European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129876
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien deren mit jeweils 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin ist zu 69/1212 Anteilen Miteigentümerin einer Liegenschaft. Mit ihren Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung W 3 verbunden, der als Zubehör-Wohnungseigentum ein Gartenteil vorgelagert ist. Die Beklagten sind ebenfalls Miteigentümerinnen dieser Liegenschaft. Mit den Anteilen der Erstbeklagten ist Wohnungseigentum an der im Erdgeschoß des Hauses gelegenen Wohnung W 4 und jenen der Zweitbeklagten an der ebenfalls im Parterre gelegenen Wohnung W 5 verbunden. Beiden Wohnungen sind Hausgärten als Zubehör gemäß § 2 Abs 3 WEG vorgelagert.
Zur Bewässerung der Gärten wurde über Initiative derRechtsvorgänger sowohl der Klägerin als auch der Beklagten im Jahr 1993 ein etwa 30 m langer und 5 cm dicker Gartenschlauch als Teil eines Bewässerungssystems verlegt, der zunächst über eine ca 5 m lange Strecke unterirdisch zum Zaun der Klägerin führt, dann überirdisch und parallel zu der ihren Eigengarten begrenzenden Hecke über diese Gartenfläche und anschließend wieder unterirdisch zu den Gärten der Beklagten verläuft. Ursprünglich war auch das Teilstück über den Gartenanteil der Klägerin unterirdisch verlegt, trat aber zu Tage, als ein Teil des Erdreichs weggeschwemmt worden war. Deshalb sah die Klägerin den Bewässerungsschlauch erstmals im Jahr 2011. Gut sichtbar ist er, seit im Jahr 2015 die Hecke, die als Gartenbegrenzung diente, entfernt worden war.
Die Klägerin begehrte – zusammengefasst – von den Beklagten die Beseitigung des Gartenschlauchs und die Unterlassung der Nutzung der Schlauchkonstruktion über ihren Gartenanteil.
Das Berufungsgericht bestätigte das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts. Ein Wohnungseigentümer könne Dritten (auch anderen Wohnungseigentümern) ausdrücklich oder auch konkludent (Mit-)Benützungsrechte an seinem Wohnungseigentumsobjekt oder sonst seiner ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Flächen einräumen. Da die Klägerin jedenfalls seit dem Jahr 2011 in Kenntnis des Wasserschlauchs gewesen sei und die Nutzung ihres Gartenanteils (für die gemeinsame Bewässerungsanlage) über rund 7 Jahre widerspruchslos geduldet habe, sei von einer konkludenten Einräumung eines solchen Mitbenützungsrechts auszugehen. Die Revision erklärte es über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO für zulässig, weil es sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 84/15m berufen habe, die in der Literatur besprochen worden sei, und zu der dabei vertretenen Ansicht, die Zustellung der Unterlassungsklage könne eine – konkludente – Aufkündigung einer solchen Vereinbarung darstellen, höchstgerichtliche Judikatur fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.1 Das ausschließliche Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers erstreckt sich auch auf das Zubehör‑Wohnungseigentum nach § 2 Abs 3 WEG 2002 (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht3 § 2 WEG Rz 25 mwN).
1.2 Nach gesicherter Rechtsprechung kann die Negatorienklage nach § 523 ABGB von einem Miteigentümer (Wohnungseigentümer) nicht nur gegen Dritte sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) erhoben werden (RIS‑Justiz RS0012137). Mit ihr kann jeder unberechtigte Eingriff in das Eigentumsrecht und damit auch in das ausschließliche Nutzungsrecht abgewehrt werden.
1.3 In der Entscheidung zu 5 Ob 84/15m hat der Oberste Gerichtshof unter Verweis auf Vorjudikatur (5 Ob 71/09s; zu Dienstbarkeiten vgl RS0106354; RS0082754) ausgesprochen, dass das ausschließliche Nutzungsrecht eines Wohnungseigentümers auch die Befugnis umfasse, einem Dritten oder einem anderen Wohnungseigentümer an seinem Wohnungseigentumsobjekt (Mitbenützungs‑)Rechte einzuräumen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann die Einräumung solcher Rechte auch konkludent erfolgen (5 Ob 84/15m; insoweit zustimmend Böhm, immolex 2015/86).
2.1 Die Klägerin wendet sich im Revisionsverfahren ausdrücklich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sie der Benützung der ihr zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Gartenfläche zur Verlegung des Bewässerungsschlauchs (konkludent) zugestimmt habe, sondern vermisst unter Bezugnahme auf die Glosse von Böhm zur Entscheidung 5 Ob 84/15m (immolex 2015/86) eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Rechtsnatur eines solchen Nutzungsrechts. Es könne allenfalls als jederzeit widerrufliches oder kündbares Recht angesehen werden. Als unentgeltliches Gebrauchsüberlassungsverhältnis genieße es keinen Kündigungsschutz, weswegen allein die Zustellung der Klage eine (konkludente) Aufkündigung darstelle. Eines Vorbringens dazu habe es nicht bedurft, „da es als Ausfluss des Unterlassungsbegehrens anzusehen sei“.
2.2 Mit der von der Klägerin erhobenen Eigentumsfreiheitsklage kann gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht vorgegangen werden (RS0012040; RS0010388). Sie setzt verbotene bzw unerlaubte Eigenmacht des Störers voraus (RS0012112; RS0083156). Die aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Unterlassungsklage beinhaltet damit neben der Berufung auf das Eigentum die Geltendmachung einer bereits erfolgten (oder unmittelbar drohenden) – eigenmächtigen – Störung. Anders als etwa die von Böhm in seiner Glosse zu 5 Ob 84/15m (aaO) als Vergleich herangezogene Räumungsklage, ist sie nichtauf die Durchsetzung des durch die bereits erfolgte oder in der Klage erklärte Auflösung des Rechtsverhältnisses entstandenen Räumungsanspruchs gegen den Bestandnehmer gerichtet (vgl dazu RS0020969; Höllwerth in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 1118 Rz 32), sondern beruht – hat sie wie im vorliegenden Fall eine bereits erfolgte Störung zum Gegenstand – gerade darauf, dass der Beklagte kein Recht für den vorgeworfenen Eingriff in Anspruch nehmen kann, was jedenfalls auch inkludiert, dass ein den Eingriff rechtfertigendes Rechtsverhältnis nicht besteht. Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht vorgebracht. Schon deshalb scheitert die von ihr angestrebte Deutung, in der Zustellung der Klage selbst liege die (konkludente) Auflösung eines Rechtsverhältnisses.
2.3 Eine Einschränkung des Eigentums kann insofern gegeben sein, als der Eigentümer seine Rechte durch Vertrag (teilweise) aufgegeben hat (RS0010392). Für das Bestehen einer solchen Vereinbarung sowie den Umfang der Gebrauchsüberlassung trifft den Beklagten die Beweislast (RS0010392; RS0012186; Eccher/Riss in KBB6 § 354 Rz 2). Die Beklagten haben dem Unterlassungsbegehren der Klägerin entgegengehalten, dass sie zur Nutzung von deren Gartengrundstück in der dargestellten Weise berechtigt seien und damit die Eigenmacht ihres Handelns in Abrede gestellt. Prozessual ist die gerichtliche Entscheidung aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz zu fällen (4 Ob 18/20f = RS0133090). Dieser Zeitpunkt ist auch für die Beurteilung der Voraussetzungen für die Berechtigung einer Eigentumsfreiheitsklage, wie sie die Klägerin erhoben hat, maßgeblich.
2.4 Nach den Feststellungen – und von ihr auch nicht mehr bestritten – ist für den zur Beurteilung ihres Anspruchs maßgeblichen Zeitpunkt (§ 406 ZPO) davon auszugehen, dass die Klägerin dem (seit dem Jahr 1993) bestehenden Zustand (konkludent) zugestimmt und damit ihr Einverständnis zur Gebrauchsüberlassung des für das verlegte Bewässerungssystem erforderlichen Teils des ihr zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Gartens erteilt hatte. Damit haben die Beklagten aber nachgewiesen, dass sie nicht eigenmächtig gehandelt haben, sodass sich eine Auseinandersetzung mit der in der Revision relevierten Frage nach der Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses erübrigt. Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu berufen, bloß theoretisch zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen (RS0102059 [T8; T18]). Auf eine prekaristische Gebrauchsüberlassung, die sie widerrufen habe, hat sich die dafür behauptungs‑ und beweispflichtige Klägerin (RS0019200, RS0020518 [T2; T3]) weder in ihrer Klage noch sonst im Verfahren erster Instanz berufen; soweit sie eine solche der Sache nach erstmals in ihrer Revision geltend macht, liegt ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot gemäß § 504 Abs 2 ZPO vor.
3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben in ihren Revisionsbeantwortungen darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Klägerin nicht zulässig ist, weswegen die darauf entfallenden Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren und ihnen zu ersetzen sind. Die Voraussetzungen des § 15 RATG für einen Streitgenossenzuschlag liegen jedoch nicht vor, weil jede Beklagte nur einem Verfahrensgegner gegenübersteht, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat.
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