European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00107.20Y.0128.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (darin 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht gab dem zuletzt erhobenen Klagebegehren auf Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts zu landwirtschaftlichen Zwecken zugunsten der klägerischen Grundstücke auf dem im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstück im Ausmaß von zwei Metern statt. Das darüber hinausgehende – auf eine Wegbreite von mehr als zwei Meter gerichtete – Begehren wies es ab.
[2] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend. Nach den Feststellungen sei bislang mit einem Begehen und Befahren in der Breite von zwei Metern ein Auslangen gefunden worden. Die nunmehr begehrte sprunghafte Ausweitung der Breite des Servitutsweges auf beinahe die gesamte Fläche des dienenden Grundstücks würde dem Grundsatz der schonenden Ausübung der Servitut widersprechen und eine ungleich stärkere Belastung des dienenden Grundstücks darstellen.
[3] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag der Kläger gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil ein Korrekturbedarf der gebotenen Interessenabwägung im Hinblick auf die alpine Topographie und das Vorliegen eines bloßen Weggrundstücks nicht auszuschließen sei.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die vom Beklagten beantwortete Revision der Kläger ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
[5] 1.1 Das Ausmaß einer Dienstbarkeit, der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse, richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RIS‑Justiz RS0011720). Beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung kann von der Natur und dem Zweck der „Bestellung“ im wörtlichen Sinn nicht gesprochen werden. Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es daher darauf an, zu welchem Zweck das dienende Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde (RS0011664). Die Grenzen der Rechtsausübung sind bei ersessenen Dienstbarkeiten besonders genau zu beachten (RS0011664 [T9]).
[6] 1.2 Die Fragen des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen und stellen in der Regel keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0011664 [T11]; vgl RS0011720 [T7]).
[7] 2.1 Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Rechtsvorgänger der Kläger ab Mitte der 1970er Jahre den Weg zur Bewirtschaftung ihrer Grundstücke mit kleinen Schleppern mit einer Breite von etwa zwei Metern befahren ließen. Zuvor kamen Pferdefuhrwerke mit 1,2 bis 1,3 Meter breiten Schlitten zum Einsatz. Seit dem Jahr 1987, als der Weg seine heutige Ausgestaltung erhielt, wird er auch mit PKWs befahren.
[8] Mit diesen Feststellungen steht die Beurteilung der Vorinstanzen in Einklang, die Kläger bzw ihre Rechtsvorgänger hätten die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen in einer Breite von bis zu zwei Metern ersessen.
[9] 2.2 Demgegenüber wurde weder vorgebracht noch festgestellt, dass die Kläger in den letzten Jahren die Bewirtschaftung mit landwirtschaftlichen Geräten mit einer Breite von mehr als zwei Meter durchgeführt hätten. Die Kläger haben – wie bereits das Berufungsgericht festgehalten hat – in erster Instanz auch nie behauptet, dass in den letzten Jahrzehnten mit der Wegbreite von zwei Metern nicht das Auslangen gefunden worden wäre bzw zur Bewirtschaftung ihrer Grundstücke eine Wegeservitut mit über zwei Metern Breite erforderlich sei.
[10] 3. Schon weil die Ausführungen in der Revision und die damit vorgelegten Urkunden, auf deren Grundlage die Kläger eine andere Verhältnismäßigkeitsabwägung zwischen ihren Interessen und jenen des Beklagten wünschen (vgl RS0011733), gegen das Neuerungsverbot verstoßen, gelingt es ihnen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
[11] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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