OGH 3Nc20/20a

OGH3Nc20/20a23.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragsteller 1. I*, 2. P*, beide vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen den Antragsgegner M*, wegen Exekutionsführung nach § 355 EO, infolge Antrags gemäß § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129460

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN für die beabsichtigte Unterlassungsexekution wird abgelehnt.

 

Begründung:

[1] Der Antragsgegner mit Wohnsitz in Deutschland hat aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteils des Bezirksgerichts Salzburg vom 26. Februar 2020 jede Kontaktaufnahme mit den in Österreich wohnhaften Antragstellern, insbesondere in schriftlicher, telefonischer und persönlichen Form, sowie jede weitere derartige Handlung zu unterlassen.

[2] Die Antragsteller begehren die Bestimmung eines österreichischen Exekutionsgerichts im Wege der Ordination. Der Antragsgegner verstoße laufend gegen das Unterlassungsgebot, zuletzt durch zwei SMS vom 21. und 22. August 2020. Sie beabsichtigen daher, einen Exekutionsantrag gemäß § 355 EO einzubringen. Eine Exekutionsführung in Deutschland sei jedoch unzumutbar iSd § 28 Abs 1 Z 2 JN, weil die Rechtsverfolgung in Deutschland die in Österreich nicht bekannte Auferlegung eines Zwangsgeldes durch das Titelgericht voraussetze.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN liegen (derzeit) nicht vor.

[4] 1. Als Rechtsgrundlage für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts kommt im vorliegenden Fall nur § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht. Demnach ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 29/19y mwN).

[5] 2. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen, was auch für Exekutionssachen gilt (RIS‑Justiz RS0124087).

[6] 3. Gemäß § 890 dZPO setzt die Durchsetzung einer Unterlassungspflicht durch Verhängung eines Ordnungsgeldes eine entsprechende Androhung im Titel voraus, die bei deren Fehlen nach Abs 2 leg cit auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu erlassen ist.

[7] 4.1. Zu 3 Nc 4/04z wurde einem Ordinationsantrag zur zwangsweisen Durchsetzung eines österreichischen Unterlassungstitels gegen eine Verpflichtete mit Sitz in Deutschland wegen Unmöglichkeit der Exekutionsführung in Deutschland stattgegeben. Dem lag zugrunde, dass die Vollstreckbarkeit des inländischen Unterlassungstitels in Deutschland noch nach den Bestimmungen des EuGVÜ zu beurteilen war und der dortige Antragsteller die Unmöglichkeit der Exekutionsführung in Deutschland durch Vorlage einer Entscheidung des zuständigen deutschen Gerichts bescheinigt hatte, womit der – auf ein Zuwiderhandeln gegen das Unterlassungsgebot gegründete – Antrag auf Auferlegung eines Ordnungsgeldes gegen die Titelschuldnerin mit der Begründung zurückgewiesen worden war, dass über diesen Antrag das (österreichische) Titelgericht entscheiden müsste und erst nach einer solchen Entscheidung eine Vollstreckung in Deutschland in Betracht komme.

[8] 4.2. Zu 3 Nc 27/05h wurde – über Antrag derselben Antragstellerin wie jener zu 3 Nc 4/04z – einem (weiteren) Ordinationsantrag für eine Exekutionsführung nach § 355 EO gegen die deutsche Titelschuldnerin unter Verweis auf die zu 3 Nc 4/04z erfolgte Bescheinigung der Unmöglichkeit der Vollstreckung eines österreichischen Unterlassungstitels in Deutschland stattgegeben.

[9] 4.3. Der Entscheidung 4 Nc 7/06a, mit der in Stattgebung eines Ordinationsantrags ein österreichisches Gericht für die Bewilligung und Vollziehung der beabsichtigen Unterlassungsexekution aufgrund einer inländischen einstweiligen Verfügung gegen die in Deutschland ansässige Titelschuldnerin bestimmt wurde, lag ebenfalls der Sachverhalt zugrunde, dass das zuständige deutsche Gericht den Antrag auf Bewilligung der Vollstreckung und Verhängung einer Geldstrafe bereits mit der Begründung zurückgewiesen hatte, die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien sei kein zulässiger Vollstreckungstitel nach deutschem Recht.

[10] 4.4. Hingegen wurde zu 3 Nc 9/10v ein Ordinationsantrag zwecks Führung einer Unterlassungsexekution gegen eine deutsche Verpflichtete mit der Begründung abgewiesen, dass der Inhalt der zur Bescheinigung der Unzumutbarkeit einer Exekutionsführung in Deutschland vorgelegten E-Mail-Auskunft einer deutschen Rechtsanwältin nicht ausreichend sei, zumal die Betreibende gar nicht behauptet habe, dass sie die Durchsetzung ihres titulierten Anspruchs in Deutschland erfolglos versucht hätte oder dies nach bisheriger Rechtsprechung deutscher Gerichte zu erwarten wäre.

[11] 5. Seit Fassung des Ordinationsbeschlusses zu 3 Nc 4/04z hat sich die maßgebliche Rechtslage insofern entscheidend geändert, als nunmehr im Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland nicht mehr das EuGVÜ, sondern die EuGVVO (neu) maßgeblich ist.

[12] 5.1. Enthält eine Entscheidung eine Maßnahme oder Anordnung, die im Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht bekannt ist, so ist diese Maßnahme oder Anordnung gemäß Art 54 Abs 1 EuGVVO (neu) soweit möglich an eine im Recht dieses Mitgliedstaats bekannte Maßnahme oder Anordnung anzupassen, mit der vergleichbare Wirkungen verbunden sind und die ähnliche Ziele und Interessen verfolgt.

[13] 5.2. Dazu wird vertreten, dass aufgrund dieser Bestimmung ein Unterlassungstitel, der – wie hier im Einklang mit der österreichischen Rechtslage – keine Anordnung eines Ordnungsgeldes iSd § 890 dZPO enthält, in analoger Anwendung des Art 54 EuGVVO vom deutschen Gericht entsprechend angepasst (konkretisiert) werden müsste (Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR I4 Art 54 EuGVVO Rz 5; ähnlich Geimer in Zöller, ZPO33 Art 54 EuGVVO Rz 1).

[14] 6. Im Übrigen wird im deutschen Schrifttum auch vertreten, dass in einem Fall wie dem hier vorliegenden in analoger Anwendung der §§ 1114 f dZPO das Vollstreckungsgericht am Vollstreckungsort für die in § 890 Abs 2 dZPO vorgesehene Ergänzung des Unterlassungstitels um die Androhung eines Ordnungsgeldes zuständig sei (vgl Geimer in Zöller, ZPO33 Art 41 EuGVVO Rz 15; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht8 Rz 3196h;E. Peiffer/M. Peiffer in Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art 41 EuGVVO Rz 8; Hess in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht4 Art 55 EuGVVO Rz 12).

[15] 7. Vor diesem Hintergrund kann aber die Rechtsprechungslinie des erkennenden Senats, wonach – wie sich insbesondere aus den Entscheidungen 3 Nc 4/04z und 3 Nc 27/05h ergebe – die Unzumutbarkeit (Unmöglichkeit) einer Unterlassungsexekution in Deutschland aufgrund eines österreichischen Titels generell bescheinigt sei (so insbesondere 3 Nc 8/11y, 3 Nc 7/12b, 3 Nc 11/12s, 3 Nc 11/15w, 3 Nc 10/16z, 3 Nc 21/17v, 3 Nc 25/17g), nicht aufrecht erhalten werden.

[16] 8. Eine Stattgebung des Ordinationsantrags setzt also in einem Fall wie dem hier vorliegenden voraus, dass die Antragsteller – etwa durch Vorlage einer entsprechenden abweislichen Entscheidung des zuständigen deutschen Gerichts – bescheinigen, dass ihnen im konkreten Fall eine Exekutionsführung in Deutschland tatsächlich unmöglich ist (vgl 3 Nc 22/17s).

[17] 9. Da eine solche Bescheinigung (bisher) nicht vorliegt, ist der Ordinationsantrag abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte