European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00063.20K.0127.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts bestätigt, mit dem das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, das Befahren dreier im Eigentum der Klägerin stehender Grundstücke mit Kraftfahrzeugen zu unterlassen, abgewiesen wurde.
[2] Die Vorinstanzen folgten dem Einwand des Beklagten, er habe ein Fahrtrecht ersessen, und gingen davon aus, die Klägerin habe die sie treffende Beweislast für die Unredlichkeit des Beklagten bei der Ausübung des Fahrtrechts nicht erbracht.
[3] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob die vom Beklagten von 1989 bis 2004 an eine Wegeinteressentenschaft geleisteten Zahlungen eine Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen oder deren Rechtsvorgänger begründen könnten, die eine Ersitzung ausschließen würde.
Rechtliche Beurteilung
[4] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts (RS0114163) ist die Revision nicht zulässig, weil zu der aufgeworfenen Frage bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, mit der die Entscheidungen der Vorinstanzen in Einklang stehen.
[5] 1.1 Nach den Feststellungen hat der Beklagte, der seinen Hauptwohnsitz in Deutschland hat, seit dem Jahr 1987 zur Erreichung seiner Berghütte mit seinem PKW ausschließlich jenen Verbindungsweg benutzt, dessen eines Teilstück über die drei Grundstücke der Klägerin führt. Sowohl dem Rechtsvorgänger der Klägerin (deren Vater) als auch der Klägerin war bzw ist dies bekannt, ohne dass dem Beklagten das Befahren bis Sommer 2019 untersagt worden war. Die Vorinstanzen gelangten zu dem Ergebnis, bis dahin habe der Beklagte davon ausgehen können, dass er das über die Grundstücke der Klägerin führende Teilstück des Weges berechtigterweise benutzen durfte.
[6] 1.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Ersitzung einer inhaltsgleichen Servitut bei Ausübung eines schuldrechtlichen Gebrauchsrechts ausgeschlossen. Nur wenn keine die dauerhafte Nutzung rechtfertigende Vereinbarung mit dem Grundeigentümer besteht oder zumindest deren Zustandekommen und/oder deren Inhalt nicht bewiesen werden kann, kommt ein Dienstbarkeitserwerb nach den allgemeinen Grundsätzen der Ersitzung in Betracht (1 Ob 129/16a). Liegt eine Vereinbarung mit dem Grundeigentümer vor, fehlt in der Regel die Redlichkeit des Besitzes deshalb, weil sich derjenige, dem aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine Sache oder ein Recht überlassen wurde, aufgrund der getroffenen Vereinbarung aus wahrscheinlichen Gründen nicht für den Berechtigten halten kann (RS0034095).
[7] 2.1 Die Frage, ob das Sachvorbringen der Klägerin so weit spezifiziert ist bzw ausreicht, um ihren Standpunkt begründen zu können, diese Rechtsprechung stehe auch im vorliegenden Fall der Annahme einer Ersitzung entgegen, kann nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (RS0042828). Ob ein die Ersitzung einer Dienstbarkeit hindernder Nutzungsvertrag zustande gekommen ist, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Ergebnis erzielt wurde (RS0042936 [T9]).
[8] 2.2 Die Klägerin hat im Verfahren erster Instanz nicht behauptet, dass sie oder ihr Vater und der Beklagte jemals die übereinstimmende Absicht gehabt hätten, eine Vereinbarung über das Recht zum (dauerhaften) Überfahren ihrer Grundstücke zu treffen. Vielmehr hat sie dies ausdrücklich bestritten, indem sie den Standpunkt eingenommen hat, der Beklagte habe den Weg heimlich befahren.
[9] 2.3 Zu der für den Verbindungsweg bestehenden – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts darstellende – „Wegeinteressentenschaft“ (siehe dazu RS0022256) brachte die Klägerin vor, diese Wegeinteressentenschaft stelle lediglich eine (interne) Vereinbarung zwischen verschiedenen Grundeigentümern über die Errichtung und Erhaltung dieses Weges dar, ohne dass einer der Beteiligten für einen anderen ein Fahrtrecht einräumen bzw ein solches gewähren habe können (AS 65). Davon, dass der Kassier der Interessentenschaft von sich aus an den Beklagten herangetreten und diesem von 1988 bis 2004 jährlich ein Entgelt vorgeschrieben und der Beklagte dieses bezahlt habe, sei sie nicht in Kenntnis gewesen.
[10] 3.1 Auf dieser Grundlage stellt die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe kein konkretes Sachvorbringen erstattet, das den Abschluss einer bestimmten Nutzungsvereinbarung oder ein Vollmachtshandeln des Kassiers der Wegeinteressentenschaft begründen könnte, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.
[11] 3.2 Dem Standpunkt der Klägerin, allein schon die Tatsache der Bezahlung der vom Kassier der Wegeinteressentenschaft von 1989 bis 2004 eingeforderten (pauschalen) Jahresbeiträge schließe eine Ersitzung aus, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, daraus sei auch keine konkludente Zustimmung zu einer (Einzel‑)Vereinbarung mit der Klägerin abzuleiten, weil die Zahlungen nur die Bereitschaft des Beklagten zum Ausdruck bringen würden, als Nutzer der (gesamten) Wegeanlage etwas zu deren Erhaltung beizutragen. Da die Beurteilung stillschweigender Erklärungen im Sinn des § 863 ABGB regelmäßig einzelfallbezogen ist (RS0109021), wird auch mit dem Revisionsvorbringen, richtigerweise handle es sich doch um Entgelt für die Wegenutzung (der Klägerin), weil die Höhe von Instandhaltungskosten erfahrungsgemäß von Jahr zu Jahr je nach Notwendigkeit der Erhaltungsarbeiten variieren, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt.
[12] 4. Auf dieser Grundlage begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht davon ausging, die Rechtsprechung, die rechtsgeschäftliche Überlassung der Gewahrsame schließe eine Ersitzung aus (RS0034095), sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
[13] 5. Ob der Beklagte im Hinblick auf die von ihm geleisteten Zahlungen an die Wegeinteressentenschaft an der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Fahrtrechts gegenüber der Klägerin zweifeln hätte müssen, wird in der Revision nicht thematisiert. Im Übrigen könnte auch die Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Fall die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation des Verhaltens des Besitzers als redlich oder unredlich fordern, ebenfalls nur einzelfallbezogen erfolgen (RS0010185 [T7]).
[14] Da schon weder das Berufungsgericht im nachträglichen Zulassungsausspruch eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, noch dies der Revisionswerberin mit ihren Revisionsausführungen gelingt, ist die Revision zurückzuweisen.
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
[16] Der Beklagte hat in seiner Revisionbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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