OGH 10ObS39/21i

OGH10ObS39/21i27.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Mag. Daniel Wolff, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 4. Februar 2021, GZ 23 Rs 35/20y‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00039.21I.0427.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten gemäß § 247 Abs 2 ASVG im Zeitraum von 1. 12. 2003 bis 28. 2. 2019. Im Revisionsverfahren stützt sich der Kläger dafür nur mehr auf § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV (berufsbedingte Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs‑ oder Pflegebedarf).

[2] In diesem Zeitraum hat der Kläger, ein ausgebildeter Operationsgehilfe und Gipsassistent, als Gipsassistent auf der Unfallambulanz eines Krankenhauses gearbeitet. Bis zum 30. 6. 2016 war er vollzeitbeschäftigt (40 Wochenstunden), ab dem 1. 7. 2016 im Ausmaß von 32 Wochenstunden.

[3] Der Kläger hatte drei verschiedene Dienste zu verrichten:

- den Tagdienst (von 8:00 Uhr bis 16:30 Uhr, darin enthalten eine halbe Stunde Mittagspause),

- den Spätdienst (8:00 Uhr bis 19:00 Uhr, darin enthalten eine halbe Stunde Pause) und

- den Nachtdienst (19:00 Uhr bis 8:00 Uhr).

[4] Als Gipsassistent legt der Kläger ruhigstellende und sterile Wundverbände an, insbesondere Gips‑, Kunstharz ‑ und thermoplastische Verbände. Nach ärztlicher Anordnung und unter ärztlicher Aufsicht wendet er einfache Gipstechniken aus therapeutischen Gründen an. Die Gipsassistenz ist dem Pflegebereich des Krankenhauses zugeordnet. Im Tagdienst legt der Kläger Gipse, Verbände und Orthesen an oder wechselt diese. Er bringt dem Arzt die benötigten Instrumente. Er lagert Patienten und Verletzte um und betreut sie. Schwere Patienten werden zu zweit oder zu dritt umgelagert.

[5] Der Kläger arbeitet – allerdings nur während der Spät‑ und Nachtdienste – auch im Schockraum. Wird der Kläger in den Schockraum gerufen, so ist er dort mit den soeben eingelieferten, frisch verletzten Patienten konfrontiert. Dabei bekommt der Kläger auch schwerste, den Menschen entstellende Verletzungen zu Gesicht. Im Schockraum wird der Kläger unterstützend beim Umlagern auf den CT‑Tisch tätig. Er entkleidet Patienten, reicht den Ärzten die jeweils geforderten Materialien wie zB Tupfer, Nadeln, Spritzen etc. Er legt Verbände an oder hilft dabei. Er gipst unter Aufsicht des Arztes und hilft den Ärzten. Der Kläger besorgt Betten oder Liegen, übernimmt Wertgegenstände und dokumentiert diese. Er ist auch bei Reanimationen anwesend. Im Durchschnitt verbringt er – wenn er Nacht‑ oder Spätdienst hat – jeweils eine halbe bis zwei Stunden im Schockraum.

[6] Im hier zu beurteilenden Zeitraum hat der Kläger in keinem einzigen Monat an zumindest 15 Arbeitstagen Spät ‑ und/oder Nachtdienste verrichtet. Er hat auch in keinem der Monate sechs oder mehr Nachtdienste in der Zeit zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr verrichtet. An welchen und wie vielen Tagen sowie in welchem Zeitausmaß im Monat der Kläger Tagdienste, Spät‑ und/oder Nachtdienste tatsächlich geleistet hat steht nicht fest.

[7] Mit Bescheid vom 28. 3. 2019 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Schwerarbeitszeiten für den Zeitraum von 1. 12. 2003 bis 28. 2. 2019 ab.

[8] Das Erstgericht wies die Klage auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten für diesen Zeitraum ab.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[10] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[11] 1.1  Ein Schwerarbeitsmonat ist gemäß § 4 SchwerarbeitsV jeder Kalendermonat, in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV zumindest in jenem Ausmaß ausgeübt wurden, das einen Versicherungsmonat im Sinne des § 231 Z 1 lit a ASVG begründet. Arbeitsunterbrechungen bleiben dabei außer Betracht, solange die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung weiter besteht.

[12] 1.2  Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch für die Ermittlung als Schwerarbeitsmonat nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV grundsätzlich maßgeblich ist, ob eine Tätigkeit, die als Schwerarbeit zu qualifizieren ist, in dem Mindestmaß von 15 Tagen im Kalendermonat tatsächlich ausgeübt wurde (RIS‑Justiz RS0130802). Schon vor diesem Hintergrund zeigt der Revisionswerber mit seinem Hinweis, Arbeitstage müssten von Kalendertagen unterschieden werden, keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts im konkreten Fall auf.

[13] 1.3  Der Kläger war nur während der Spät‑ und Nachtdienste im Schockraum tätig und es steht – in Übereinstimmung mit seinem eigenen Vorbringen (ON 16) – fest, dass er nicht an zumindest 15 Arbeitstagen Spät‑ oder Nachtdienste verrichtet hat. Selbst wenn man daher mit dem Revisionswerber unterstellte, dass die Tätigkeit im Schockraum Schwerarbeit im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV wäre, sodass der Kläger an einzelnen Tagen Schwerarbeit im Sinn dieser Bestimmung verrichtet hätte (10 ObS 23/16d SSV‑NF 30/30), hätte er nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen keine Schwerarbeitsmonate erworben.

[14] 2.1  Sinn der Schwerarbeitspension ist, dass Personen mit langer Versicherungsdauer, die den Großteil der Beitragsmonate unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen erworben haben, weiterhin die Möglichkeit haben, eine vorzeitige Alterspension anzutreten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  333 zum BBG 2003, BGBl I 2003/71; 10 ObS 117/16b SSV‑NF 30/82). Wenn vor diesem Hintergrund § 4 SchwerarbeitsV eine für alle Formen der Schwerarbeit einheitliche Regelung für den Erwerb von Schwerarbeitsmonaten vorsieht, kann darin keine Unsachlichkeit erkannt werden. Das Argument des Revisionswerbers, für den Erwerb von Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV komme es nicht auf die Dauer der Arbeitszeit an, übergeht, dass der Umstand, dass dieser Tatbestand an die psychische Belastung anknüpft, nichts an dem in § 4 SchwerarbeitsV genannten Erfordernis für den Erwerb von Schwerarbeitszeiten ändert.

[15] 2.2  Zu Unrecht verweist der Revisionswerber für seinen Standpunkt auf die Entscheidungen 10 ObS 36/19w und 10 ObS 122/19t: In diesen Entscheidungen ging es nicht um den Erwerb von Schwerarbeitsmonaten im Sinne des § 4 SchwerarbeitsV – wofür es nicht auf ein „zeitliches Überwiegen“ von Schwerarbeit ankommt – sondern nur um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV ausgeübt wird.

[16] Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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