OGH 6Ob215/19i

OGH6Ob215/19i25.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden unddurch die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S*****, vertreten durch Dr. Andreas Schöppl, Rechtsanwalt in Salzburg, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Stichting R*****, Niederlande, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 50.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 24. September 2019, GZ 3 R 107/19d‑25, mit dem dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 3. Juli 2019, GZ 57 Cg 67/18h‑21, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00215.19I.0625.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.287,62 EUR (darin 381,27 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren die klagende Partei betreffenden Entscheidungen zur Frage der internationalen Zuständigkeit für Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche aus Persönlichkeitsverletzungen Stellung genommen (6 Ob 209/19g; 6 Ob 144/15t; vgl 6 Ob 247/16s). Von diesen Entscheidungen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen.

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. 10. 2011, C-509/09 , C-161/10 , E-Date Advertising und Martinez , EU:C:2011:685, ist Art 5 Nr 3 EuGVVO (nunmehr Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012) so auszulegen, dass eine Person, die sich durch auf einer Website veröffentlichte Inhalte in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, die Wahl hat: Sie kann ihre Klage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens entweder bei den Gerichten jenes Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, geltend machen. Stattdessen kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese Gerichte sind aber nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist.

Jedenfalls dann, wenn – wie auch im vorliegenden Fall – ein Gesamtschaden geltend gemacht wird, kommt als Erfolgsort nur jener Ort in Betracht, an dem sich die Schädigung zuerst auswirkte. Folgewirkungen auf Person oder Vermögen des Geschädigten ließen dessen Wohnsitz auch dann nicht zum Erfolgsort werden, wenn sie gleichzeitig verwirklicht würden (6 Ob 209/19g; 6 Ob 144/15t; RS0119142).

Der Gerichtsstand differenziert nicht danach, in welcher Rechtsschutzform Klage erhoben wird (RS0115357 [T18]). Der Senat hat bereits mehrfach klargestellt, dass auch Unterlassungsbegehren aus Eingriffen in Persönlichkeitsrechte von Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 erfasst sind (6 Ob 218/18d mwN; RS0115357 [T20]).

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. 10. 2017, C-194/16 , Bolagsupplysningen , EU:C:2017:766, kann eine Person, die durch Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein soll, Klage auf Richtigstellung der Angaben und auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare – ebenso wie auf den Ersatz des gesamten entstandenen Schadens – (nur) bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. Hingegen kann sie nicht vor den Gerichten jeden Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die veröffentlichten Informationen zugänglich sind oder waren, eine Klage auf Richtigstellung der Angaben oder Entfernung der Kommentare erheben.

Die Klägerin leitet ihren Anspruch auf Schmerzengeld, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung aus der Veröffentlichung zweier in niederländischer Sprache verfasster Artikel auf Websites der Beklagten ab, durch deren Inhalt in die Ehre und den Kredit der Klägerin eingegriffen worden sei und die bei der Klägerin Depressionen ausgelöst hätten.

Nach den Feststellungen wurde einer der beanstandeten Artikel im Februar 2008 auf einer Website der Beklagten veröffentlicht. Die Klägerin lebte bis Anfang 2008 in den Niederlanden, verließ die Niederlande im Jahr 2008 und lebte in verschiedenen europäischen Staaten und bekam im Jahr 2015 ihre derzeitige Wohnung in *****. Es konnte nicht festgestellt werden, dass sie vor dem 29. 10. 2015 ihren Lebensmittelpunkt in Österreich gehabt hätte. Nach dem Verlassen der Niederlande war es der Klägerin nicht mehr gelungen, wieder beruflich Fuß zu fassen, was sie auf eine mediale Verleumdungskampagne zurückführt. Sie leidet seit dem Jahr 2008 an Depressionen.

Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Klägerin einen Gesamtschaden geltend mache, der sich bereits im Jahr 2008, sohin zu einem Zeitpunkt verwirklicht habe, zu dem sie den Mittelpunkt ihrer Interessen noch nicht in Österreich gehabt habe, steht im Einklang mit der dargestellten Rechtsprechung. Nicht zu beanstanden ist auch die Beurteilung des Rekursgerichts, dass nur die Gerichte jenes Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich im Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung der Mittelpunkt der Interessen der betroffenen Person befunden hat, zur Beurteilung des auf die beanstandete Verletzung gestützten Unterlassungsanspruchs zuständig ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung, wonach für die Geltendmachung eines Gesamtschadens nur jener Ort als Erfolgsort in Betracht kommt, an dem sich die Schädigung zuerst auswirkte (vgl 6 Ob 209/19g mwN).

Gründe dafür, dass nach einem Wohnsitzwechsel des Geschädigten Ansprüche aus einem bereits in der Vergangenheit eingetretenen Gesamtschaden vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats geltend gemacht werden könnten, als vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der schädigende Erfolg bereits eingetreten ist, sind der dargestellten Rechtsprechung nicht zu entnehmen und werden auch von der Revisionsrekurswerberin nicht aufgezeigt.

Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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