OGH 15Os149/15y

OGH15Os149/15y13.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ferhat K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ferhat K***** und Halil I***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 11. Juni 2015, GZ 170 Hv 7/15g‑419, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00149.15Y.0413.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten K***** und I***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Ferhat K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 dritter Fall, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A./1./b./ und A./3./), des Verbrechens des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (C./) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (D./2./) sowie Halil I***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 dritter Fall, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A./1./a./ und A./2./), der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (A./4./), des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (B./) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (D./1./) schuldig erkannt.

Danach haben ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant ‑

B./ Halil I***** am 12. Februar 2014 in G***** Heinz‑Peter E***** vorsätzlich getötet, indem er ihn mit einem Seil erdrosselte;

C./ Ferhart K***** in der Zeit von 1. Februar 2014 bis 12. Februar 2014 in G***** zu der unter B./ dargestellten Tat beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er nach „gemeinsam geplanter vorsätzlicher Tötung“ (gemeint: gemeinsamer Planung der vorsätzlichen Tötung) des Heinz‑Peter E***** für die Beseitigung der Leiche benötigte Kübel, Wannen, Fertigbeton, Schnur und Folie kaufte, einen für die Zerstückelung der Leiche bestimmten Container anmietete, seine Mithilfe bei der Beseitigung der Leiche zusagte, das Opfer unter Benützung eines Wertkarten‑Mobiltelefons zum vereinbarten Treffpunkt lockte und unmittelbar vor und während der Tat am Tatort verweilte,

D./1./ Halil I***** im Zeitraum 12. Februar 2014 bis 16. Februar 2014 in G***** und R***** den Leichnam oder Teile des Leichnams des Heinz‑Peter E***** misshandelt und Verfügungsberechtigten entzogen, indem er den Kopf und die Extremitäten abtrennte, die Eingeweide entfernte, die Leichenteile in Kübel einbetonierte und in der M***** versenkte,

2./ Ferhart K***** am 14. Februar 2014 in G***** den Leichnam oder Teile des Leichnams des Heinz‑Peter E***** Verfügungsberechtigten entzogen, indem er die Leichenteile in Kübel einbetonierte und in der M***** versenkte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die Nichtigkeits-beschwerden der genannten Angeklagten, wobei K***** nur den Schuldspruch C./ aus Z 6, I***** wiederum die Schuldsprüche B./, C./ und D./ aus Z 5, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO bekämpft. Beide Beschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****:

Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert die Stellung einer Eventualfrage in Richtung §§ 12 dritter Fall, 15, 75 StGB zu der nach dem Verbrechen des Mordes als Beteiligter gemäß §§ 12 dritter Fall, 75 StGB zu C./ gestellten Hauptfrage unter Hinweis darauf, dass die medizinische Sachverständige Dr. Sch***** zwar ausgesagt habe, eine von ihr festgestellte Einblutung in der Bindehaut des Oberlids der Leiche des Heinz‑Peter E***** spreche für die von den ‑ einander gegenseitig der Ausführung bezichtigenden - Angeklagten behauptete Tötung durch Erdrosselung, darüber hinaus aber keine weiteren Aussagen machen und nicht ausschließen konnte, dass es auch Verletzungen an nicht untersuchten Körperteilen gegeben habe.

Eine prozessordnungsgemäße Fragenrüge hat ein die begehrte (hier: Eventual‑)Frage indizierendes Sachverhaltssubstrat zu nennen, wobei ein Sachverhalt, der nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung als ernst zu nehmendes Indiz von vornherein ausscheidet, für ihre Zulässigkeit nicht genügt (RIS‑Justiz RS0100860 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23).

Diesem Erfordernis entspricht die Beschwerde nicht, behauptet sie doch der Sache nach nur, dass die Sachverständige die Todesursache nicht nachweisen habe können, weist aber damit auf kein Verfahrensergebnis hin, das eine andere als die von den Angeklagten behauptete Todesursache und damit das Fehlen der Kausalität der in der Hauptfrage zu B./ bezeichneten Tathandlung für den Tod des Opfers indizieren würde.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*****:

Der Verfahrensrüge nach Z 5 zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines Gutachtens eines „kriminologischen Profilers, vorzugsweise Dr. Thomas M*****“ (ON 392 S 17 ff), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Antrag erfolgte zum Beweis dafür, dass Planung und Durchführung der Diebstähle einerseits und des Mordes andererseits nicht durch denselben Täter erfolgt sein können. Erstere Taten seien nämlich von einem „umsichtig planenden, vorausdenkenden, alle mögliche Zufälle berücksichtigenden Diebstahlstäter“ begangen worden, letztere Tat hingegen von einem „brutalen, vor nichts zurückschreckenden, aber in keiner Weise vorausdenkenden und planenden Täter“, sodass der hinsichtlich der Diebstähle geständige Beschwerdeführer nicht der Mörder gewesen sein könne. Mit der ‑ lediglich auf die Nichtentdeckung der widerrechtlichen, durch falsche, die Konten des Heinz‑Peter E***** betreffende Auszahlungsbelege verschleierten Bargeldentnahmen des Angeklagten aus der Kassa der D*****‑Bank während eines Zeitraums von eineinhalb Jahren gestützten, somit ‑ bloß spekulativen eigenständigen Wertung der Vorgänge zu A./1./a./ verabsäumt der Beschwerdeführer eine plausible Darlegung, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330), zumal er auch vernachlässigt, dass der von ihm der Ausführung des Mordes bezichtigte Angeklagte K***** wegen gleichartiger Taten zu A./1./b./, beide Angeklagte überdies der Beteiligung an Diebstählen des jeweils anderen (A./2./ und 3./) schuldig gesprochenen wurden, sodass nicht klar wird, warum aus der Nichtentdeckung der Geldentnahmen geschlossen werden könne, dass nicht er, sondern der Angeklagte K***** den Mord als unmittelbarer Täter begangen habe.

Die Kritik an der Abweisung des Antrags auf „Beischaffung der schriftlichen Aufzeichnungen bei der Firma W***** bzw dem Vermieter zu der Weitergabe der Telefonnummer des Herrn I***** anlässlich der Anmietung des Containers“ scheitert bereits daran, dass nicht dargetan wurde, warum solche Unterlagen ‑ ungeachtet der dazu vorliegenden negativen Verfahrensergebnisse (ON 390 S 61, ON 391 S 89) ‑ vorhanden seien und es sich daher um keine unmögliche (§ 55 Abs 2 erster Satz dritter Fall StPO) Beweisaufnahme (vgl ON 392 S 23) handeln soll.

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert die Formulierung der zu B./ gestellten Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes gemäß § 75 StGB als unzureichend iSd § 312 Abs 1 StPO, weil „weder der genaue Ort, noch die Uhrzeit, noch die Tatumstände, wie Herr E***** zu Tode gebracht wurde, angeführt“ seien. Mit dem bloßen Verweis auf EGMR‑Judikatur macht sie jedoch nicht klar, warum es zur Individualisierung der Tat, mit der die Gefahr ihrer neuerlichen Verfolgung und Verurteilung ausgeschaltet werden soll, und zu deren Konkretisierung, der durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts und deren Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof überhaupt erst ermöglichen (RIS‑Justiz RS0119082; Schindler, WK‑StPO § 312 Rz 24), Rechnung zu tragen ist, im vorliegenden Fall erforderlich sein soll, über die in der Hauptfrage angeführten Umstände („am 12. Februar 2014 in G***** Heinz‑Peter E***** vorsätzlich getötet, indem er ihn mit einem Seil erdrosselte“) hinaus weitere Tatdetails zu beschreiben (vgl RIS‑Justiz RS0100780 [T6]).

Soweit die Fragenrüge zu B./ die Stellung einer Eventualfrage in Richtung Versuchs (§ 314 Abs 1 erster Fall StPO) nach §§ 15, 75 StGB begehrt und dies ‑ wie die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** ‑ nur darauf stützt, dass die Sachverständige Dr. Sch***** die Todesursache nicht nachweisen konnte, gilt das zur Erledigung jenes Rechtsmittels Ausgeführte.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) fordert mit pauschalem Verweis auf „EGMR‑Judikatur“ der Sache nach die teleologische Reduktion dieses Nichtigkeitsgrundes durch Auslegung des Begriffs „erhebliche Bedenken“ in Richtung ‑ an der „Zweifelsregel (in dubio pro reo)“ orientierter (vgl aber RIS‑Justiz RS0102162) ‑ bloß einfacher Bedenken (vgl aber Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 488 ff) und weist auf eine Mehrzahl von Verfahrensergebnissen hin, die aus ihrer Sicht für die Ausführung des Mordes durch den Angeklagten K***** und gegen die Täterschaft des Beschwerdeführers zu B./ und D./1./ sprechen.

Da es nicht Aufgabe eines Höchstgerichts ist, die verfassungsmäßig den Laienrichtern vorbehaltene (Art 91 Abs 2 B‑VG) Beweiswürdigung an sich zu ziehen ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 492), liegt nach ständiger Rechtsprechung ‑ von der abzugehen auch bei verfassungskonformer Interpretation im Licht der Entscheidung des EGMR vom 16. 11. 2010 (GK), 926/05 Taxquet/Belgien, NL 2010, 350, kein Grund besteht (vgl dazu eingehend Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 11 und 18/2) ‑ Urteilsnichtigkeit aus Z 10a nur dann vor, wenn die Beschwerde (durch konkreten Verweis auf Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen) dartun kann, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 470, 490).

Mit aus Zeugenaussagen abgeleiteten Spekulationen über das Mordmotiv, über Kenntnisse des Angeklagten I***** betreffend für eine vollständige Entsorgung einer Leiche benötigte Materialien, über Fähigkeiten zum Zerteilen einer Leiche sowie mit der teils kommentarlosen, teils mit eigenständigen Beweiswerterwägungen kommentierten Auflistung von Details der Aussagen des Angeklagten K***** und des (wegen Störung der Totenruhe und Begünstigung) abgesondert verfolgten Thomas H***** vermag die Beschwerde ‑ die zudem zu D./1./ übersieht, dass sich der Angeklagte I***** zur Störung der Totenruhe durch Einbetonieren von Leichenteilen geständig verantwortet hat (ON 390 S 37) ‑ keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zu B./ und D./1./ festgestellten entscheidenden Tatsachen (wozu die ‑ nur aus Z 6, 8, 9 und 10 relevierbare - Beteiligungsform nach § 12 StGB im Übrigen nicht zählt; vgl Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 43) zu wecken.

Soweit der Nichtigkeitswerber auch die Aufhebung des den Angeklagten K***** betreffenden Schuldspruchs C./ begehrt und die Nichtbeantwortung der zu C./ gestellten Eventualfrage (9./) durch die Geschworenen als „korrekturbedürftig“ bekämpft, ist er dazu mangels Beschwer nicht legitimiert (vgl Ratz , WK‑StPO § 282 Rz 27).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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