European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00057.21Y.0615.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Salzburg verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sabrina G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie im Zeitraum September bis November 2019 in S***** zur vorschriftswidrigen Überlassung von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich ca 15 kg Marihuana (enthaltend THCA mit einem Reinheitsgrad von ca 15 %) durch Michelle P*****, Sami C***** und andere Personen beigetragen, indem sie diesen ihre Wohnung zur Zwischenlagerung von Suchtgift und durch den Suchtgifthandel erworbenem Bargeld zur Verfügung stellte sowie das in ihrer Wohnung deponierte Suchtgift zum Teil verkaufsfertig verpackte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
[4] Zutreffend reklamiert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), dass die in subjektiver Hinsicht getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagten „klar“ war, „dass sie vorschriftswidrig zur Überlassung von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge weit übersteigenden Menge“ … „beigetragen hat“ und „über den Reinheitsgrad“ „Bescheid wusste“ (US 4 und 8), offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) geblieben sind:
[5] Der Schöffensenat stützte die Feststellungen zum Reinheitsgehalt des tatverfangenen Marihuanas von 15 % THCA auf die im abgesondert geführten Verfahren AZ 61 Hv 31/20t des Landesgerichts Salzburg (gegen Michelle P***** und Sami C*****) erzielten Untersuchungsergebnisse (US 8 iVm ON 11 S 12) und gründete die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite global auf die „Verantwortung der Angeklagten am 09. 05. 20“, das objektive Tatgeschehen und die allgemeine Lebenserfahrung (US 4 f, 8).
[6] Zwar ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen und Wollen aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit grundsätzlich nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671).
[7] Vorliegend lässt das Urteil jedoch vollkommen offen, aus welchem Grund das von der Angeklagten anlässlich einer Vernehmung im Ermittlungsverfahren am 9. Mai 2020 zugestandene objektive Verhalten, „fünfmal Sporttaschen mit mehreren Kilogramm Marihuana übernommen und zu Hause versteckt“ und „einmal“ eine Tasche geöffnet und einen Teil des darin befindlichen Marihuanas in kleinere Einheiten portioniert zu haben (ON 8 S 31 ff [35]), oder die „allgemeine Lebenserfahrung“ einen Nachweis für einen (zumindest bedingten) Vorsatz der Angeklagten (auch) dahin bieten sollten, dass dieses Suchtgift eine Reinsubstanz von 15 % THCA aufwies und sie demnach Beitragshandlungen in Bezug auf eine Reinsubstanzmenge setzte, die die Grenzmenge des § 28b SMG überhaupt bzw insgesamt um mehr als das Fünfundzwanzigfache überstieg.
[8] Dieses Begründungsdefizit erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Schuldspruchs bereits nach nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO).
[9] Muss – wie hier – nicht nur die rechtliche Unterstellung unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG sondern auch der Schuldspruch nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG aufgehoben werden, bleiben auch jene Annahmen, die einen Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG stützen würden, nicht bestehen (RIS‑Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).
[10] Die Aufhebung des Schuldspruchs zog die Aufhebung des Strafausspruchs und des – entgegen § 443 Abs 1 StPO in Beschlussform ergangenen (US 2) – Einziehungserkenntnisses nach sich.
[11] Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich.
[12] Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
[13] Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass für sich allein die Grenzmenge nicht überschreitende Suchtgiftquanten mehrerer einzelner Beitragshandlungen (vgl US 3: eine „erste“ und „vier“ weitere „Lieferungen“) nur dann zu addieren sind, wenn der (zumindest bedingte) Vorsatz von vornherein auch den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mit umfasst (RIS‑Justiz RS0112225; vgl auch RS0133289).
[14] Bleibt zudem anzumerken, dass § 34 SMG– soweit hier relevant – bei Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG) anzuwenden ist (vgl jedoch US 2, 11), wohingegen Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB voraussetzt, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS‑Justiz RS0121298). Davon kann bei grundsätzlich unbedenklichen Gegenständen (vgl US 2 f iVm ON 9) ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (RIS‑Justiz RS0121298 [T4, T6], RS0088184). An nicht per se deliktstauglichen Gegenständen haftende Suchtgiftspuren (hier: Cannabisanhaftungen) können in der Regel ohne weiteres entfernt werden (§ 26 Abs 2 erster Satz StGB; RIS‑Justiz RS0088184 [T5]).
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