European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00004.21M.0422.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert K***** im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang vgl 12 Os 32/19a) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 2 Z 3 SMG, (zu ergänzen:) § 12 dritter Fall StGB (I./) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in G***** und an anderen Orten vorschriftswidrig
I./ zur Erzeugung von Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge beigetragen, indem er im Jahr 2017 den abgesondert Verfolgten Mathias S***** und Kevin P*****, die im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in W***** mindestens 3.150 Gramm Delta‑9‑THC‑hältiges Cannabiskraut (315 Gramm Delta‑9‑THC in Reinsubstanz) in einer Indoor-Anlage erzeugten, im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Hanfshops „L*****“ und „Lu*****“ zumindest 45 Cannabisstecklinge, fünf LED‑Paneele sowie diverses anderes Zubehör, wie es für die Aufzucht von Cannabispflanzen zum Zwecke der Suchtgiftgewinnung verwendet wird, verkaufte, wobei er die beiden Genannten hinsichtlich der Anwendung der LED‑Lampen beriet und auch instruierte, um einen möglichst hohen Ertrag bezüglich der Aufzucht der Pflanzen zu erzielen;
II./ bis zur Sicherstellung am 6. Juni 2018 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge von Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut, dass es durch gewinnbringende Verkäufe in Verkehr gesetzt werde, indem er neun Cannabispflanzen in einer Indoor‑Anlage im Keller seines Hauses anpflanzte, betreute, kultivierte und hochzog, wodurch insgesamt 357,4 Gramm brutto sowie 305,3 Gramm brutto an Cannabisblüten, netto 342,2 Gramm und 290,1 Gramm mit 10,20 +/- 0,43 bzw 10,75 +/- 0,35 % Gehalt an Delta‑9‑THC bzw 34,90 +/- 1,47 und 31,19 +/- 1,03 Gramm an Delta‑9‑THC entstanden bzw wuchsen.
[3] Dagegen richtet sich die aus Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Beschwerde ist vorauszuschicken, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet. Die in der Beschwerdeschrift wiederholt verwendete Formel, wonach Ausführungen zu einem Nichtigkeitsgrund auch zum Vorbringen eines anderen „erhoben werden“, entspricht daher nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).
[5] Soweit die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) widersprüchliche Urteilsannahmen zur Tatzeit verortet, übersieht sie, dass sie einerseits ihre Kritik aus den diesbezüglichen Feststellungen (US 5), aber andererseits aus einem bloßen Urteilsreferat des Inhalts der Aussagen der Zeugen Mathias S***** und Kevin P***** (US 10) abzuleiten versucht. Solcherart geht die Beschwerde jedoch an den Anfechtungskriterien des erwähnten Nichtigkeitsgrundes vorbei, der (soweit hier von Interesse) nur Widersprüche zwischen Urteilskonstatierungen und den in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen der Tatrichter erfasst (vgl Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 281 Rz 56; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.126). Davon abgesehen kommt der Tatzeit keine entscheidende Bedeutung zu, wenn (wie hier) die Tat sonst hinlänglich individualisiert ist (RIS‑Justiz RS0098557).
[6] Der gegen den Schuldspruch II./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich der Schöffensenat mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt, diese jedoch als unglaubwürdig verworfen (US 18). Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) bedurfte es jedoch nicht der Erörterung sämtlicher Details der Einlassung des Angeklagten.
[7] Soweit die Beschwerde Urteilserwägungen dazu vermisst, aus welchem Grund die Tatrichter den Ausführungen des Angeklagten nicht zu folgen vermochten, geht sie daran vorbei, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Angeklagten aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588 [T4]).
[8] Mit eigenständigen Erwägungen zum Beweiswert der sichergestellten Cannabismühlen und dem Fehlen sonstiger, auf späteren Verkauf hinweisender Verfahrensergebnisse bekämpft der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
[9] Die Kritik an der Begründung der Feststellung der Tatrichter, wonach beim Angeklagten zwei Cannabismühlen mit Suchtgiftanhaftungen sichergestellt worden seien, die der Angeklagte zur Verarbeitung der angebauten Erzeugnisse verwendet habe (US 7, 19), wendet sich gegen keinen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand. Bleibt anzumerken, dass der Schöffensenat die Sicherstellung dieser Suchtgiftutensilien auch nicht für seine Erwägungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen herangezogen hat (vgl US 18), sodass der Einwand auch unter dem Aspekt offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere geht.
[10] Dass die Tatrichter der Berechnung der Reinsubstanz der von Mathias S***** und Kevin P***** erzeugten Cannabisprodukte (Schuldspruch I./) den Reinheitsgrad der beim Angeklagten sichergestellten Marihuanapflanzen (Schuldspruch II./) zugrunde gelegt haben, widerspricht mit Blick auf die Erwägung, dass der Angeklagte eben auch Mathias S***** und Kevin P***** mit den Cannabisstecklingen beliefert hatte (US 19), weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0099413).
[11] Mit den pauschalen Aussagen der in der Sache als glaubwürdig befundenen Zeugen S***** und P***** in Bezug darauf, dass sie im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung unter „Drogeneinfluss gestanden“ seien, unter „Druck gesetzt worden“ oder zu „Falschangaben genötigt“ worden wären, mussten sich die Tatrichter nicht auseinandersetzen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
[12] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
[13] Diesen Anfechtungsspielraum verlässt die Beschwerde, indem sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die den Belastungszeugen S***** und P***** attestierte Glaubwürdigkeit mit dem neuerlichen Verweis auf die angebliche Drucksituation anlässlich deren polizeilicher Vernehmung und die diesen Zeugen vom Erstgericht im ersten Rechtsgang (zu einem anderen Faktum) zuerkannte Unglaubwürdigkeit zu erschüttern versucht, weiters die unzureichende Würdigung eines Kassenbelegs moniert sowie aus isoliert herausgegriffenen Verfahrensergebnissen eigene Erwägungen zum Inhalt des vom Angeklagten geführten Beratungsgesprächs ableitet.
[14] Gleiches gilt für die Hinweise auf die – das Cannabiskraut als minderwertig und dessen Reinheitsgehalt als sicherlich unter 10 % liegend bezeichneten Angaben des Zeugen T***** (ON 51 S 19 iVm ON 96 S 2 f und 6) und die Verantwortung des Angeklagten, mit welchen die Beschwerde keine erheblichen Bedenken gegen die – auf die Angaben des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. ***** und die Herkunft aus derselben Bezugsquelle gestützte (US 19) – Annahme des Reinheitsgehalts von 10 % Delta‑9‑THC zu wecken vermag.
[15] Den weiteren Beschwerdeausführungen ist vorauszuschicken, dass mit Tatsachenrüge nur erhebliche Bedenken hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend gemacht werden können (RIS‑Justiz RS0119583 [T12]; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.145).
[16] Damit geht aber die gegen die Erwägungen des Erstgerichts gerichtete Kritik, wonach der Angeklagte die Zeugen P***** und S***** umfassend über die optimale Cannabiserzeugung und die Möglichkeiten von Erzielung eines größtmöglichen Ertrags beriet (US 4), ebenso ins Leere wie jene hinsichtlich der Feststellung, dass die sichergestellten Cannabismühlen zur Verarbeitung der angebauten Erzeugnisse verwendet wurden (US 19).
[17] Mit den bereits in der Mängelrüge angesprochenen Zweifeln in Bezug auf den gleichgelagerten Reinheitsgrad des von den Zeugen P***** und S***** einerseits (Schuldspruch I./) und dem Angeklagten andererseits (Schuldspruch II./) erzeugten Cannabiskrauts weckt der Beschwerdeführer ebenfalls keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
[18] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf einen Freispruch des Angeklagten hinsichtlich „eines nahezu identen Faktums“ in einem anderen Verfahren verweist, verkennt sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit grundlegend (vgl RIS‑Justiz RS0099810).
[19] Als ebenso prozessordnungswidrig erweist sich der urteilsfremde Einwand, wonach der Angeklagte in den Tatplan der Zeugen P***** und S***** nicht eingeweiht wurde.
[20] Die Sanktionsrüge (Z 11) erstattet mit ihrem Einwand, das Erstgericht hätte eine „Vielzahl von Milderungsgründen unberücksichtigt“ gelassen und „diese nicht in der erforderlichen Weise zugunsten des Angeklagten“ verwertet, ein bloßes Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0099911).
[21] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten sowie jene der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[22] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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