OGH 9ObA54/21p

OGH9ObA54/21p27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O*, vertreten durch Dr. Guido Bach, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. März 2021, GZ 8 Ra 96/20a‑29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132073

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte verlangt von allen bei ihr beschäftigten Piloten aufgrund einer mit dem Betriebsrat des Bordpersonals abgeschlossenen Betriebsvereinbarung die Erfüllung bestimmter flugbetrieblicher Qualitätsmerkmale. Dabei handelt es sich um in ihr Flughandbuch implementierte, der Luftfahrtbehörde vorgelegte Mindeststandards (FOQAM‑Modul), die über das Anforderungsprofil der behördlich vorgeschriebenen, regelmäßigen Überprüfungen hinausgehen. Nach den Feststellungen war der seit 1999 bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin als Pilot beschäftigte Kläger seit Dienstbeginn bis zum Kündigungsausspruch zwar „behördlich flugfähig“, erfüllte aber diese erhöhten Anforderungen bereits seit April 2017 nicht mehr. Da auch die in der Folge von der Beklagten dem Kläger zur Wiedereingliederung in den Flugbetrieb aufgetragenen und vom Kläger absolvierten Fördermaßnahmen seine Leistungsfähigkeit im kognitiven und psychomotorischen Bereich nicht so weit verbesserten, dass die Beklagte den Kläger wieder als Flugzeugführer einsetzen konnte und dies auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war, sprach sie am 22. 5. 2019 die Kündigung des Klägers aus.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die vom Kläger wegen Sozialwidrigkeit erhobene Kündigungsanfechtungsklage übereinstimmend ab. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Steht – wie hier – fest, dass durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind und andererseits in der Person des Arbeitnehmers gelegene Umstände betriebliche Interessen nachteilig berühren, dann sind diese Voraussetzungen zueinander in eine Wechselbeziehung zu setzen (RS0051818). Diese Interessenabwägung kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls erfolgen und stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0051818 [T8]).

[5] 2. Dass der Kläger stets „behördlich flugfähig“ war, gibt nach Auffassung des Berufungsgerichts hier nicht den Ausschlag. Dessen Beurteilung, es sei der Beklagten in einem sensiblen Bereich wie der Luftfahrt im Rahmen ihres unternehmerischen Gestaltungsrechts erlaubt, höhere Sicherheitsstandards als behördlich vorgeschrieben einzuführen und alle davon umfassten Dienstnehmer diesen erhöhten einheitlichen Qualitätsstandards zu unterwerfen, ist nicht zu beanstanden. Überzeugende Aspekte, von dieser Beurteilung abzugehen, zeigt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht auf.

[6] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechungist auch im Rahmen der personenbezogenen Kündigungsgründe bei der Kündigung älterer und langjährig beschäftigter Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die soziale Gestaltungspflicht zu beachten. Diese verpflichtet den Arbeitgeber zum Anbot freier Arbeitsplätze, die der bisherigen Berufspraxis des Arbeitnehmers entsprechen (9 ObA 137/17p Pkt 3. mwN). Die Beurteilung der Frage, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist, stellt wegen ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0051942 [T4]). Dies ist auch hier der Fall.

[7] 3.2. Da der Kläger nach den bindenden Feststellungen trotz Fördermaßnahmen und Nachschulungen über einen Zeitraum von rund zwei Jahren aufgrund seiner deutlich und stabil ausgeprägten kognitiven und psychomotorischen Leistungsdefizite nicht mehr in den Flugbetrieb der Beklagten integriert werden konnte, musste die Beklagte dem bereits seit 2006 als Flugkapitän eingesetzten Kläger auch keine Tätigkeit als Co-Pilot anbieten.Für eine Beschäftigung als Bodenpersonal hat sich der Kläger nie beworben (vgl RS0051923). Im Übrigen wollte der Kläger bei der Beklagten weder als Co‑Pilot noch in einer anderen Funktion als jener des Flugkapitäns tätig sein.

[8] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte