European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00238.20S.0614.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft und deren Verwalterin.
[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung des von der Eigentümergemeinschaft – unter Ausschluss des Antragstellers – gefassten Umlaufbeschlusses, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit der Einbringung einer Klage gegen den Antragsteller auf Zahlung von 37.702,33 EUR samt Anhang zu beauftragen.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers, diesen Beschluss der Eigentümergemeinschaft aufzuheben, in eventu dessen Rechtsunwirksamkeit festzustellen, ab.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; dieser ist daher unzulässig und zurückzuweisen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[6] 1. Gegenstand des Revisionsrekursesist (nur mehr) der behauptete formelle Mangel der Verletzung des Anhörungsrechts der Mit- und Wohnungseigentümer.
[7] 2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist allen Mit- und Wohnungseigentümern – auch jenen mit einer voraussichtlich chancenlosen Gegenposition – Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies muss die Möglichkeit einer Werbung für den eigenen Standpunkt ebenso einschließen wie jene der eigenen Stimmabgabe. Einzelnen Wohnungseigentümern soll nicht der Eindruck vermittelt werden, sie könnten die Beschlussfassung ohnehin nicht mehr verhindern und der Versuch einer argumentativen Gegenwehr lohne sich gar nicht (5 Ob 141/12i mwN; RIS‑Justiz RS0108769 [T7, T10, T15]). Dieses Anhörungsrecht ist auch dem nach § 24 Abs 3 WEG vom Stimmrecht Ausgeschlossenen zu gewähren (5 Ob 75/10f; RS0118846 [T2, T3]).
[8] Ob eine den Wohnungseigentümern übermittelte Verständigung zur Fassung eines Umlaufbeschlusses zumindest einzelnen von ihnen den Eindruck vermittelt, sie könnten die Beschlussfassung ohnehin nicht mehr verhindern, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Diese Beurteilung wirft daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf, wenn dem Rekursgericht eine auffallende Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste.
[9] Eine solche Fehlbeurteilung zeigt der Antragsteller hier nicht auf. Maßgeblich für das Verständnis ist der objektive Erklärungswert der Urkunden; es kommt also darauf an, wie die Erklärung objektiv zu verstehen war, und nicht darauf, was der Erklärende subjektiv sagen wollte oder ein Wohnungseigentümer subjektiv verstanden hat. Die Behauptung des Antragstellers, mit der Verständigung vom Umlaufbeschlussverfahren sei er vor vollendete Tatsachen gestellt worden, sodass der Eindruck erweckt worden sei, eine argumentative Gegenwehr lohne sich gar nicht mehr, ist bei der gebotenen objektiven Beurteilung des festgestellten Urkundeninhalts nicht nachvollziehbar.
[10] 3. Ausreichend ist eine Gelegenheit zur Äußerung nur, wenn der Wohnungseigentümer jene Informationen bekommt, die ihm eine sinnvolle Meinungsbildung ermöglichen. Ein wirksamer Umlaufbeschluss setzt daherAngaben über den wesentlichen Inhalt einer geplanten Maßnahme voraus (5 Ob 2/13z; 3 Ob 144/08k). Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, die Entscheidungsgrundlagen aufzubereiten und die Argumente, die für und gegen die Maßnahme sprechen, darzustellen und zu diskutieren, trifft den Initiator eines Umlaufbeschlusses nicht.
[11] Ob über die zur Beschlussfassung anstehende Maßnahme ausreichend informiert wurde, hängt ebenso von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl 5 Ob 207/19f; 5 Ob 113/08s; RS0124152; RS0112201). Auch diese Frage begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Dem Rekursgericht ist keine Fehlbeurteilung unterlaufen, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufgreifen müsste. Dessen Beurteilung, der Entwurf der Mahnklage, der den Wohnungseigentümern mit der Verständigung übermittelt wurde, habe alle wesentlichen Informationenüber den geltend zu machenden Anspruch enthalten, ist nicht zu beanstanden.
[12] 4. Bei einer Beschlussfassung in Form des Umlaufbeschlusses muss dem einzelnen Wohnungseigentümer auch ausreichend Zeit für die Informationssammlung und Meinungsbildung bleiben. Diesem ist daher eine angemessene Frist zur Äußerung zu geben (RS0123022). Eine zwingende und starre Orientierung an der Mindestfrist des § 25 Abs 2 von zwei Wochen für die Eigentümerversammlung lehnt die Rechtsprechung für den Umlaufbeschluss ab. Es hängt daher von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, ob durch Einräumung einer bestimmten Frist für die Stimmabgabe ausreichend Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde. Maßgeblich für die erforderliche Frist sind vor allem der Gegenstand der Abstimmung und dessen Komplexität; je schwieriger die Zusammenhänge zu erfassen und je umfangreicher die Beurteilungsgrundlagen sind, umso mehr Zeit wird den Wohnungseigentümern einzuräumen sein (5 Ob 191/13v; 5 Ob 113/08s; RS0124152).
[13] Das Rekursgericht beurteilte die hier eingeräumte vierwöchige Äußerungsfrist angesichts der nicht sonderlich komplizierten Sach- und Rechtslage als ausreichend. Dies ist jedenfalls nicht im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren.
[14] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs wirft auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; insbesondere liegt die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Auf das subjektive Verständnis des Antragstellers kommt es für die Beurteilung der angesprochenen Fragen nicht an. Daher fehlt es den dem Rekursgericht im Zusammenhang damit vorgeworfenen Verfahrensverstößen schon an der Entscheidungsrelevanz.
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