OGH 3Ob206/20w

OGH3Ob206/20w20.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A*****, geboren am ***** 2008, Mutter R*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, Vater A*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, wegen Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 1. Oktober 2020, GZ 3 R 188/20z‑149, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00206.20W.0120.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der erziehungsberechtigte Elternteil ist verpflichtet, einer unberechtigten Ablehnung des persönlichen Kontakts zum anderen Elternteil durch das Kind entgegenzuwirken (RIS‑Justiz R S0047942) . Daraus folgt die Verpflichtung des obsorgeberechtigten Elternteils dem Kind gegenüber, es unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf die Besuche beim nicht obsorgeberechtigten Elternteil vorzubereiten und die Kontakte mit diesem sodann unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten (R S0047942 [ T7]). Anderes gilt nur, wenn dies dem obsorgeberechtigten Elternteil aus nachvollziehbaren, vom anderen Elternteil zu verantwortenden Gründen nicht möglich ist (R S0047942 [ T8]).

[2] 2.1. Gemäß § 110 Abs 2 AußStrG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen auch im Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Rechts auf persönlichen Kontakt angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen. Der mit einem Kontaktrechtstitel Belastete muss über die Abstandnahme von einer negativen Beeinflussung des Kindes hinaus alles ihm Zumutbare unternehmen, um in aktiver Weise dem daraus Berechtigten den persönlichen Verkehr mit dem Kind selbst gegen dessen Willen zu ermöglichen (RS0007336). In der Regel kommt der Frage, ob im Einzelfall eine Zwangsmaßnahme zu verhängen ist, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0008614 [T4]).

[3] 2.2. Nach den Feststellungen wurde der beim Minderjährigen bestehende Loyalitätskonflikt, aufgrund dessen dieser sich wiederholt geweigert hat, die festgelegten Besuchskontakte zum Vater wahrzunehmen, überwiegend durch die negative Haltung der Mutter gegenüber dem Vater und durch entsprechende Beeinflussung des Kindes herbeigeführt. Die Mutter hat das Kind entweder negativ in diesem Loyalitätskonflikt bestätigt oder zu wenig getan, um diesen aufzuweichen. Ausgehend davon begründet aber die Verhängung einer – der Höhe nach unbeanstandet gebliebenen – Beugestrafe von 500 EUR über die Mutter keine erhebliche Rechtsfrage.

[4] 3. Grundsätzlich kann auch im Pflegschaftsverfahren ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz [hier: die unterbliebene Anhörung der Mutter vor Verhängung der Beugestrafe; vgl dazu auch RS0122436] keinen Revisionsrekursgrund bilden, sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nicht aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist (RS0050037 [T4]). Die Voraussetzungen für eine derartige Ausnahme liegen hier nicht vor.

Stichworte