfalls abhängige – Beurteilung hier nicht weiter korrekturbedürftig. Eine von der Entscheidung 9 ObA 58/18x abweichende Subsumtion liegt nicht vor.

[10] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

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