European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130768
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger wurde wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB für schuldig erkannt, wobei die Geschworenen ihren Schuldspruch (die Beantwortung der Hauptfrage betreffend die Ermordung des Opfers) auf die Aussagen des Klägers als Angeklagten und dreier Zeugen sowie die Gutachten von acht Sachverständigen gründeten.
[2] Die von ihm gegen das Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof zurück. Seiner Berufung wurde vom zuständigen Oberlandesgericht nicht Folge gegeben, sondern aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft das Strafmaß (von 20 Jahren) auf lebenslang erhöht.
[3] Der Kläger leitet aus seiner Verurteilung (vgl RIS‑Justiz RS0040061) Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz ab. Als Gründe nennt er eine angeblich willkürliche Beweiswürdigung der Geschworenen und eine behauptetermaßen ebenso willkürlich erfolgte Abweisung seines Wiederaufnahmsantrags.
[4] Das Erstgericht wies die Amtshaftungsklage zur Verurteilung unter Hinweis auf § 2 Abs 2 und 3 AHG ab. Der Oberste Gerichtshof habe die auf das angebliche Vorliegen von Nichtigkeitsgründen nach § 345 Abs 1 Z 1, 4, 5, 6, 8, 9 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde mit ausführlicher Begründung zurückgewiesen und festgehalten, dass es zu keiner Verletzung von Verteidigungsrechten des Klägers gekommen sei. Zu den abschlägigen Entscheidungen hinsichtlich einer Wiederaufnahme nach § 353 Z 2 StPO setzte es sich unter anderem mit den Ergebnissen der vom Kläger beauftragten Expertise und dem gerichtlich eingeholten Gutachten auseinander und beurteilte angesichts der Gesamtheit der in die bekämpfte Entscheidung eingeflossenen Beweisergebnisse die Entscheidungen dazu als richtig, jedenfalls aber vertretbar, weil dem vom Kläger (nach der Verurteilung eingeholten) „Privatgutachten“ die Eignung gefehlt habe, ein günstigeres Ergebnisses zu erreichen.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Gemäß § 2 Abs 3 AHG könne aus einem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs als Höchstgericht ein Ersatzanspruch nach dem AHG nicht abgeleitet werden; diese Rechtsfolge trete nach § 2 Abs 2 AHG auch dann ein, wenn die Entscheidung infolge Unterlassung eines möglichen Rechtsmittels der Prüfungskompetenz (hier) des Höchstgerichts entzogen worden sei. Entweder habe der Kläger im Rahmen seines Rechtsmittels die ihm in § 345 StPO eingeräumten Möglichkeiten nicht (ausreichend) genutzt und damit gegen seine Rettungspflicht verstoßen oder es seien– soweit er angebliche (Verfahrens‑)Fehler an den Obersten Gerichtshof herangetragen habe – diese vom Höchstgericht verneint worden. Ein Ersatzanspruch sei in beiden Fällen ausgeschlossen. Sei von keinen wesentlichen für die Schuldfrage relevanten Verfahrensmängeln auszugehen gewesen, bleibe für eine willkürliche Beweiswürdigung kein Raum.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die gegen das Berufungsurteil erhobene außerordentliche Revision spricht keine erhebliche Rechtsfrage an:
[7] Nach wie vor bemängelt der Kläger, dass die Geschworenen im Anlassverfahren „willkürlich Pseudobeweise“ gewürdigt hätten und dass sowohl im Strafverfahren, als auch im Amtshaftungsprozess neben umfangreichen Einvernahmen insbesondere die Einholung der Expertise eines (weiteren) Sachverständigen geboten gewesen wäre. Wenn die aufgenommenen Beweise im Strafverfahren als genügend und die vom Kläger relevierten weiteren Verfahrensschritte vom Höchstgericht in Strafsachen entweder nicht als notwendig angesehen wurden oder vom Kläger in seinem Rechtsmittel nicht (ausreichend) zur Darstellung gebracht wurden, kann der Kläger zur Auffassung der Vorinstanzen, er könne sich aufgrund von § 2 Abs 2 und 3 AHG nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Beweisgrundlage im Strafverfahren mangel- oder fehlerhaft geblieben sei, weshalb auch im Amtshaftungsverfahren die Aufnahme weiterer Beweise nicht geboten gewesen sei (weil die Bewertung der Beweiswürdigung der Geschworenen nur auf Basis der im Strafverfahren gegebenen Beweislage stattzufinden hätte), keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen.
[8] Dies gelingt ihm auch nicht zur daran anknüpfenden Beurteilung des Berufungsgerichts, für die vom Kläger mit Verfahrensmängeln begründete willkürliche Beweiswürdigung bleibe im vorliegenden Fall kein Raum. Zur Unrichtigkeit seiner Ansicht, die Beweiswürdigung sei dem Obersten Gerichtshof in Strafsachen bei einer Entscheidung durch ein Geschworenengericht in jedem Fall und gänzlich entzogen, genügt es, den Kläger auf den (von ihm erfolglos geltend gemachten) Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO („wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben“) und auf die dazu ergangene Rechtsprechung zu verweisen (15 Os 149/15y, Annahme der Nichtigkeit des Urteils, „wenn die Beschwerde dartun kann, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt“; vgl auch RS0118780 [T13, T16, T17]). Abgesehen davon beschäftigt er sich nur mit zwei im Strafverfahren erstatteten Gutachten, nicht aber mit den übrigen Beweismitteln und deren Bewertung in einer Gesamtschau.
[9] Seine offenbar auf den Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit der anlässlich der Abweisung des Wiederaufnahmeantrags gegebenen Begründung nicht ausreichend auseinandergesetzt, abzielenden Ausführungen sind schon sprachlich nicht ganz verständlich. Soweit erkennbar, unterstellt er dazu den Strafgerichten, sie hätten für einen Erfolg des Wiederaufnahmeantrags gefordert, dass im eingeholten Gutachten „expressis verbis ein Ausschluss der Täterschaft des Klägers formuliert“ werde, was er als willkürlich ansieht. Damit hatte sich das Berufungsgericht schon deswegen nicht zu befassen, weil der Kläger einen solchen (im Übrigen anhand der Entscheidungen der Strafgerichte über den Wiederaufnahmeantrag nicht nachvollziehbaren) Vorwurf in der Berufung nicht erhoben hatte. Zur in der Berufung enthaltenen Behauptung, das Gutachten sei geeignet gewesen, „eine konkrete Wahrscheinlichkeit der Auswirkungen auf den Verfahrensausgang abzubilden“, erläuterte das Berufungsgericht dem Kläger ohnehin, dass dieser pauschale Vorhalt eine im Rahmen des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung notwendige argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Erstgerichts zur Vertretbarkeit der Entscheidungen der Strafgerichte nicht ersetzen könne. Wie zur Verurteilung blieb der Kläger auch zur Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag von Beginn die Auseinandersetzung mit sämtlichen früheren Beweisen und ihrem Beweiswert schuldig. Im Amtshaftungsverfahren hätte es für das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs nicht nur des Nachweises einer willkürlichen Abweisung seines Wiederaufnahmsantrags, sondern zudem auch des an eine (bewilligte) Wiederaufnahme anschließenden anderen (besseren) Ergebnisses des Strafverfahrens bedurft, also des Nachweises, dass es durch die über seinen Auftrag erstellte „Stellungnahme zu daktyloskopischen Erhebungen“ „allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen“ zu seinem Freispruch oder wenigstens zu einer milderen Verurteilung gekommen wäre. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung der Vorinstanzen über die Vertretbarkeit der Entscheidung des Beschwerdegerichts anlässlich der Entscheidung über die beantragte Wiederaufnahme kann der Kläger mit seinen Ausführungen insgesamt nicht darlegen.
[10] Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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