OGH 14Os8/21i

OGH14Os8/21i23.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nieschlag in der Strafsache gegen ***** D***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 19. Oktober 2020, GZ 632 Hv 2/20b‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00008.21I.0323.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 25. Juni 2019, GZ 631 Hv 4/19p‑22, wurde ***** D***** – soweit im Verfahren über die gegenständliche Nichtigkeitsbeschwerde relevant – (unter anderem) mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, in einem Fall nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in W***** und andernorts in „unzähligen“ Angriffen im Zeitraum von 2. September 1991 bis 31. Jänner 1995 mit einer unmündigen Person den Beischlaf und „dem Beischlaf gleichzusetzende“ geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er vaginalen Geschlechts- und Analverkehr an seiner am 31. Jänner 1981 geborenen Stieftochter ***** J*****vornahm und sie mit seinen Fingern und mit Vibratoren penetrierte, wobei in einem Fall die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte.

[2] Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 2019, AZ 14 Os 114/19z, hob der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten dieses Urteil in der rechtlichen Unterstellung einer der dem Schuldspruch I./ zugrunde liegenden Taten nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, demgemäß auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche auf und ordnete eine neue Hauptverhandlung an.

[3] Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil wurde D***** – unter Bezugnahme, jedoch verfehlter (vgl RIS‑Justiz RS0100041 [T4, T7, T9, T10, T11], RS0098685 und Ratz , WK‑StPO § 293 Rz 6) Wiederholung im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordener Schuldsprüche – (neuerlich) eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[5] Dass die Ursache für die posttraumatische Belastungsstörung des Opfers ein im Tatzeitraum erfolgter Vaginalverkehr mit dem Angeklagten war (US 8), leitete das Schöffengericht einerseits aus dem Umstand ab, dass es – den Angaben des Angeklagten und des Opfers zufolge – „letztlich (…) immer zum Beischlaf kam“, andererseits aus den Schilderungen des Letzteren von seinen Empfindungen und Ängsten (US 9) sowie dem psychiatrischen Gutachten (US 10). Da diese Gründe den Kriterien der Logik und Empirie nicht widersprechen, blieben die Feststellungen – der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – nicht offenbar unzureichend begründet (RIS‑Justiz RS0116732).

[6] Mit Hinweisen auf die Vielzahl von nicht nur aus jeweils Vaginalverkehr bestehenden Übergriffen, die Möglichkeit, dass eine andere geschlechtliche Handlung zur posttraumatischen Belastungsstörung des Opfers geführt habe, das Fehlen eines psychologischen Sachverständigengutachtens, sowie mit Zweifeln an den psychologischen Kenntnissen der Tatrichter übt die Beschwerde in dieser Form unzulässige Beweiswürdigungskritik (vgl RIS‑Justiz RS0099455 [insb T16]).

[7] Die Einwände der Sanktionsrüge (Z 11), das Schöffengericht hätte die (ohnehin angenommenen) Milderungsgründe „deutlicher zu (…) Gunsten“ des Angeklagten bewerten und dessen Geständnis „als wesentlichen Milderungsgrund anerkennen“ müssen, stellen bloß ein Berufungsvorbringen dar (vgl RIS‑Justiz RS0099920 [T3]).

[8] Dass die aggravierende Wertung der erheblichen Unterschreitung des Schutzalters des Opfers zu Beginn des Tatzeitraums (US 12) – dem Beschwerdevorbringen zuwider – nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) verstößt, weil bei §§ 206 Abs 1 und  207 Abs 1 StGB die Unmündigkeit, also die Nichtvollendung des vierzehnten Lebensjahrs (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB), und bei § 212 Abs 1 StGB die Minderjährigkeit (§ 74 Abs 1 Z 3 StGB) den Strafsatz bestimmen, hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner zum ersten Rechtsgang erfolgten Entscheidung angemerkt (vgl 14 Os 114/19z mwN; RIS‑Justiz RS0090958).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte