OGH 3Nc5/21x

OGH3Nc5/21x1.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragstellerin M*****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin v***** AG, *****, über den Antrag auf Ordination gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030NC00005.21X.0301.000

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen die in der Schweiz ansässige Antragsgegnerin zur Hereinbringung ihrer Forderung von 1.266,37 EUR sA Exekution zu führen, die mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Wels vom 4. November 2020 tituliert wurde. Sie beantragt, das Bezirksgericht Wels oder das Bezirksgericht Salzburg als örtlich zuständiges Exekutionsgericht zu bestimmen. Die Ordinationsvoraussetzungen gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN seien erfüllt, weil eine Exekutionsführung in der Schweiz im Anlassfall unmöglich und daher im Einzelfall unzumutbar sei: Die Unmöglichkeit der Exekutionsführung in der Schweiz sei durch einen Bericht der Arbeiterkammer Steiermark vom 15. Februar 2021 bescheinigt, nach dem „hohe finanzielle Aufwände“ für eine Exekutionsführung in der Schweiz für Forderungen österreichischer Verbraucher gegen die Antragsgegnerin notwendig seien und „aufgrund des Schweizer Exekutionsrechts die Kosten des österreichischen Zivilverfahrens nicht und die des Schweizer Exekutionsverfahrens praktisch auch nicht zugesprochen“ würden. Außerdem gebe es in der Schweiz „Probleme bei der Exekutionsführung“, wenn sich der Exekutionstitel (nur) auf ein österreichisches Versäumungsurteil gründe, weil in der Schweiz die Rechtsansicht vertreten werde, dass ein ausländisches Versäumungsurteil nicht dem Rechtsschutz Schweizer Bürger und Firmen entspreche. Eine weitere rechtliche Schwierigkeit sei zu erwarten, weil der Schweizer BGH zu 4 A 235/2020 im Zivilverfahren des Schweizer Wirtschaftsministeriums (Seco) gegen die Antragsgegnerin ausgesprochen habe, dass das Unternehmen die Schweizer Verbraucher beim Kartenverkauf nicht täusche; daraus resultiere die „Gefahr“, dass österreichische Forderungen gegenüber der Antragsgegnerin aus „Täuschungshandlungen (noch dazu aus Versäumungsurteilen)“, als gegen den kollisionsrechtlichen Schweizer Ordre-public-Vorbehalt verstoßend und daher als nichtig beurteilt werden könnten.

[2] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Eine Ordination ist auch in Exekutionssachen möglich, wenn es an einem örtlich zuständigen inländischen Gericht mangelt (RS0053178). Weiters muss eine der drei in § 28 Abs 1 JN (alternativ) normierten Voraussetzungen (Z 1, Z 2 oder Z 3) vorliegen. Hier kommt allenfalls § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht.

[4] 2. In der Entscheidung 3 Ob 29/19y wies der Senat darauf hin, dass das Prozesskostenargument nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur in Ausnahmefällen geeignet ist, einen Ordinationsantrag zu begründen; gerade für den Anwendungsbereich der EuGVVO und des LGVÜ sei zu berücksichtigen, dass eine Ordination bei Verpflichteten, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, nur in Ausnahmefällen möglich ist (3 Ob 29/19y mwN).

[5] 3. Nach § 28 Abs 1 Z 2 JN ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen; fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 22/17s = RS0046320 [T14]; Garber in Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 68).

[6] 4. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN – auch in Exekutionssachen (RS0124087) – vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen.

[7] Der Hinweis der Antragstellerin auf ein Schreiben der Arbeiterkammer Steiermark, in dem die Rede davon ist, dass in der Schweiz Kosten für die Exekution „praktisch nicht zugesprochen“ würden, ist nicht geeignet, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Exekutionsführung in der Schweiz darzulegen. Dass ein Exekutionsantrag zur Durchsetzung eines Versäumungsurteils gegen die Antragsgegnerin bereits erfolglos erhoben worden wäre, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Ihr Argument, es bestehe die „rechtliche und/oder faktische Gefahr“, dass durch Gerichte in der Schweiz Versäumungsurteile über österreichische Forderungen aus „Täuschungshandlungen“ der Antragsgegnerin als gegen den ordre public verstoßend und daher nichtig beurteilen könnten, weil zuletzt eine Entscheidung des Schweizer BGH ausgesprochen habe, dass das Unternehmen der Antragsgegnerin die Verbraucher nicht täusche, geht davon aus, dass im Rahmen der exekutiven Durchsetzung des österreichischen Titels in der Schweiz eine inhaltliche Überprüfung stattfinden würde, was grundsätzlich nicht anzunehmen ist (Verbot der sogenannten revision au fond; dazu RS0002409). Davon abgesehen kann aus einer Aussage des Schweizer BGH zu einer Klage des Wirtschaftsministeriums nicht abgeleitet werden, dass diese für die Prüfung eines Exekutionsantrags auf der Grundlage eines österreichischen Titels Bedeutung hätte.

[8] Wie bereits erwähnt, ist im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LGVÜ eine Ordination für Verfahren gegen Antragsgegner, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, nur in Ausnahmefällen möglich (RS0053178 [T3 und T7]; Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 Rz 59 und 71). Eine solche Ausnahme käme etwa dann in Betracht, wenn ein entsprechender Versuch einer Exekutionsführung in der Schweiz gescheitert wäre, oder eine solche zwangsweise Durchsetzung (von ausländischen Versäumungsurteilen) nach der Rechtsprechung in der Schweiz generell nicht bewilligt werden würde. Derartiges wird im Ordinationsantrag allerdings nicht behauptet und bescheinigt.

[9] 5. Angesichts dieser Rechtslage sind daher die Voraussetzungen für eine Ordination gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht erfüllt.

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