OGH 3Nc8/21p

OGH3Nc8/21p20.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Verfahrenshilfesache des Antragstellers M*****, wegen Ablehnung und Delegierung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030NC00008.21P.0520.000

 

Spruch:

Der Ablehnungsantrag wird, soweit er „alle Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck“ betrifft, zurückgewiesen.

Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.

Zur Entscheidung über die Ablehnung aller Richter der Landesgerichte im Sprengel des Oberlandesgerichts Innsbruck wird die Sache dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Innsbruck überwiesen.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller beantragt (I.) die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Zusammenhang mit einem Exekutionsverfahren, lehnt in Punkt II. seines Antrags sämtliche Richter des Sprengels des Oberlandesgerichts Innsbruck als befangen ab und beantragt die „Überweisung in den sachlich und örtlich offenbar nicht unzuständigen“ Sprengel des Oberlandesgerichts Graz, und er erhebt (III.) einen Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. März 2021 in einer Exekutionssache.

[2] Das Bezirksgericht Innsbruck (Exekutionsgericht) legte dem Obersten Gerichtshof den Befangenheitsantrag (samt einer Stellungnahme eines im Antrag ebenfalls genannten Richters des Bezirksgerichts Innsbruck) zur Entscheidung vor.

[3] Der Antragsteller führt als Begründung seines Befangenheitsantrags (zu II.) zusammengefasst aus, er habe gegen drei namentlich genannte Richter des Oberlandesgerichts eine Strafanzeige eingebracht und nach der Verfahrenseinstellung sei dazu seit September 2020 ein Verfahren vor dem EGMR „gegen das Oberlandesgericht Innsbruck“ anhängig. Nun habe das (Bezirksgericht Innsbruck als) Exekutionsgericht das gesamte Guthaben des Antragstellers bei einer näher bezeichneten Bank gepfändet und seine Anträge auf Einstellung und Aufhebung der Exekution abgewiesen. Der Antragsteller gehe davon aus, dass „das OLG Innsbruck“ versuchen werde, monatlich „in die Notstandshilfe“ zu vollstrecken, wodurch „sämtliche Schuldnerschutzbestimmungen ad absurdum geführt“ würden. Seit vielen Jahren sei der Antragsteller „einem tiefen Mobbing durch das OLG Innsbruck ausgesetzt“, weil die Staatsanwaltschaft „zahlreiche Strafverfahren“ gegen ihn eingeleitet habe; aufgrund dieser „willkürlichen Ermittlungen“ habe der Antragsteller schon 2016 die Befürchtung gehabt, dass das Oberlandesgericht Innsbruck bzw die Rechtsanwaltskammer Tirol alles versuchen werde, ihn „mundtot zu machen“. Weitere Vorwürfe des Antragstellers gegen das Oberlandesgericht Innsbruck betreffen Vorfälle und Vorgangsweisen im Zusammenhang mit seiner Zeit als Rechtspraktikant. Die Rechtsanwaltskammer Tirol habe schließlich über den Antragsteller nach einer strafgerichtlichen Verurteilung ein unbefristetes Berufsverbot verhängt. Eine undifferenzierte Pauschalablehnung eines Gerichtshofs liege nach der Rechtsprechung nicht vor, wenn dem Antrag zu entnehmen sei, dass bei jedem einzelnen Richter im Wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorlägen, woran nach den erwähnten Strafanzeigen kein Zweifel bestehen könne.

[4] Es sind der Ablehnungsantrag (im bezeichneten Umfang) und der Delegierungsantrag nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1.1 Wird ein Gerichtshof durch eine Ablehnung beschlussunfähig, so entscheidet über diese Ablehnung nach § 23 JN der zunächst übergeordnete Gerichtshof.

[6] 1.2 Hier lehnte der Antragsteller sämtliche Richter des Sprengels des Oberlandesgerichts Innsbruck ab. Zur Entscheidung über die Ablehnung ist daher insoweit der Oberste Gerichtshof berufen (RS0109137 [T2]). Das Oberlandesgericht Innsbruck ist allerdings im Ausgangsverfahren nur zur Entscheidung im Verfahren über eine Ablehnung sämtlicher Richter eines Landesgerichts in seinem Sprengel berufen. Daher hat das Oberlandesgericht Innsbruck seinerseits im Fall seiner Beschlussfähigkeit über die Ablehnung aller Richter seiner Landesgerichte zu entscheiden (vgl RS0109137 [T4]; 4 Nc 27/14d).

[7] 2.1 Eine Ablehnung kann nur aus persönlichen Gründen gegen die bestimmte Person eines Richters erfolgen; die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist daher unzulässig (RS0046005; RS0045983). Die unsubstantiierte pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig (RS0046005 [T10]). Die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (RS0046005 [T22]).

[8] 2.2 Der Antragsteller nennt (abgesehen von seiner Wiedergabe von Ereignissen aus seiner Rechtspraktikantenzeit sowie seines Verfahrens mit der Rechtsanwaltskammer) nur insgesamt vier Richter im Sprengel des Oberlandesgerichts namentlich und vermag in seinem Antrag keinen konkreten Grund anzuführen, aus dem sich auf eine Befangenheit dieser von ihm genannten Personen schließen lassen würde.

[9] Da die Ablehnungserklärung nicht ausreichend substantiiert ist, bedarf es keiner Äußerung der abgelehnten Richter (RS0045983 [T14]).

[10] Die pauschale Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck ist daher zurückzuweisen. Damit ist das Oberlandesgericht Innsbruck nun in der Lage, über die (ebenfalls pauschale) Ablehnung aller Richter der Landesgerichte in seinem Sprengel zu entscheiden (vgl 1 Nc 3/19k).

[11] 3. Der Antrag, das Verfahren (vermutlich gemeint, das gegen den Antragsteller geführte Exekutionsverfahren) in den Sprengel des Oberlandesgerichts Graz zu delegieren, versteht sich offenbar als Folgerung der angeblichen Befangenheit sämtlicher Richter im Sprengel des Oberlandesgerichts Innsbruck. Ein Delegierungsantrag kann aber nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden (RS0073042; RS0114309 [T1]).

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