OGH 9ObA26/21w

OGH9ObA26/21w24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** K*****, vertreten durch Holter Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei ***** K*****, vertreten durch Aigner Fischer Stranzinger Rechtsanwaltspartnerschaft in Gonetsreith 15, wegen 3.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Jänner 2021, GZ 12 Ra 68/20m‑28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00026.21W.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war von November 2014 bis Ende März 2018 beim Beklagten als Monteur tätig. Das Beschäftigungsverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe, nach dessen Punkt XX. 1. alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bei sonstigem Verfall innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit bzw Bekanntwerden – wenn sie nicht anerkannt werden – schriftlich geltend gemacht werden müssen. Die dem Kläger zugesagte verfahrensgegenständliche Prämie wurde im August 2017 fällig, Ende Dezember 2017 vom Beklagten anerkannt, im Juni 2018 vom Kläger telefonisch erneut angesprochen und von ihm im Juli 2018 schriftlich geltend gemacht. Die Vorinstanzen erachteten den Klagsanspruch als nicht verfallen und gaben dem Klagebegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

[2] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte angesichts der klaren Regelung des Kollektivvertrags (vgl RS0042656 [T15]) keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[3] 1. Der Beklagte meint, dass ein (hier deklaratives) Anerkenntnis, wenn es sich als Alternative für die Wahrung der Verjährungsfrist aus der kollektivvertraglichen Verfallsfrist ergebe, dem Schriftformgebot entsprechen müsse.

[4] Zur Wirksamkeit eines Anerkenntnisses genügt, dass der Gläubiger auf Grund eines bestimmten Sachverhalts ernstlich den Bestand einer Forderung behauptet und dass der Schuldner die Zweifel an dem Bestand der Forderung durch sein Anerkenntnis wie bei einem Vergleich beseitigt. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist nur, dass die vollständige Verwirklichung des Tatbestands des anerkannten Grundverhältnisses als möglich angesehen wurde, dass das Anerkenntnis ernstgemeinte Feststellung ist. Das konstitutive Anerkenntnis bedarf keiner besonderen Form; es kann auch stillschweigend erfolgen (RS0032319 [T4]). Im Zweifel sind einer Erklärung, die auch stillschweigend erfolgen kann, die weniger weitgehenden Wirkungen des deklarativen Anerkenntnisses zuzuschreiben (RS0032319 [T9]; RS0032522 [T3]). Auch das deklarative Anerkenntnis bedarf daher keiner Schriftform.

[5] Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich ein Schriftformerfordernis auch nicht aus dem Wortlaut oder dem Zweck der genannten kollektivvertraglichen Bestimmung. Diesbezüglich ist ihr nur zu entnehmen, dass die Notwendigkeit der schriftlichen Geltendmachung (nicht: Begründung) von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis auf jene Fälle beschränkt ist, in denen kein Anerkenntnis vorliegt. Damit ist aber auch nicht ersichtlich, warum gerade die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses von der Einhaltung einer Schriftform abhängig sein sollte. Das widerspricht auch nicht dem Zweck einer Verfallsklausel, dem Beweisnotstand zu begegnen, in dem sich der Arbeitgeber bei verspäteter Geltendmachung befinden würde ( https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0034417&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=08.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=f6cbd2a2-c786-4074-8e32-9b9dce1879ba&Dokumentnummer=JJR_19740219_OGH0002_0040OB00093_7300000_002 ), weil der Beweisnot primär mit einer (kurzen) Verfallsfrist, nicht aber mit einem Formgebot für die Einmahnung eines Anspruchs vorgebeugt wird.

[6] 2. Der Beklagte möchte einen Verfall des Anspruchs auch darauf stützen, dass zwischen dem Anerkenntnis und der schriftlichen Geltendmachung der Prämie mehr als sechs Monate verstrichen sind.

[7] Ein Anerkenntnis des Schuldners unterbricht auch eine kollektivvertragliche Fallfrist ( https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0029716&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&ResultFunctionToken=a059fabb-a53b-4795-8b6d-85bbc4644d27&Dokumentnummer=JJR_19760907_OGH0002_0040OB00095_7600000_002 6 [T4, T8]), wodurch ein neuer Fristlauf beginnt (s https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0032394&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=08.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=7357ab03-3c57-4e6c-a46d-f4ab355df988&Dokumentnummer=JJR_19700325_OGH0002_0050OB00031_7000000_001 ; https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0032639&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=10.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=e341267a-882e-4375-8505-143e6a3d5b89&Dokumentnummer=JJR_19740305_OGH0002_0040OB00003_7400000_001 ). Die neu laufende Verjährungsfrist richtet sich nach der Beschaffenheit der ursprünglichen Forderung (RS0032639). Daraus ist für den Beklagten daher nichts zu gewinnen. Die vorliegende Klausel kann auch nur dahin verstanden werden, dass die Geltendmachung der gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis dann, wenn sie anerkannt werden (Umkehrschluss aus der genannten Bedingung), nicht von der statuierten Voraussetzung einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb der sechsmonatigen Verfallsfrist abhängt. Da der Anspruch hier Ende Dezember 2017 vom Beklagten anerkannt und im Juni 2018 vom Kläger (erneut) mündlich geltend gemacht wurde, stellt sich die vom Beklagten aufgeworfene Frage zur Einhaltung der Verfallsfrist nicht. Die Beurteilung, dass der Klagsanspruch nicht verfallen ist, ist danach nicht korrekturbedürftig.

[8] 3. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen.

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