OGH 6Ob204/20y

OGH6Ob204/20y22.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei F*****, vertreten durch Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei r***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Abgabe einer Willenserklärung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 11. August 2020, GZ 3 R 99/20h‑42, mit dem der Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Juni 2020, GZ 29 Cg 27/20v‑31, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00204.20Y.1022.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend den Provisorialantrag des Klägers mit der Begründung ab, dieser habe eine Gefährdung seines Anspruchs nicht ausreichend bescheinigt; diese Abweisung ist in Rechtskraft erwachsen. Darüber hinaus wies das Rekursgericht den Rekurs der Beklagten, mit dem diese eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts dahin anstrebte, dass das Sicherungsbegehren des Klägers „infolge unzulässiger Klagsänderung“, in eventu „insbesondere mangels Kongruenz zum Hauptbegehren“ als unzulässig zurückgewiesen werde, zurück.

Mit ihrem – mit dem Rekurs weitestgehend wortidenten – außerordentlichen Revisionsrekurs strebt die Beklagte wiederum dieselbe Entscheidung an wie bereits mit ihrem Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterscheidet bei der Beschwer die formelle Beschwer, welche dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, und die materielle Beschwer. Diese liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird, diese also für ihn ungünstig ausfällt. Die formelle Beschwer reicht nicht immer aus. Widerspricht die angefochtene Entscheidung dem vom Rechtsmittelwerber in der Vorinstanz gestellten Antrag, dann ist, wenn die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung nicht beeinträchtigt wird, sein Rechtsmittel dennoch zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041868). Kosteninteressen begründen dabei keine Beschwer; die Kostenfrage tritt gegenüber dem Hauptanspruch in den Hintergrund (RS0039313 [T4]). Darüber hinaus entspricht es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sich der Rechtsmittelwerber durch den formell seinen Rekurs zurückweisenden Spruchteil nicht beschwert erachten kann, wenn das Rekursgericht umfangreich begründete, warum es den Rekurs für inhaltlich nicht berechtigt hält (6 Ob 144/05b; 6 Ob 125/05h).

Im vorliegenden Fall hat nicht nur das Rekursgericht sich ausführlich mit der im Rekurs aufgeworfenen Frage der Zulässigkeit eines Provisorialantrags bei Klagsänderung auseinandergesetzt und diese Frage bejaht, sondern stützt sich die Beklagte in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs weitgehend auf „prozessökonomische Überlegungen“ und den Umstand, dass eine andere Vorgehensweise des Erstgerichts (vorrangige Entscheidung über die [angebliche] Unzulässigkeit der Klagsänderung) „weniger Aufwand und weniger Prozesskosten verursacht“ hätte. Der Beklagten fehlt es somit im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung (auch) im Revisionsrekursverfahren an einer materiellen Beschwer.

Dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Beschwer auch in einem prozessualen Nachteil gelegen sein kann, etwa wenn eine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs oder wegen entschiedener Streitsache zurück‑ statt als unbegründet abgewiesen wurde (RS0041758), ändert an diesem Ergebnis nichts, ist doch nach der Entscheidung 4 Ob 151/17k durch die Zurückweisung (statt richtig der Abweisung) eines Rechtsschutzantrags des Prozessgegners die andere Partei regelmäßig nur dann beschwert, wenn sie dadurch einer neuerlichen Geltendmachung des Anspruchs ausgesetzt wäre. Dies gilt aber erst recht für den umgekehrten Fall der Abweisung eines Rechtsschutzantrags (hier: des Sicherungsbegehrens) statt – wie die Beklagte meint – dessen Zurückweisung.

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