OGH 5Ob125/20y

OGH5Ob125/20y2.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. I*, 2. W*, beide vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 1. April 2020, GZ 2 R 224/19x‑25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 27. September 2019, GZ 43 C 165/19x‑21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129576

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 917,01 EUR (darin enthalten 152,83 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Darauf befinden sich KFZ‑Abstellplätze im Freien, von denen insgesamt 11 überdacht sind. Die Klägerin begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, die widmungswidrige und die Benutzung durch andere Wohnungseigentümer ausschließende Verwendung von im Einzelnen bezeichneten und mit einer Überdachung versehenen Stellplätzen (Carports) zu unterlassen. Die Beklagten hielten dem Begehren eine vor der dem Inkrafttreten des WEG 2002 konkludent zustande gekommene Nutzungsvereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer entgegen, die sie zur ausschließlichen Nutzung der in der Klage bezeichneten Stellplätze berechtige.

Das Berufungsgericht bestätigte das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts und bewertete den Entscheidungsgegenstand insgesamt mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend. Es ließ die Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob und inwieweit eine vor Inkrafttreten des § 17 WEG 2002 „nur schlüssig zustandegekommene Benützungsregelung hinsichtlich allgemeiner Teile der Liegenschaft weitergelten kann, wenn auch eine Zuweisung an außenstehende, nicht zur betreffenden Wohnungseigentümerschaft gehörende Personen erfolgt war“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig, was kurz zu begründen ist.

1.1 Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung ausdrücklich als unstrittig zugrunde gelegt, dass einige der in Rede stehenden Abstellplätze (nicht aber die von den Beklagten genutzten) von Nutzern in Anspruch genommen werden, die Mit- und Wohnungseigentümer der angrenzenden Liegenschaft sind. Warum das zweitinstanzliche Verfahren mangelhaft sein soll, weil das Berufungsgericht dazu keine ausdrückliche Feststellung traf, ist nicht nachvollziehbar. Auch sonst liegt kein Verfahrensmangel vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.2 Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Beklagten aufgrund einer vor dem Inkrafttreten des WEG 2002 zustande gekommenen Vereinbarung zur ausschließlichen Nutzung der von der Klägerin bezeichneten Abstellflächen berechtigt sind. Ohne Bedeutung ist es demgegenüber, welchen Rechtsgrund jene Nutzer von Abstellplätzen für sich in Anspruch nehmen können, die nicht Mitglieder der Miteigentümergemeinschaft sind. Dass eine Benützungsvereinbarung auf die Teilhaber einer gemeinsamen Sache beschränkt ist, ergibt sich schon aus allgemeinen Grundsätzen (§§ 825 ff ABGB). Eine Vereinbarung zur Nutzung von Abstellplätzen mit Dritten, welcher Rechtsnatur auch immer sie sein mag, hat aber ebensowenig Einfluss auf die Gültigkeit einer Benützungsvereinbarung, wie selbst eine titellose Nutzung der Stellplätze durch diese. Damit kommt es auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage und die darauf Bezug nehmenden Ausführungen der Revisionswerberin nicht an, die auch sonst keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen kann:

2.1 Vor Inkrafttreten des WEG 2002 konnten Benützungsvereinbarungen aller Wohnungseigentümer sowohl mündlich, als auch konkludent durch jahrelange Beibehaltung einer bestimmten Nutzungsart geschlossen werden (RIS‑Justiz RS0013638). Nunmehr sieht § 17 Abs 1 WEG 2002 für die Benützungsvereinbarung über verfügbare allgemeine Teile der Liegenschaft die Schriftlichkeit vor. Das bedeutet aber nicht, dass vor dem 1. 7. 2002 zulässigerweise mündlich oder konkludent abgeschlossene Benützungsvereinbarungen ihre Wirksamkeit verloren hätten (5 Ob 106/03d; 5 Ob 246/18i). Auch die Übergangsregelung des § 56 Abs 3 WEG 2002 hat die nach der alten Rechtslage wirksam zustande gekommenen Benützungsvereinbarungen nicht beseitigt (9 Ob 47/11v; 5 Ob 246/18i; vgl auch Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 56 WEG Rz 55 mwN).

2.2 Zur Frage der Wirksamkeit einer vor Inkrafttreten des WEG 2002 am 1. 7. 2002 mündlich oder auch nur konkludent abgeschlossenen Nutzungsvereinbarung und deren Übergang auf Rechtsnachfolger liegt bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Das mit dem WEG 2002 eingeführte Schriftlichkeitsgebot des § 17 Abs 1 WEG berührt zwar den nach dem 30. 6. 2002 im Weg der Einzelrechtsnachfolge neu hinzutretenden Mit- und Wohnungseigentümer. Die Vereinbarung bleibt aber wirksam, wenn der Rechtsnachfolger, der seine Anteile nach diesem Zeitpunkt erwarb, mit schriftlichem Vertrag in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat oder der von seinem Vorgänger (konkludent) übernommenen Verpflichtung schriftlich beitrat. Erst wenn feststeht, dass der Erwerber einen formgerechten Beitritt zu einer solchen Vereinbarung ablehnt, fällt die Wirksamkeit der Vereinbarung für alle Beteiligten weg (5 Ob 205/14d; 5 Ob 246/18i ua; VonkilchaaO § 56 WEG Rz 55 f). Die schriftliche Vereinbarung, einen Miteigentumsanteil mit allen Rechten und Pflichten, mit welchen ihn sein Vorgänger besessen und benützt hat, zu übernehmen, ist in der Regel als Eintritt in die bestehende Benützungsvereinbarung anzusehen (RS0013619).

3.1 Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientierten sich an diesen Rechtsprechungsgrundsätzen. Das auch die von den Beklagten benützten Stellplätze schützende Flugdach wurde in den Jahren 1977/78 auf Kosten der damals interessierten Wohnungseigentümer ohne Einwand der übrigen Miteigentümer errichtet. Das Erstgericht stellte dazu ausdrücklich fest, dass sowohl die Errichtung der Überdachung als auch die ausschließliche Nutzung der Carport‑Stellplätze durch jene Wohnungseigentümer, die die Kosten der Errichtung getragen hatten, von den übrigen Mit- und Wohnungseigentümern „geduldet bzw akzeptiert“ worden waren und – mit Ausnahme durch die Klägerin (lange nach dem Erwerb ihrer Miteigentumsanteile) – bis heute Einwände gegen die ausschließliche Nutzung durch die Errichter bzw deren Rechtsnachfolger von den übrigen Wohnungseigentümern nicht erhoben worden sind. Ausgehend von dieser Sachlage, begegnet es auch unter Berücksichtigung eines strengen Maßstabs (RS0014146) keinen Bedenken, wenn die Vorinstanzen das Zustandekommen einer konkludenten Benützungsvereinbarung bejahten. Es mag zutreffen, wie die Revisionswerberin betont, dass bereits im Jahr 1969 eine Initiative zur Errichtung einer Stellplatzüberdachung nicht von allen damaligen Wohnungsnutzungsberechtigten unterstützt worden war. Eine im Einzelfall (vgl nur 5 Ob 192/10m mwN) aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen kann die Klägerin mit dieser Argumentation schon deshalb nicht aufzeigen, weil der Widerspruch eines einzelnen Nutzungsberechtigten nach den Feststellungen zum Einen ohnedies die Errichtung einer Überdachung, nicht aber das ausschließliche Nutzungsrecht an den Abstellplätzen betraf, das ausschließlich Gegenstand des auf Unterlassung gerichteten Begehrens ist, und zum Anderen Jahre vor der eigentlichen Wohnungseigentumsbegründung erfolgte, die nach dem durch das offene Grundbuch gedeckten unstrittigen Vorbringen der Beklagten im Jahr 1973 durchgeführt wurde, was aber eine nachfolgende konkludente Willenseinigung nicht ausschließen kann.

3.2 Eine mehrjährige Duldung der Benützung durch den Einzelrechtsnachfolger führte nach der Rechtsprechung zum WEG 1975 zu einem schlüssigen Eintritt in eine Benützungsvereinbarung (RS0013598 [T3, T4]; RS0013593 [T2]; auch RS0013600). Darauf wird auch in der von der Klägerin zur Stützung ihres Standpunkts zitierten Entscheidung zu 4 Ob 108/12d verwiesen. Von einem solchen mehrjährigen Dulden der ausschließlichen Nutzung der Stellplätze durch die in die Gemeinschaft eintretenden Einzelrechtsnachfolger ist aber nach den Feststellungen unzweifelhaft auszugehen, gab es doch jedenfalls bis zum Jahr 2003 (durch die Klägerin) keinen Widerspruch, sodass es ohne Belang ist, dass in einem Kaufvertrag aus dem Jahr 1987 die ausdrückliche Anordnung des Übergangs von Rechten und Pflichten eines Wohnungseigentümers auf seinen Einzelrechtsnachfolger unterblieb. Für den Zeitraum nach Inkrafttreten des WEG 2002 hat das Erstgericht keine Eigentümerwechsel festgestellt, aus deren Anlass ein Erwerber nicht schriftlich in die Rechtsstellung seines Vorgängers eingetreten oder einen formgerechten Beitritt zu einer solchen Vereinbarung abgelehnt hätte. Einen solchen Vorgang behauptet auch die Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht.

4. Soweit die Klägerin meint, sie selbst habe „nicht einmal bloße Kenntnis“ von einer Benützungsvereinbarung gehabt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (dazu RS0042663 [T1]), nach dem sie mit Kaufvertrag vom 26. 3. 1991 in die Rechte und Pflichten ihrer Rechtsvorgängerin eintrat und ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass sie die überdachten Stellplätze nicht nutzen darf, worauf sie einen solchen für etwa zehn Jahre anmietete. Welchen Einfluss die Neuordnung der übrigen, nicht überdachten Abstellplätze in den Jahren 1999 und 2002 auf die Nutzungsrechte der hier zu beurteilenden Stellplätze haben soll, ist ausgehend von den Feststellungen nicht zu erkennen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Rechtsmittelbeantwortung darauf hingewiesen, dass die Revision der Klägerin nicht zulässig ist, weswegen ihnen die darauf entfallenden Kosten zu ersetzen sind.

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