OGH 7Ob622/95 (7Ob623/95)

OGH7Ob622/95 (7Ob623/95)17.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9.Juli 1993 verstorbenen Dr.Marco T*****, infolge von Revisionsrekursen der Erbin Barbara L*****, vertreten durch Dr.Hubert Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der pflichtteilsberechtigten Eltern 1.) August T*****, und 2.) Maria T*****, ebendort, beide vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11.August 1995, GZ 53 R 3, 89/95-55, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24.November 1994, GZ 4 A 303/93x-48, teilweise abgeändert wurde,

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der pflichtteilsberechtigen Eltern wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der testamentarischen Erbin wird Folge gegeben und die Entscheidung des Rekursgerichtes dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Der Antrag der testamentarischen Erbin auf Zuspruch von Revisionskosten wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 9.7.1993 verstorbenen Dr.Marco T***** hinterließ ein Testament vom 5.2.1989, in dem er Barbara W***** und ein weiteres Testament vom 15.11.1989, in dem er anstelle von Barbara W***** Barbara L***** als Universalerbin seines beweglichen und unbeweglichen Nachlasses ("inklusive aller bestehenden Versicherungsansprüche bei Austria/Anker etc.............") einsetzte. Mit einem "Zusatz zum Testament" vom 1.1.1993 bestätigte der Erblasser erneut die Erbeinsetzung von Barbara L*****. Die von dieser auf Grund des Testamentes abgegebene bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß wurde vom Gericht angenommen. Die pflichtteilsberechtigten Eltern beantragten die Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses.

Der Erblasser hatte zu Lebzeiten drei Lebensversicherungen (Risikoversicherungen) abgeschlossen, und zwar

1. bei der Anker Allgemeine Versicherungs AG

zu Polizzen Nr.*****,

2. bei der Austria-Collegialität Versicherungs AG

zu Polizzen Nr. ***** und

3. bei Der Anker Allgemeine Versicherungs-AG

zu Polizzen Nr. *****.

Laut den im Akt erliegenden Polizzen ist hinsichtlich der Versicherungen zu 1. und 2. als Bezugsberechtigte im Ablebensfall des Versicherungsnehmers jeweils Barbara W***** und in deren Vorsterbefall Mag.Paul T***** angegeben. Bezüglich der Lebensversicherung zu 3. scheint gemäß der Versicherungspolizze als Bezugsberechtigte Barbara L***** auf. Dieser Versicherungsvertrag war zugunsten der Landes-Hypothekenbank Tirol zur Sicherung der Kreditverbindlichkeiten des Erblassers bei diesem Geldinstitut in der Weise vinkuliert, daß Versicherungsleistungen im Ablebensfall nur mit schriftlicher Zustimmung des Vinkulargläubigers erbracht werden.

Die pflichtteilsberechtigten Eltern vertraten die Auffassung, daß bei der dritten, sohin letztgenannten Versicherung das Bezugsrecht der Erbin zufolge Ausschüttung der Versicherungssumme an den Vinkulierungsgläubiger nicht wirksam werden konnte und die Versicherungssumme von 1 Million Schilling daher den Nachlaß passiv mindere und sich dementsprechend die Bewertungsgrundlage für die Bemessung ihres Pflichtteiles erhöhe. Die beiden weiteren Versicherungen seien als Nachlaßaktiven in das Inventar aufzunehmen, weil der Erblasser nur in einem Testament darüber verfügt habe.

Die erbserklärte Erbin brachte dagegen vor, daß keine der drei Lebensversicherungen des Erblassers in den Nachlaß gehöre und daher nicht in die Bemessungsgrundlage für die Pflichtteilsansprüche der Eltern einzubeziehen sei, weil die Versicherungsurkunden im Todeszeitpunkt des Erblassers jeweils einen Bezugsberechtigten ausgewiesen hätten.

Alle drei Versicherungen wurden in das vom Gerichtskommissär errichtete Hauptinventar nicht aufgenommen. Dementsprechend ergaben sich

Nachlaßaktiven von S 7,947.319,76

Passiven von S 4,745.814,75

sohin ein verbleibender reiner Nachlaß

von S 3,201.505,01

und aufgrund dieser Berechnung

ein Pflichtteil für jeden der beiden

Pflichtteilsberechtigten (je 1/6) von je S 533.584,16.

Das Erstgericht legte das Hauptinventar in dieser Form mit einem Reinnachlaß von S 3,201.505,01 der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde und wies den Antrag der pflichtteilsberechtigten Eltern auf ergänzende Erhebungen zur Vervollständigung des Inventars und Aufnahme der Auszahlungsbeträgen aus den drei Lebensversicherungen des Erblassers ab. Im übrigen hat das Erstgericht mit Beschluß vom gleichen Tag den Nachlaß der bedingt erbserklärten Testamentserbin Barbara L***** eingeantwortet (ON 42). Es begründete seine Entscheidung im strittigen Punkt damit, daß der Erblasser mit seiner testamentarischen Verfügung das Bezugsrecht aus den beiden ersten Versicherungen Barbara L***** zugewiesen habe und der Erlös aus der dritten Lebensversicherung entsprechend der Vinkulierungsvereinbarung der Landeshypothekenanstalt für Tirol zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Erblasser herangezogen worden sei. Damit habe eine Verminderung der Nachlaßpassiven stattgefunden. Soweit die Pflichtteilsberechtigten die Aufnahme der genannten Versicherungen in das Nachlaßinventar begehrten, handle es sich um eine Frage, welche im streitigen Rechtsweg abzuklären sei. Dem im Verlassenschaftsverfahren errichteten Inventar komme für einen solchen Rechtsstreit lediglich die Bedeutung einer Beweissicherung zu.

Das Rekursgericht gab dem von den pflichtteilsberechtigten Eltern erhobenen Rekurs gegen diese Entscheidung teilweise Folge und erhöhte den im Inventar ausgewiesenen Reinnachlaß der Verlassenschaft um den Erlös der ersten und zweiten Lebensversicherungssumme auf S 5,417.902,01. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Es bejahte zunächst die Rekurslegitimation der pflichtteilsberechtigten Eltern, weil die Inventarisierung den Pflichtteilsberechtigten eine Grundlage für die Berechnung ihrer Ansprüche geben solle und nach Möglichkeiten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Erben und Pflichtteilsberechtigten dadurch vermieden werden sollten. Nach § 166 Abs 1 VersVG könne der Versicherungs- nehmer bei einer Kapitalversicherung grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten bezeichnen oder anstelle des so bezeichneten Dritten einen anderen setzen. Ein Lebens- versicherungsvertrag mit einer derartigen Begünstigung sei ein Vertrag, durch den einem Dritten Rechte verschafft werden sollten. Der Begünstigte erwerbe, wenn im Versicherungsvertrag nichts anderes bestimmt sei, das Recht auf die Leistung des Versicherers zwar erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles also im Falle einer Lebensversicherung erst im Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers, er erwerbe dieses Recht aber nicht aus dem Nachlaß, sondern kraft eigenen Rechtes infolge der Begünstigungserklärung im Versicherungsvertrag. In einem solchen Fall sei daher die Versicherungssumme nicht dem Nachlaßvermögen zuzurechnen. Die Frage, ob eine Begünstigung im Sinne des § 166 VersVG auch durch letztwillige Verfügung, angeordnet, widerrufen oder abgeändert werden können, werde vom Obersten Gerichtshof bejaht. Wenn auch der Lebensversicherungsvertrag mit Begünstigung nicht ein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB sei, so sei er doch ein Vertrag, durch den einem Dritten Rechte verschafft werden sollten, der sich aber vom Vertrag im Sinne des § 881 ABGB dadurch unterscheide, daß im Zweifel ein direkter Anspruch des Begünstigten nicht entstehe, obwohl der Vertrag vorwiegend diesem zum Vorteil gereichen solle und dem Versicherungsnehmer eine Änderung der Begünstigung mangels gegenteiliger Vereinbarung ohne weiteres bis zum Eintritt des Versicherungsfalles offen bleibe. Demnach handle es sich um ein Vermögensrecht, das ohne eine entsprechende Verfügung in den Nachlaß des Versicherungsnehmers falle. Handle es sich aber um Vermögensrechte des Versicherungsnehmers, so sei dieser gemäß § 552 ABGB grundsätzlich berechtigt, darüber in der letztwilligen Erklärung zu verfügen. Es sei aber, da der Begünstigte in diesem Fall zweifelsohne auf Grund des Testamentes, also auf der Grundlage einer letztwilligen Verfügung den Anspruch aus der Versicherung erwerbe, davon auszugehen, daß der Rechtserwerb im Erbweg und daher aus dem Nachlaß erfolge. Daran vermöge die Regelung des § 167 Abs 2 VersVG nichts zu ändern, behandle sie doch nur den Fall, daß die Leistung des Versicherers aus einer Kapitalversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers erfolgen solle und die Zahlung an die Erben ohne nähere Bestimmung ausbedungen werde. Zwar habe nach dem letzten Satz des Abs 2 des § 167 VersVG diesfalls die Ausschlagung der Erbschaft auf die Bezugsberechtigung keinen Einfluß, jedoch erscheine diese Regelung auf den vorliegenden Fall einer Begünstigung auf Grund eines Testamentes in Bezug auf die hier zu lösende Frage, ob der testamentarisch eingesetzte Erbe die Berechtigung auf die Versicherungsleistung als Rechtsnachfolger des Erblassers von Todes wegen oder als Bezugsberechtigter im Sinne des VersVG kraft eigenen Rechtes erwerbe, nicht übertragbar.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der testamentarischen Erbin ist berechtigt, nicht jedoch jener der pflichtteilsberechtigten Eltern des Erblassers.

Zur Frage, ob eine Bezugsberechtigung auch durch letztwillige Verfügung begründet, widerrufen oder abgeändert werden kann, hat das Revisionsgericht in jüngerer Zeit bisher zweimal in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und zwar in der SZ 57/73 und in der Entscheidung 7 Ob 19/94 in zustimmender Weise Stellung genommen. Gleich dem der erstzitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde auch im vorliegenden Fall neben einer Erbseinsetzung gesondert eine Verfügung über die Lebensversicherung vorgenommen. Es wurde dabei betont, daß eine Versicherungssumme dann Bestandteil des Nachlasses sei, wenn schlechterdings kein Begünstigter vorhanden sei; habe dagegen der Versicherungsnehmer irgendwie über seine Ansprüche verfügt, sei die Versicherungssumme aus dem Nachlaß auszuscheiden (vgl SZ 13/53, SZ 17/125, Eccher, Antizipierte Erbfolge 134 f, Gschnitzer-Faistenberger, österreichisches Erbrecht2 10, Welser in Rummel ABGB2 § 531 Rz 10 sowie Zankl, Lebensversicherung und Nachlaß NZ 1985, 83 aM Kralik, Erbrecht 19 f). Im vorliegenden Fall fehlt ein Anhaltspunkt dafür, daß der Erblasser über die Bezugsberechtigung hinsichtlich der Versicherungssumme anders als testamentarisch verfügt hätte.

Bei einer Lebensversicherung mit Begünstigung handelt es sich um einen Vertrag, durch den einem Dritten Rechte verschafft werden sollen. Der Unterschied zum Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB liegt darin, daß im Zweifel die Lebensversicherung dem Dritten keinen direkten Anspruch verschafft und die Begünstigung mangels gegenteiliger Anordnung des Versicherungsnehmers bis zum Eintritt des Versicherungsfalles geändert werden kann. Daraus wurde in der Entscheidung SZ 57/73 geschlossen, daß "es sich hier um ein Vermögensrecht" handelt, "das ohne eine entsprechende Verfügung in den Nachlaß des Versicherungsnehmers fallen würde". Gemäß § 552 ABGB sei daher der Versicherungsnehmer grundsätzlich berechtigt, darüber in einer letztwilligen Erklärung zu verfügen. Zankl (aaO 82) stimmt diesem Ergebnis zu, kritisiert aber die Begründung. Der Versuch, die Zulässigkeit letztwilliger Begünstigungsanordnungen aus dem ABGB abzuleiten, sei untauglich, vielmehr sei § 166 VersVG heranzuziehen, der Änderungen zulasse ohne zu unterscheiden, ob sie unter Lebenden oder von Todes wegen erfolgten. Für eine diesbezügliche Differenzierung könnten höchstens die Interessen des Versicherers ins Treffen geführt werden, der möglicherweise in Unkenntnis der (nicht empfangsbedürftigen) letztwilligen Änderung an den ursprünglich Begünstigten leistet . Dieser Einwand trage aber nicht, weil die Frage, ob dem Versicherer die letztwillige Änderung zur Kenntnis gebracht werde, nicht damit zu tun habe, ob sie materiell also im Verhältnis zum Begünstigten wirksam sei. Dieser Argumentation schließt sich der erkennende Senat an. Zankl weist zutreffend darauf hin (aaO 83 mwN), daß die Ableitung des Anspruches des Bezugsberechtigten aus § 166 VersVG mit der älteren österreichischen Rechtsprechung übereinstimmt, in der diese Auffassung schon mehrfach vertreten worden ist. Den Beweis für einen derartigen Erwerbsakt liefere § 167 VersVG. In dieser Bestimmung werden tatsächlich die Auslegungsregeln für die Begünstigungsklausel aufgestellt. Abs 2 Satz 1 leg cit sieht vor, daß für den Fall, daß die Zahlung der Versicherungssumme an die Erben des Versicherungsnehmers bedungen ist, diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen seien, das Bezugsrecht nach dem Verhältnis ihrer Erbteile haben. "Eine Ausschlagung der Erbschaft hat auf die Berechtigung keinen Einfluß".

Dies legt den Schluß nahe, daß die Erben nicht in ihrer Eigenschaft

als Rechtsnachfolger von Todes wegen, sondern als Bezugsberechtigte

im Sinne des VersVG erwerben. Nichts anderes kann für den

Begünstigten gelten, der nicht Rechtsnachfolger des

Versicherungsnehmers ist. Übereinstimmend mit der Rechtsmeinung des

Erstgerichtes haben daher die Erlöse aus den beiden erstgenannten

Lebensversicherungen im Hauptinventar keinen Niederschlag zu finden,

weil sie der testamentarischen Erbin auf Grund der Bezugsberechtigung

und nicht im Erbwege zugekommen sind.

Gemäß § 105 Abs 1 AußStrG sollen Verlassen- schaftsschulden, wenn der

Betrag und die Beschaffenheit ohne weitläufige Verhandlungen und ohne

großen Zeitverlust in das Klare gesetzt werden können, im Inventar

vorkommen. Unstrittig geblieben ist, daß der Erblasser gegenüber der

Tiroler Landeshypothekenbank eine den Erlös aus der dritten Lebensversicherung übersteigende Kreditverbindlichkeit eingegangen war. Fraglich ist, ob die Tiroler Landes- hypothekenbank bei Bekanntgabe dieser Restverbindlichkeit bereits den ihr zugekommenen Erlös aus der dritten Lebensversicherung in Abzug gebracht hat. Eine Erhebung dieser Frage ist jedoch entbehrlich, da es gleichgültig ist, ob und in welcher Höhe eine angebliche Schuld in das Inventar oder das eidesstättige Vermögensbekenntnis aufgenommen wird, da dadurch keine endgültige Bindung eintritt (vgl EvBl 1970/153).

Dem Rekurs der testamentarischen Erbin war daher Folge, jenem der pflichtteilsberechtigten Erben keine Folge zu geben.

Der Antrag der testamentarischen Erbin auf Zuspruch von Kosten für ihren Revisionsrekurs war zurückzuweisen, da im Verlassenschaftsverfahren ein derartiger Kostenersatz nicht vorgesehen ist (vgl Fucik, Außerstreitgesetz [MTA], 16 mwN).

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