OGH 5Ob190/06m

OGH5Ob190/06m28.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. Stanislav G*****, und 2. Olivia G*****, beide:

*****, beide vertreten durch Dr. Harald Ofner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Wohnungseigentümer der Liegenschaft *****, und zwar die Antragsgegner 1. Elisabeth H*****, 2. Gertrude W*****, 3. Edith J*****, 4. Frieda H*****, 5. Karin G*****, 6. Christine S*****, 7. Dr. Herbert P*****, 8. Friedrich H*****, 9. Ilse G*****, 10. Dr. Alfred K*****, 11. Dkfm. Rudolf R*****, 12. Rudolfine H*****, 13. Dr. Josef H*****, 14. Armand G*****, 15. Anna K*****, 16. Dr. Wolfgang K*****, 17. Dr. Norbert H*****, 18. Dr. Gertraud H*****,

19. Anna K*****, 20. Dr. Ernst G*****, 21. Dr. Philip R*****, 22. Margarethe R*****, 23. Renate P*****, 24. Dr. Helmut F*****, 25. Grete F*****, 26. Dr. Wilma S*****, 27. Dipl. Ing. Manfred M*****,

28. Jutta M*****, 29. Eleonara S*****, 30. Radiul S*****, 31. Dr. Susanne G*****, 32. Dr. Bernd G*****, alle vertreten durch Dr. Franz Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 3 WEG (§ 30 Abs 1 WEG) über die außerordentlichen Revisionsrekurse der 17. und 21. Antragsgegner, gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. März 2006, GZ 41 R 203/05i-32, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 2. Juni 2005, GZ 4 Msch 14/04s-28, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Verfahrensbeteiligten sind die Wohnungseigentümer der Liegenschaft *****. Mit den Anteilen der Antragsteller ist das Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr 1 im Haus 3, Stiege A untrennbar verbunden. Der Wohnungseigentumsvertrag wurde am 18. 10. 1966 geschlossen. Im Zuge der Errichtung des Gebäudes wurden unter der zur Wohnung top 1 gehörenden Terrasse Kellerräume geschaffen, die ca 25 Meter lang und drei bis vier Meter breit sind. Wegen der Unterkellerung war die Aufbringung einer Isolierung unter den Natursteinplatten notwendig. Wäre die Unterkellerung unterblieben, so hätte der Aufbau aus Schotterkoffer, Stabilisationsschicht und Sandbett, in das die Natursteinplatten verlegt worden wären, ausgereicht. Für die Kellerräume gibt es keine Baubewilligung, sie wurden auch bei der Parifizierung nicht berücksichtigt. 1981 erwarben die Antragsteller die Wohnung top Nr 1 von ihrem Rechtsvorgänger, ohne vorher in die Bestandpläne Einsicht zu nehmen. Vom Verkäufer erhielten sie die Schlüssel für die Kellerräume. Etwa 1998 traten an der Terrassenwand und dann in der Folge auf der Terrassenoberfläche Risse auf, sodass Wasser in den Keller tropfte und Schäden am Wand- und Deckenanstrich sowie am Verputz (Schimmelbildung) verursacht wurden. Die Terrassenisolierung, die Isolierungsanschlüsse und die Vertikalisolierung im Bereich Außenwand - Übergang zur Terrassenisolierung waren schadhaft geworden. Wegen eines offenen Kanalabzweigers kam es in den Kellerräumen noch zusätzlich über den Bodenbereich zu massiven Wassereintritten. Mangels ausreichender Verankerung im Bereich des Terrassenauflagers bei der Errichtung brach in den letzten Jahren die erste Stufe der Stiege, die von der Terrasse in den Garten führt, sukzessive ab. Bei der rechten Terrassenwand, die zum konsensmäßigen Baubestand gehört, traten infolge von Setzungen, die mit der Unterkellerung nichts zu tun haben, Risse auf, die die Stabilität der Wand gefährden. Sollten die Mängel nicht behoben werden, besteht die Gefahr, dass die Substanz des Hauses beschädigt wird.

Die Antragsteller begehren nun, den Antragsgegnern aufzutragen, Erhaltungsarbeiten im Objekt Top 1 durchführen zu lassen, nämlich die Sanierung der schadhaften Terrassenisolierung und der Isolierungsanschlüsse sowie der Vertikalisolierung im Bereich Außenwand - Übergang, die Sanierung der Risse in der rechten Terrassenseitenwand, das Verschließen des Kanalabzweigers, die Sanierung der Nässeschäden samt der Putzrissbildungen im Wand- und Deckenbereich der Kellerräume und die Herstellung der obersten Stufe beim Stiegenaustritt in den Garten. Der Boden der Terrasse sei seit Jahren undicht, sodass Wasser in die darunter liegenden Räume eindringe. Sowohl die Terrassendecke als auch die Räume unter der Terrasse seien gemeinsame Teile und Anlagen der Liegenschaft. Alle Reparaturarbeiten zur Abdichtung der Terrasse und der darunter liegenden Räume seien daher von allen Miteigentümern gemeinsam zu tragen.

16. bis 20. Antragsgegner wenden ein, der Bestandplan aus dem Bauakt bilde den Baukonsens. Daraus ergebe sich, dass die Flächen unter den Terrassen nicht unterkellert, sondern die Terrassen aufgeschüttet hätten sein sollen. Es sei der Wohnung der Antragssteller kein Kellerraum zugeordnet. Bei der Errichtung der Wohnhausanlage habe der Polier des Bauführers einzelne Kaufinteressenten für Erdgeschoßwohnungen dahingehend angesprochen, ob sie unter ihren Terrassen einen Keller ausheben lassen wollten. Der Rechtsvorgänger der Antragsteller habe ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentumsbewerber und ohne baubehördliche Genehmigung die Unterkellerung der Terrasse „schwarz", also ohne Baukonsens, errichten lassen. Dies betreffe auch die Art der Gestaltung des Stiegenabgangs und des Terrassenbelages und dessen Aufbau. Die Wohnungseigentümer hätten dieser Bauführung nie zugestimmt. Dadurch seien die Kellerräume, die Gestaltung der Terrassen samt Terrassenaufbau und der Stiegenabgang nie in rechtlich relevanter Hinsicht Teile der Liegenschaft geworden. Es handle sich nicht um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, da die Kellerräume ausschließlich von den Antragstellern benützt würden. Das Erstgericht trug den Antragsgegnern die Erhaltungsarbeiten auf. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass jene Gebäudeteile, die ohne baubehördliche Bewilligung und ohne Zustimmung der Antragsgegner errichtet worden seien, mangels Parifizierung allgemeine Teile des Hauses seien, deren Erhaltung gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 28 Abs 1 Z 1 WEG sämtlichen Wohnungseigentümern obliege. Die Frage der konsenswidrigen Bauführung sei ebenso wie die Frage des Schadenersatzes nicht im außerstreitigen Verfahren zu prüfen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der 16. bis 20. Antragsgegner nicht Folge. Weder dem behaupteten Verfahrensmangel noch der Beweisrüge zur Frage, ob die strittigen Kellerräume (nur) über Auftrag der jeweiligen Wohnungseigentumsbewerber hergestellt wurden oder ob der Wohnungseigentumsorganisator diese Bauaufträge erteilte, komme rechtliche Relevanz zu, weil ausschließlich entscheidungsrelevant sei, ob diese Räume als allgemeine Teile der Liegenschaft zu werten seien. Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 WEG gehöre zur ordentlichen Verwaltung die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG. Gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG könne jeder Wohnungseigentümer beantragen, dass solche Arbeiten binnen angemessener Frist durchgeführt werden. Das Gesetz stelle somit nicht auf die Widmung ab. Nach § 2 Abs 4 WEG stehe alles, was nicht Bestandteil eines Wohnungseigentumsobjektes (einschließlich Zubehör- und Wohnungseigentum) sei, als allgemeiner Teil der Liegenschaft im (ideellen) Miteigentum aller Wohnungseigentümer. Die Widmung und die behauptete bewilligungslose Errichtung des Kellers sei daher - jedenfalls im außerstreitigen Verfahren - irrelevant. Der Keller sei im Rahmen der ordentlichen Verwaltung von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erhalten. Darüber hinaus seien sowohl die Erhaltung der Terrassenisolierung als auch die Feuchtigkeitsschäden im Keller als ernste Schäden des Hauses anzusehen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vorliege.

Dagegen richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse des 17. und 21. Antragsgegners mit einem Abänderungsantrag. Die Antragsteller beantragen in ihrer - vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof - erstatteten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben. Wurde bereits nach Zustellung der Gleichschrift des außerordentlichen Revisionsrekurses eine Revisionsrekursbeantwortung eingebracht, bedarf es einer gesonderten Beschlussfassung für ihre Freistellung nicht mehr. Es kann gleich in der Sache selbst erkannt werden (vgl RIS-Justiz RS0104882).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist im Sinne eines vom Abänderungsantrag mitumfassten Aufhebungsbegehrens auch berechtigt. Wird von einem Wohnungseigentümer veranlasst, dass unter seiner Terrasse ein Keller ausgehoben wird, so handelt es sich hiebei um eine Änderung an seinem Wohnungseigentumsobjekt, die nur auf seine Kosten erfolgen kann (§ 16 Abs 2 WEG 2002). Dieser Kostentragungsgrundsatz bezieht sich nicht nur auf die von ihm gewünschten Änderungsarbeiten selbst, sondern auch auf sämtliche Änderungen, die damit an allgemeinen Teilen der Liegenschaft oder in anderen Objekten notwendiger Weise verbunden sind (5 Ob 93/06x). Kommen Änderungen an gemeinsamen Teilen der Liegenschaft wie Zu-, Um- oder Neubauten, nur einem einzigen Mit- oder Wohnungseigentümer zugute, so hat dieser die Kosten zu tragen (RIS-Justiz RS0116332). Für die spätere Erhaltung des geänderten Objekts gilt grundsätzlich § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002.

Nimmt der sein Wohnungseigentumsobjekt Ändernde nicht in die Nutzwertberechnung (Parifizierung) einbezogene und daher allgemeine Teile der Liegenschaft wie ein Wohnungseigentümer ausschließlich in Anspruch, so ist auch er hinsichtlich der Erhaltung dieser ausschließlich benützten Liegenschaftsteile wie ein Wohnungseigentümer zu behandeln, kann also analog § 28 Abs 1 Z 1 WEG für Erhaltungsarbeiten „in" seinem Objekt Beitragsleistungen der Gemeinschaft nur dann einfordern, wenn es sich um die Behebung ernster Schäden des Hauses handelt. Wurden vom betreffenden Wohnungseigentümer allgemeine Teile der Liegenschaft - wie möglicherweise im Anlassfall - eigenmächtig in Anspruch genommen (ohne die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer oder die Genehmigung des Gerichtes gemäß § 13 Abs 2 WEG 1975 bzw § 16 Abs 2 WEG 2002 einzuholen), dann können ernste Schäden des Hauses allerdings nur den ursprünglichen (konsensgemäßen) Bauzustand betreffen. Die Behebung aller davon nicht erfassten Schäden obliegt allein dem nutzenden Wohnungseigentümer. Das ergibt sich aus Billigkeitserwägungen, wie sie schon in der Judikatur zu § 839 ABGB (schlichte Miteigentumsgemeinschaften betreffend) angestellt wurden (6 Ob 853/82 = RIS-Justiz RS0013806; 8 Ob 661/92 = WoBl 1993/95, 132 [zustimmend Call]).

Es kommt daher - im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Rekursgerichtes - sehr wohl auf die Frage an, ob der Rechtsvorgänger der Antragsteller aus Eigeninitiative (und damit nur im Eigeninteresse) den Bauauftrag gab oder ob er lediglich eine ihm vom Bauträger zur Wahl gestellte Ausbauvariante in Anspruch nahm, weil damit der vom Bauträger errichtete Keller schon ursprünglich zur Wohnungsanlage gehörte. Im ersten Fall müssten die Antragsteller den Keller, den ihr Rechtsvorgänger errichten ließ und den sie nun allein benützen, auf eigene Kosten erhalten. Die fast 40jährige Duldung der eigenmächtigen Inanspruchnahme eines Liegenschaftsteiles durch den jeweiligen Wohnungseigentümer der Wohnung top Nr 1 ist darin zwar als konkludente Zustimmung zum (Weiter-)Bestand des Baus zu beurteilen, wodurch die Antragsgegner nicht mehr berechtigt sind, einen Entfernungsanspruch wegen eigenmächtiger Inanspruchnahme von allgemeinen Grundstücksteilen geltend zu machen; es ist allein daraus jedoch keine stillschweigende Vereinbarung abzuleiten, dass sich die Antragsgegner auch zur Übernahme der Kosten der Erhaltung verpflichteten.

Sollte also nach Behandlung der Beweisrüge feststehen, dass der Rechtsvorgänger der Antragsteller den verfahrensgegenständlichen Keller eigenmächtig errichtet hat, so wären die Antragsgegner nicht verpflichtet, Erhaltungsarbeiten für die eigenmächtig errichteten Räume durchzuführen. In diesem Fall wäre aber weiter zu prüfen, ob sich das Begehren nicht auch auf ernste Schäden von (jedenfalls) allgemeinen Teilen des Hauses bzw dem (unveränderten) Wohnungseigentumsobjekt der Antragsteller bezieht und die Antragsgegner daher zum Teil im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1 WEG zu den gegenständlichen Erhaltungsarbeiten zur Kostentragung verpflichtet sind.

Im zweiten Fall (sollte nach Behandlung der Beweisrüge durch das Rekursgericht feststehen, dass der Rechtsvorgänger der Antragsteller lediglich eine vom Wohnungseigentumsorganisator angebotene Bauvariante in Anspruch nahm und der gegenständliche Zubau damit bereits vom Wohnungseigentumsorganisator vorgenommen wurde) würde es sich bei den Kellerräumen um nicht einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt als Zubehör zugeordnete allgemeine Teile des Hauses handeln. Der Keller würde zum ursprünglichen Bestand der Wohnanlage gehören, also gleichsam in diesem Bereich die Außenwände des Wohnhauses darstellen. Für die Behebung ernster Schäden daran haben alle Wohnungseigentümer im Sinn von § 28 Abs 1 Z 1 WEG zu sorgen. Die Rechtslage wäre im Übrigen gleich, sollte der Keller im Zubehör - Wohnungseigentum der Antragsteller stehen. Da das Rekursgericht diesbezügliche Feststellungen im Hinblick auf eine vom Obersten Gerichtshof nicht geteilte Rechtsmeinung ungeprüft ließ, musste die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen werden.

Stichworte