OGH 11Os79/20g

OGH11Os79/20g10.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Hubert O***** und Roswitha O***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. Mai 2020, GZ 15 Hv 51/19d‑48, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00079.20G.0910.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem – auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden – angefochtenen Urteil wurden Hubert O***** (zu III 1) und Roswitha O***** (zu III 2) jeweils mehrerer Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB, Ersterer darüber hinaus (zu I 2) des Vergehens der Körperverletzung „unter Ausnützung einer Amtsstellung nach §§ 83 Abs 1, 313 StGB“ (siehe aber RIS-Justiz RS0111831) schuldig erkannt.

Danach haben

(I 2) Hubert O***** am 8. Juli 2018 in N***** Wisam A***** am Körper verletzt, indem er ihm mehrere Schläge versetzte, wodurch dieser eine Gehirnerschütterung sowie oberflächliche Hautabschürfungen an drei Fingern der rechten Hand und am rechten Knie erlitt, „wobei er die Handlung unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit, nämlich seiner Tätigkeit als Polizeibeamter im Dienst vornahm“, sowie

(III) am 2. August 2018 in E*****

(1) Hubert O***** und

(2) Roswitha O***** jeweils

Esmaiel D***** und Gholam J***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie sie von Amts wegen zu verfolgender, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohter Handlungen, nämlich jeweils eines Vergehens der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (vgl US 15), falsch verdächtigten, obwohl sie wussten (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch sind, indem sie in ihrer polizeilichen Vernehmung als Beschuldigte angaben, die Genannten hätten den Polizeibeamten Hubert O*****, nachdem sich dieser vor der vom Schuldspruch I 2 umfassten Tat in den Dienst gestellt hatte (US 8, 15; vgl § 1 Abs 3 Richtlinien-Verordnung), mit Fäusten geschlagen und mit Füßen getreten.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 10a StPO gestützten (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Hubert O***** und Roswitha O*****.

 

Ihre Kritik an die Schuldsprüche III tragenden Feststellungen erschöpft sich darin, von den Tatrichtern erwogene (US 34 bis 47) Beweisergebnisse einer eigenständigen Bewertung zu unterziehen und daraus von jenen des Schöffengerichts abweichende Schlussfolgerungen einzufordern. Damit werden weder Begründungs- (Z 5) noch Tatsachenmängel (Z 5a) aufgezeigt; vielmehr wird bloß die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft. Hinzugefügt sei, dass es – entgegen der Beschwerdeauffassung – keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall; dazu RIS‑Justiz RS0118316 [T1]) darstellt, wenn neben vom Erstgericht gezogenen Schlüssen auch andere denkbar sind (vgl RIS‑Justiz RS0098362), und eine Urteilsfeststellung nicht deshalb aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) ist, weil sie einem Beweismittel widerspricht ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 468).

Welcher Konstatierungen „zur subjektiven Tatseite“ es – über die ohnedies getroffenen (US 15 f) hinaus – noch bedurft haben sollte, um die Schuldsprüche III zu tragen, machen die Beschwerden (nominell Z 5, inhaltlich Z 9 lit a) nicht deutlich (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

Das weitere Vorbringen (nominell Z 10, inhaltlich Z 9 lit a) argumentiert, die angedichteten (III) Verhaltensweisen seien nicht als nach § 84 Abs 2 StGB qualifizierte Körperverletzungen, sondern als „Raufhandel“ zu beurteilen, der jedoch – wenn er (wie hier) keine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) eines anderen verursacht habe – auch nach § 91 Abs 1 StGB nicht mit Strafe bedroht sei. Indem es solcherart nicht vom (gesamten) festgestellten Sachverhalt (US 15 f) ausgeht, verfehlt es die prozessförmige Darstellung des herangezogenen (materiell‑rechtlichen) Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099810).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823).

Mit der Behauptung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) versäumen es die Beschwerdeführer, sich mit dem vom Erstgericht jeweils zu Recht angenommenen Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB (US 52) auseinanderzusetzen. Weshalb ein spezialpräventives Diversionshindernis (§ 198 Abs 1 StPO) nicht bestehen sollte, obwohl sie für die von den Schuldsprüchen III umfassten Taten keinerlei Verantwortung übernahmen (US 16; RIS‑Justiz RS0116299, RS0126734), wird ebenso wenig erklärt.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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