OGH 2Ob73/20d

OGH2Ob73/20d25.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2018 verstorbenen D* K*, zuletzt *, über den Revisionsrekurs des ehemaligen Erwachsenenvertreters Dr. W* H*, vertreten durch Dr. Gabriele Schmid, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. November 2019, GZ 48 R 179/19g‑36, womit infolge Rekurses dieses Gläubigers der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 4. April 2019, GZ 24 A 18/18z‑24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131099

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Dr. W* H* hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der am * 2018 verstorbene Erblasser hatte keine letztwillige Verfügung errichtet. Er hinterließ als gesetzliche Erben zwei Schwestern, die keine Erbantrittserklärungen abgaben.Der Erblasser hatte eine Lebensversicherung (Erlebensversicherung) abgeschlossen, bei der er im Ablebensfall „die Erben“ als Bezugsberechtigte eingesetzt hatte.Mit seinem Ableben wurde daraus ein Betrag von 21.948,26 EUR fällig.

[2] Das Erstgericht überließ den Gläubigern die Aktiva von 6.879,40 EUR, bestehend aus realisierten Bankguthaben, der aufgrund der Passiva von 74.142,48 EUR überschuldeten Verlassenschaft an Zahlungs statt. Damit konnten selbst die „Masseforderungen“ iSd § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG nicht zur Gänze befriedigt werden. Der vom ehemaligen Erwachsenenvertreter des Erblassers geltend gemachte und diesem beschlussmäßig zuerkannte Entschädigungsanspruch von 1.797,20 EURkam bei der Verteilung nicht mehr zum Zug. Den Anspruch aus der Lebensversicherung des Erblassers nahmdas Erstgericht nicht in die Aktiva auf. Wäre dies geschehen, hätte die Forderung desehemaligen Erwachsenenvertreters in den Aktiva Deckung gefunden.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des ehemaligen Erwachsenenvertreters nicht Folge und sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, der Erblasser habe über seine Versicherungssumme im Ablebensfall verfügt, da er als Begünstigte „die Erben“ eingesetzt habe. Aus der Aktenlage ergebe sich, dass er zum Zeitpunkt seines Todes zwei Schwestern, sohin potentielle Erben hinterlassen habe. Dass diese keine Erbantrittserklärung abgegeben hätten, stelle ihre Qualifikation als Erben nicht in Frage. Es seien daher Erben im Sinne der Bezugsberechtigung „die Erben“ vorhanden, weshalb die Ablebensleistung bei den Aktiven der Verlassenschaft nicht zu berücksichtigen sei.

[4] Auf Antrag des ehemaligen Erwachsenenvertreters ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Begünstigungsklausel „die Erben“ auch im Falle einer Überlassung an Zahlungs statt und somit ohne formelle Feststellung der Erben durch das Verlassenschaftsgericht ausreichend bestimmbar sei, sodass eine Lebensversicherung wegen erfolgter Verfügung nicht in den Nachlass falle.

[5] Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des ehemaligen Erwachsenenvertreters mit dem Abänderungsantrag, die Aktiva um die Ablebensleistung aus der Lebensversicherung zu erhöhen und bei der Verteilung der Verlassenschaft seine bevorrechtete Forderung zur Gänze zu tilgen, hilfsweise den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Beschlussfassung an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

[6] Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

[7] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grundzulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

[8] Der Revisionsrekurswerber macht geltend, die Ablebensleistung aus der Lebensversicherung des Erblassers sei bei den Aktiva zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Laute das Bezugsrecht iSd § 167 Abs 2 VersVG auf „die Erben“, werde der Kreis der bezugsberechtigten Personen erst durch die Einantwortung bestimmt. Da eine Einantwortung aufgrund der überschuldeten Verlassenschaft unterblieben sei, sei das Bezugsrecht nicht bestimmbar. Daher falle die Versicherungsleistung in den Nachlass.

Rechtliche Beurteilung

[9] Hiezu wurde erwogen:

[10] 1. Ist der Versicherungsfall der Tod des Versicherungsnehmers, so erwirbt der Begünstigte seinen Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag (7 Ob 622/95). Die Versicherungssumme ist (nur) dann Bestandteil des Nachlasses, wenn kein Begünstigter vorhanden ist; hat dagegen der Versicherungsnehmer über seine Ansprüche verfügt, ist die Versicherungssumme aus dem Nachlass auszuscheiden (RS0007845 [T8]).

[11] 2. Gemäß § 166 Abs 1 VersVG ist bei einer Kapitalversicherung im Zweifel anzunehmen, dass dem Versicherungsnehmer die Befugnis vorbehalten ist, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen oder an Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Der Bezugsberechtigte kann durch Anführung seines Namens individualisiert bezeichnet werden. Die Bestimmbarkeit des Berechtigten ist aber ausreichend (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 166 VersVG Rz 11).

[12] § 167 Abs 2 VersVG lautet: „Soll bei einer Kapitalversicherung die Leistung des Versicherers nach dem Tod des Versicherungsnehmers erfolgen und ist die Zahlung an die Erben ohne nähere Bestimmung ausbedungen, so sind im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt. Eine Ausschlagung der Erbschaft hat auf die Berechtigung keinen Einfluss.“

[13] Die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen im vorliegenden Fall zieht der Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel (vgl 7 Ob 136/18b).

[14] 3. § 167 Abs 2 VersVG enthält Regeln für die Auslegung der Erklärung, durch die der Versicherungsnehmer sein Gestaltungsrecht zur Bezeichnung der Bezugsberechtigten ausübt (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 167 VersVG Rz 1). Der Versicherungsnehmer kann danach auch „die Erben“ als bezugsberechtigt bezeichnen und kommt dadurch dem Bestimmbarkeitserfordernis ausreichend nach. Es sind dann jene Personen begünstigt, welche zur Zeit des Todes (des Versicherungsnehmers) nach dem Versicherungsnehmer als Erben berufen sind. Auf den Berufungsgrund kommt es nicht an; das Erbrecht kann sich auf Erbvertrag, Testament oder das Gesetz gründen. Die Bestimmung ist auch anwendbar, wenn mehrere Personen aufgrund verschiedener Erbrechtstitel nebeneinander als Erben berufen sind (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 167 VersVG Rz 12).

[15] 4. § 167 Abs 2 Satz 2 VersVG sieht vor, dass die Ausschlagung der Erbschaft keinen Einfluss auf die Bezugsberechtigung hat, da dies mit dem mutmaßlichen Willen des Versicherungsnehmers nicht zu vereinbaren wäre und die Versicherungssumme sonst denjenigen zugute käme, denen sie nicht zugedacht war (Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz9 § 160 Rz 30; idS auch Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 167 VersVG Rz 14). In einem solchen Fall ist daher zu fingieren, dass der ausschlagende Bezugsberechtigte weiterhin Erbe mit einer bestimmten Quote ist (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 167 VersVG Rz 14). Für die Bezugsberechtigung der Erben kommt es daher nicht darauf an, ob eine Einantwortung an sie stattgefunden hat (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 166 VersVG Rz 12; vgl Langheid/Wandt/Heiss, MüKo VVG² § 160 Rn 15). Deshalb sind sie auch dann bezugsberechtigt, wenn die Verlassenschaft den Gläubigern an Zahlungs statt (§§ 154 f AußStrG) überlassen worden ist. Die Begünstigung als Erben berufener Personen entspricht – auch und gerade – in einem solchen Fall dem typischen Willen des Verstorbenen, der mit der Zuwendung der Versicherungsleistung in der Regel einen Versorgungszweck verfolgen will und nicht primär die Befriedigung seiner Gläubiger anstrebt (Schauer in Fenyves/Schauer, VersVG4 § 166 VersVG Rz 12).

[16] 5. Der Revisionsrekurswerber beruft sich auf die von Peric (Lebensversicherung an „die Erben“ und Überlassung an Zahlungs statt, RdW 2013/327) vertretene gegenteilige Ansicht, wonach, wenn als Begünstigte bloß „die Erben“ genannt seien, nur die tatsächlich erfolgte Einantwortung den Kreis der bezugsberechtigten Personen bestimme. Der Entscheidung 7 Ob 622/95, auf die er ohne nähere Darlegungen zur Begründung seiner Ansicht hinweist, ist dies allerdings nicht zu entnehmen. Vielmehr hat nach dem klaren Wortlaut des § 167 Abs 2 Satz 2 VersVG die Ausschlagung der Erbschaft keinen Einfluss auf die Bezugsberechtigung. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass die Einanwortung im Falle der Benennung „der Erben“ als Bezugsberechtigte gerade keine Voraussetzung für die Bezugsberechtigung sein soll. Will der Versicherungsnehmer das Bezugsrecht daran koppeln, dass nur diejenigen, denen der Nachlass tatsächlich eingeantwortet wird, die Versicherungssumme erhalten sollen, muss er dies bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten klarstellen (vgl für die deutsche Rechtslage Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz9 § 160 Rz 30). Auch im Falle der Überlassung an Zahlungs statt kann daher von einem unbestimmbaren Bezugsrecht nicht gesprochen werden, sondern es bleiben jene Personen begünstigt, welche zur Zeit des Todes nach dem Versicherungsnehmer als Erben berufen sind.

[17] 6. Das Rekursgericht ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass die Forderung auf Zahlung der Versicherungsleistung nicht unter die zu verteilenden Aktiva des Nachlasses fällt. Der Revisionsrekurs bleibt erfolglos.

[18] 7. Gemäß § 185 AußStrG findet im Verlassenschaftsverfahren, außer im Verfahren über das Erbrecht, kein Ersatz von Vertretungskosten statt.

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