OGH 5Ob105/20g

OGH5Ob105/20g21.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers S*****, vertreten durch Dr. Andreas Arnold, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. A*****, 2. S*****, 3. E*****, ebenda, 4. I*****, 5. R*****, 6. H*****, 7. E*****, 8. G*****, 9. M*****, ebenda, 10. H*****, wegen § 52 Abs 1 Z 5 WEG iVm § 29 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 8. April 2020, GZ 22 R 10/20d‑42, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00105.20G.0721.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Parteien sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft mit zehn Wohnungseigentumsobjekten. Der Antragsteller ficht einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft über den Austausch aller Balkongeländer als außerordentliche Verwaltungsmaßnahme mit der Begründung an, die Balkongeländer seien einwandfrei und die Kosten des Austauschs nicht in der Rücklage gedeckt.

Das Erstgericht wies den Antrag auch im zweiten Rechtsgang ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Das Anfechtungsbegehren war bereits Gegenstand der Vorentscheidung des erkennenden Senats zu 5 Ob 61/19k (immo aktuell 2019/52 [ Höllwerth ]). Zur Abgrenzung der ordentlichen von der außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme führt der Senat dort aus: „Zur Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung könnte die an sich gebotene Sanierung eines schadhaft gewordenen Balkongeländers nämlich unter Umständen dadurch werden, dass sie mit außerordentlichen Bedingungen oder Maßnahmen verknüpft wird [...]. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Mit‑ und Wohnungseigentümer tatsächlich konkret beschlossen hätten, mit der Ausführung der Sanierung bewusst einen dem Salzburger BautechnikG widersprechenden gesetzwidrigen Zustand herzustellen, der die einzelnen Wohnungseigentümer sogar mit einer Haftung bei Unfällen belasten könnte. Hätte sich hingegen erst nach einem Beschluss auf Sanierung der Balkongeländer ohne weitere Details nachträglich in einem Beschlussanfechtungsverfahren herausgestellt, dass die bloß beabsichtigte, nicht aber mitbeschlossene Planung den Bauvorschriften möglicherweise widerspricht, würde dies die Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft noch nicht zu einer solchen über eine außerordentliche Maßnahme machen. Deren Außerordentlichkeit (etwa wegen Gesetzwidrigkeit) wäre diesfalls nicht Gegenstand der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft geworden.“

1.2. Nach den ergänzenden Feststellungen des Erstgerichts im zweiten Rechtsgang lag der Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft das Schreiben der Hausverwaltung an die Wohnungseigentümer vom 18. 4. 2017 (./A) zugrunde, wonach das Sanierungskonzept die Demontage und Entsorgung der bestehenden Balkongeländer und die Herstellung und Montage einer neuen Geländerkonstruktion inklusive Beplankung aus Alupaneelen umfasse. Angeschlossen war eine Skizze einer Schlosserei und der Stimmzettel über die Erneuerung der Balkongeländer. Weitere oder konkretere Informationen, in welcher Form die neuen Balkongeländer hergestellt würden, erhielten die Wohnungseigentümer nicht. Es war ihnen nicht bekannt oder bewusst, dass die Sanierungsmaßnahmen nicht den geltenden Bauvorschriften entsprechen. Der Text des angeschlagenen Beschlusses lautete: [...]. „Erneuerung Balkongeländer – einverstanden: 74,45 %. [...]. Wie sie oa Ergebnis entnehmen können, wurde in der T***** mehrheitlich für die Durchführung der Balkongeländersanierung gemäß Schreiben der Hausverwaltung vom 24. 4. 2017 gestimmt [...]. Wir werden die Arbeiten nunmehr ausschreiben und den Bestbieter ermitteln“ (./B). Der Inhalt dieser in ihrer Echtheit nicht bestrittenen Urkunde ist dem Revisionsrekursverfahren zugrunde zu legen (vgl RIS‑Justiz RS0121557)

1.3. Auf Basis dieses (ausschließlich relevanten – RS0130029) Textes des Beschlusses hält sich die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, die Wohnungseigentümer hätten nicht eine gesetzwidrige Ausführung der Sanierungsmaßnahmen beschlossen, im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof bereits vorgegebenen und auch diesen selbst bindenden (RS0043752) Rechtsansicht. Das Anbot selbst lag nach den Feststellungen (im Gegensatz zu dem 5 Ob 82/17d zugrunde liegenden Sachverhalt) der Beschlussfassung nicht zugrunde. Die im Bereich der Postkästen der Häuser ausgestellten Muster der Alupaneele ließen für die Wohnungseigentümer nicht erkennen, dass die Ausführung einer solchen Sanierung allenfalls einen dem Salzburger BautechnikG widersprechenden Zustand mit sich bringen könnte. Dass das im Beschluss genannte Schreiben der Hausverwaltung vom 24. 4. 2017 – das nicht aktenkundig ist – überhaupt konkrete Details der geplanten Balkonsanierung enthalten hätte, wie der Revisionsrekurswerber unterstellt, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, die von einer Skizze zur geplanten Geländerkonstruktion nur im Zusammenhang mit dem – aktenkundigen – Schreiben der Hausverwaltung vom 18. 4. 2017 sprechen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es sich bei dem im Beschluss genannten Schreiben der Hausverwaltung tatsächlich um dieses handeln hätte sollen (und das genannte Datum 24. 4. 2017 ein Irrtum war), würde dies am Ergebnis nichts ändern. Konkrete Details der Ausführung der Balkongeländer stellte das Erstgericht nämlich erst im Zusammenhang mit dem Anbot und der diesem angefügten Skizze fest. Beide wurden aber erst nach Beschlussfassung erstellt und konnten daher nicht Gegenstand der Beschlussfassung sein. Im Übrigen ist es den ausführenden Unternehmen nach den ergänzten Feststellungen möglich, eine abgeänderte Geländerkonstruktion, die der OIB ‑ Richtlinie zur Gänze entspricht, zu den ursprünglich veranschlagten Kosten herzustellen. Wenn die Vorinstanzen auf dieser Basis davon ausgingen, hier hätten die Wohnungseigentümer nicht konkret die Ausführung einer gesetzwidrigen Sanierung beschlossen, liegt keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung vor.

2.1. Zur Reparaturbedürftigkeit bzw Schadensgeneigtheit der Balkone hat das Erstgericht ergänzende Feststellungen getroffen. Schadhaft wegen starker Verwitterung der Geländer bzw deren Fehlens sind demnach der südöstliche Balkon der top 3, der Balkon der top 4, beide Balkone der top 8, der nordseitige Balkon der top 3 und der Balkon der top 6. Die Balkonumhausungen der top 1 und 2 erreichen nicht die erforderliche Fensterbrüstungshöhe von 100 cm, sondern nur 84 cm. Die bei Errichtung zulässige Geländerhöhe von 90 cm wird beim südwestlichen Balkon von top 5 und südöstlichen Balkon der top 8 unterschritten, ebenso beim Balkon top 4 und südwestlichen Balkon der top 8. Eine Gefährlichkeit auch der Balkone der top 7, 9 und 10 stellte das Erstgericht – wenn auch disloziert – ebenfalls fest. Die vor Jahren erneuerten Geländerkonstruktionen dieser Balkone verfügen über eine nach heutigen Sicherheitsstandards unzulässige horizontale Aufstiegshilfe, für spielende Kinder bietet sich das Darüberklettern über die horizontalen Holzplanken an, was eine erhebliche Gefahrenquelle bildet. Die einzelfallbezogene und daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfende (RS0118891) Auslegung dieser Feststellungen durch die Vorinstanzen, die Benützung sämtlicher Balkone (und zwar auch der nicht vermorschten oder verwitterten) sei mit Gefahren verbunden, sodass von einer Schadensgeneigtheit, jedenfalls aber Funktionseinschränkung aller Balkone auszugehen sei, ist daher nicht aufzugreifen. Im Zweifel bei einer Abweichung von aktuell geltenden Sicherheitsstandards aufgrund des dynamischen Erhaltungsbegriffs von einer ordentlichen Verwaltungsmaßnahme iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 auszugehen, ist nicht korrekturbedürftig (vgl Kothbauer , immolex 2019, 372).

2.2. Dass sich die Notwendigkeit der nun festgestellten Arbeiten nur aufgrund eigenmächtiger Änderungen einzelner Wohnungseigentümer ergeben und daher dafür erforderliche Kosten nur der betreffende Wohnungseigentümer zu tragen hätte (vgl 5 Ob 190/06m; Spruzina in GeKo Wohnrecht II § 28 WEG 2002 Rz 47), lässt sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Nachträgliche, den Boden erhöhende Verfliesungen stellte das Erstgericht nur bei zwei Balkonen fest, bei denen aber aus anderen Gründen Absturzgefahr besteht.

3. Damit ist die Auffassung der Vorinstanzen, beim beschlossenen Austausch sämtlicher Balkongeländer handle es sich um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, sodass dem Antragsteller das – von ihm ausschließlich geltend gemachte – Anfechtungsrecht nach § 29 Abs 2 Z 1 und 2 WEG nicht zukomme, durch den Aufhebungsbeschluss 5 Ob 61/19k gedeckt und nicht korrekturbedürftig.

4. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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