European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00028.20I.0528.000
Spruch:
In der Strafsache AZ 39 Hv 83/19d des Landesgerichts Wels verletzt die Unterlassung der Verlesung des Europäischen Haftbefehls vom 29. Oktober 2018 (ON 15) und der Mitteilung des Bezirksgerichts Haskovo vom 3. Dezember 2018 (ON 33) in der Hauptverhandlung (ON 151) § 252 Abs 2 StPO.
Das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 4. November 2019 (ON 152), das im Übrigen unberührt bleibt, wird daher in den Schuldspruchfakten 9./, 15./ und 19./, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im darauf basierenden Privatbeteiligtenzuspruch in der Höhe von 48.600 Euro aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Serkan B***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe Johann und Sabine V*****
1./11./ (Schuldspruchfaktum 9./) am 28. Mai 2018 durch nicht näher bekannte wahrheitswidrige Behauptungen im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung des von Johann V***** verspekulierten Vermögens, zur Übergabe eines Gesamtbetrags in der Höhe von 12.000 Euro an Serkan B***** in A*****;
1./21./ (Schuldspruchfaktum 15./) am 19. Juli 2018 durch nicht näher bekannte wahrheitswidrige Behauptungen im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung des von Johann V***** verspekulierten Vermögens, zu einer Zahlung in der Höhe von 18.000 Euro an einen nicht näher bekannten Boten in R*****;
1./29./ (Schuldspruchfaktum 19./) am 31. Oktober und 6. November 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, er habe aufgrund psychischer und physischer Probleme durch den Verlust seiner Zähne keine Perspektive mehr und werde sich den Strick nehmen, wenn er das Geld für eine Gebisssanierung nicht auftreiben könne, zu zwei Überweisungen in der Höhe von 13.600 Euro und 5.000 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Gisem B***** (Tochter des Serkan B*****) verleitet,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der Privatbeteiligte Johann V***** wird mit dem (weiteren) Privatbeteiligtenanspruch in der Höhe von 48.600 Euro auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf die Punkte 9./, 15./ und 19./ des Schuldspruchs bezieht, auf die Kassation verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Übrigen wird verworfen.
Mit seiner gegen den Strafausspruch erhobenen Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wird nicht Folge gegeben.
Der Angeklagte wird für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB gemäß § 147 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 29 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Im Ermittlungsverfahren AZ 10 St 5/18s ordnete die Staatsanwaltschaft Wels mit Europäischem Haftbefehl vom 29. Oktober 2018 die Festnahme des türkischen Staatsangehörigen Serkan B***** an (ON 15).
Gegenstand dieses Haftbefehls war (soweit hier wesentlich) der Vorwurf, der Genannte habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Birol G***** in A***** und an anderen Orten Österreichs von Ende Juli/Anfang August 2017 bis 29. September 2018 gewerbsmäßig und mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Johann V***** in zahlreichen Angriffen durch Täuschung über Tatsachen zur Überlassung von Bargeld in Höhe von insgesamt 1.072.800 Euro, somit zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die V***** in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag an seinem Vermögen schädigten.
Am 13. November 2018 wurde B***** in Bulgarien festgenommen (ON 18). Mit Entscheidung vom 3. Dezember 2018 erklärte das Bezirksgericht Haskovo (Bulgarien) die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls vom 29. Oktober 2018 für zulässig und ordnete die Übergabe des Festgenommenen an Österreich an (ON 33), welche am 13. Dezember 2018 durchgeführt wurde (ON 32).
Die Staatsanwaltschaft Wels legte mit Anklageschrift vom 27. Juni 2019 (ON 116) B***** nicht nur die vom gegenständlichen Europäischen Haftbefehl umfassten Sachverhalte, sondern darüber hinausgehende – ebenfalls vor der Übergabe von Bulgarien nach Österreich begangene – Taten zur Last (vgl auch die diesbezügliche Anmerkung in der Anklageschrift ON 116 S 13).
Mit (auch Freisprüche enthaltendem) Urteil vom 4. November 2019, GZ 39 Hv 83/19d‑152, erkannte das Landesgericht Wels als Schöffengericht B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB schuldig, verhängte über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und verpflichtete ihn, an den Privatbeteiligten Johann V***** 594.400 Euro zu zahlen.
Danach hat er in A***** und an anderen Orten teils alleine, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Birol G***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen Johann und Sabine V***** gewerbsmäßig zur Überlassung eines Geldbetrags in der Höhe von insgesamt 654.400 Euro, somit zu Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, die Johann V***** im genannten Umfang an seinem Vermögen geschädigt haben oder schädigen hätten sollen, und zwar
1. am 10. Oktober 2017 durch die wahrheitswidrige Behauptung, dass er 25.000 Euro für notwendige Ermittlungen vorgestreckt habe und es sich um Ersparnisse für seine anstehende Hochzeit gehandelt habe, zur Überweisung eines Betrags in Höhe von 25.000 Euro auf ein Konto lautend auf Muart Bi*****;
2. am 27. Oktober 2017 durch die wahrheitswidrige Behauptung, für die Vorbereitung der „Verlegung des Anlageberaters Dr. S***** alias Andre Vo***** in ein sicheres Gefängnis“ einen Geldbetrag von 75.000 Euro zu benötigen, zur Überweisung eines Geldbetrags in der Höhe von 75.000 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ayfer Y*****;
3. am 6. November 2017 durch die wahrheitswidrige Behauptung, für die Auflösung eines auf seine Wohnung aufgenommenen Darlehens, weil der Kredit wegen der Hells Angels zu gefährlich sei, 43.000 Euro zu benötigen, zur Überweisung eines Geldbetrags in der Höhe von 43.000 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ayfer Y*****;
4. am 15. November 2017 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 11.000 Euro als Schulgeld für seine Kinder zu benötigen, zu einer Überweisung in der Höhe von 11.000 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ayfer Y*****;
5. am 27. Dezember 2017 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 5.700 Euro zur Begleichung der Krankenhauskosten in Zypern zu benötigen, zu einer Überweisung in der Höhe von 5.700 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ismail D*****;
6. am 16. Jänner 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 71.000 Euro für die Bezahlung eines Richters bzw als Ermittlungskosten/Ersatz für Aufwendungen zu benötigen, zu einer Überweisung in der Höhe von 71.000 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ayfer Y*****;
7. am 26. und 27. Jänner 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 5.100 Euro als Schulgeld für seine Kinder zu benötigen, zu einer Überweisung in der Höhe von 5.100 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ayfer Y*****;
8. am 12. März 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, für die Bezahlung eines Staatsanwalts 36.500 Euro zu benötigen, zu einer Überweisung in der Höhe von 36.500 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Ayfer Y*****;
9. am 28. Mai 2018 durch nicht näher bekannte wahrheitswidrige Behauptungen im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung des von Johann V***** verspekulierten Vermögens zur Übergabe eines Gesamtbetrags in der Höhe von 12.000 Euro an Serkan B*****;
10. am 1. Juni 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, das wiedererlangte Geld und die verspätete Abholung hätten zu einem Überstand in der Kassa eines Casinos in Zypern geführt und die dafür anfallende Steuer sei zu ersetzen, zu einer Zahlung in der Höhe von 43.000 Euro in bar an einen unbekannten Boten;
11. am 4. Juni 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 22.000 Euro als Schulgeld für seine Kinder zu benötigen, zu einer Zahlung in der Höhe von 22.000 Euro in bar an einen unbekannten Boten;
12. am 11. Juni 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, der Betrag sei für die Überstellung des Geldes aus Zypern erforderlich, zu einer Zahlung in der Höhe von 31.000 Euro in bar an Serkan B*****;
13. am 19. Juni 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, 17.500 Euro als Kaution in Bulgarien für seinen Cousin zu benötigen, zu einer Zahlung in der Höhe von 17.500 Euro in bar an einen unbekannten Boten;
14. am 16. Juli 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Birol G***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, es seien Spesen für den Transport eines Geldbetrags nach Deutschland aufgelaufen, zu einer Überweisung eines Geldbetrags in der Höhe von 13.000 Euro an Birol G*****;
15. am 19. Juli 2018 durch nicht näher bekannte wahrheitswidrige Behauptungen im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung des von Johann V***** verspekulierten Vermögens, zu einer Zahlung in der Höhe von 18.000 Euro an einen nicht näher bekannten Boten (angeblicher Cousin von Birol G*****);
16. am 7. August 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Birol G***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, dass Serkan B***** und seine Familie in Gefahr seien, weil die Bosporus-Broker aus Rache schon die Hells Angels auf ihn angesetzt hätten und er sowie seine Kinder dringend eine neue Identität bräuchten und er sich kasachische Papiere besorge, zur Überweisung von 110.000 Euro auf ein deutsches Konto lautend auf Birol G*****;
17. am 20. August 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Birol G***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, Serkan B***** schulde der kasachischen Mafia Geld, zur Übergabe von 37.000 Euro in bar an Serkan B*****;
18. zwischen 17. und 27. September 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Birol G***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, dass die Hells Angels bereits Kontakt zur Schwester des Serkan B***** aufgenommen hätten und die Hells Angels von den Bosporus-Brokern engagiert worden seien und dass von dem Geld, das Serkan B***** für Johann V***** in Höhe von rund 3 Mio Euro gesichert habe, nur mehr 2,4 Mio Euro vorhanden seien, weil 500.000 Euro für das „Schmieren“ eines Richters und 100.000 Euro im Casino ausgegeben worden seien und die Hells Angels jetzt 2,8 Mio Euro zurück haben wollten, zu einer weiteren Geldübergabe eines Betrags in der Höhe von 60.000 Euro in Österreich, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;
19. am 31. Oktober und 6. November 2018 durch die wahrheitswidrige Behauptung, er habe aufgrund psychischer und physischer Probleme durch den Verlust seiner Zähne keine Perspektive mehr und er werde sich den Strick nehmen, wenn er das Geld für eine Gebisssanierung nicht auftreiben könne, zu zwei Überweisungen in der Höhe von 13.600 Euro und 5.000 Euro auf ein türkisches Konto lautend auf Gizem B*****.
Gegenstand des Schuldspruchs waren auch vom Europäischen Haftbefehl vom 29. Oktober 2018 nicht umfasste Betrugshandlungen vom 28. Mai 2018 (Schuldspruchfaktum 9./), 19. Juli 2018 (Schuldspruchfaktum 15./) sowie 31. Oktober 2018 und 6. November 2018 (Schuldspruchfaktum 19./).
Eine Verlesung des Europäischen Haftbefehls (ON 15) sowie der Mitteilung über die Entscheidung der vollstreckenden Justizbehörde (ON 33) – oder ein Vortrag des erheblichen Inhalts dieser Aktenstücke gemäß § 252 Abs 2a StPO – in der Hauptverhandlung erfolgte nicht (vgl ON 151 S 12 f).
Das Unterbleiben der Verlesung des Europäischen Haftbefehls wurde – bei ohnehin fehlender diesbezüglicher Antragstellung in der Hauptverhandlung – in der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten nicht aufgegriffen (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 11, 130).
Das Unterlassen der Verlesung des Europäischen Haftbefehls (ON 15) und der Mitteilung des Bezirksgerichts Haskovo (ON 33) in der Hauptverhandlung des Landesgerichts Wels zu AZ 39 Hv 83/19d steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:
§ 31 EU‑JZG untersagt in seinem Kernbereich, die übergebene Person in Österreich (als Ausstellungsstaat des Europäischen Haftbefehls) wegen Taten zu verfolgen oder zu bestrafen, welche diese vor der Übergabe an Österreich begangen hat und auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht erstreckt (Hinterhofer in WK² EU‑JZG § 31 Rz 1). Durchbrechungen des solcherart normierten Spezialitätsgrundsatzes finden sich in § 31 Abs 2 EU‑JZG. Hinweise auf einen dieser Ausnahmetatbestände sind dem Akt nicht zu entnehmen. Ebenso wenig liegt eine Erklärung Bulgariens iSd § 31 Abs 7 EU‑JZG vor (vgl Hinterhofer in WK² EU‑JZG § 31 Rz 52).
Gemäß § 252 Abs 2 StPO sind Urkunden und Schriftstücke, die für die Sache von Bedeutung sind, in der Hauptverhandlung vorzulesen (oder gemäß § 252 Abs 2a StPO vorzutragen), denn nur dann können sie bei der Urteilsfällung Berücksichtigung finden (§ 258 Abs 1 StPO; vgl auch Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 128). Urkunden, die geeignet sind, Aufschluss über das Vorliegen eines durch Spezialität begründeten prozessualen Verfolgungshindernisses (RIS‑Justiz RS0092340, RS0098426; vgl auch Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 126; Hinterhofer in WK² EU‑JZG § 31 Rz 37) zu geben, das gegebenenfalls zum Freispruch (§ 259 Z 3 StPO) verpflichten würde (vgl § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO), müssen daher verlesen werden (13 Os 110/19d, 111/19a).
Indem der Vorsitzende in der Hauptverhandlung den Europäischen Haftbefehl (ON 15) sowie die Mitteilung des Bezirksgerichts Haskovo (ON 33) nicht verlas, hat er gegen das Verlesungsgebot des § 252 Abs 2 StPO verstoßen.
Da sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung im Umfang der von der Spezialitätsverletzung betroffenen Schuldspruchfakten 9./, 15./ und 19./ zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, war deren Feststellung insoweit mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 4. November 2019 in den genannten Schuldspruchfakten, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im darauf basierenden Privatbeteiligtenzuspruch (RIS‑Justiz RS0101311, RS0101303) aufzuheben, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen und – mangels aktenkundigen Hinweises auf ein zum Urteilszeitpunkt anhängiges Nachtragsübergabeverfahren – mit Freispruch wie im Spruch ersichtlich vorzugehen (RIS‑Justiz RS0098426, RS0092340).
Auf diese Entscheidung war der Angeklagte mit seinen Rechtsmitteln wie im Spruch ersichtlich zu verweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, Z 5, Z 5a, Z 9 lit a und Z 9 lit c StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen ist hingegen nicht berechtigt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf den Beweisantrag auf Beischaffung der „Hofer-Sim-Karte“ „des Zeugen V***** und Auswertung derselben zum Beweis dafür ..., dass Johann V***** von dieser Nummer mit D***** kommuniziert hat und er mit weiteren SMS und WhatsApp‑Nachrichten diesen gebeten hat, dass Drohungen erfolgen sollen und er unter dieser Nummer auch bestätigt hat, dass die Drohungen so in Ordnung gehen würden, wobei es sich hiebei um die Nummer ***** handeln würde“. Es ist nicht erkennbar, inwieweit sich dieser Beweisantrag auf einen für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand beziehen sollte (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399), vielmehr lief er auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus.
Damit ist auch die Beschwerde gegen die Abweisung des Protokollberichtigungsantrags betreffend den Beweisantrag, der sich auf keinen für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstand bezog, erledigt. Die Verfahrensrüge bleibt nämlich in jedem Fall erfolglos, daran könnte auch die angestrebte Protokollberichtigung nichts ändern (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).
Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet, das Schöffengericht hätte betreffend die Punkte 4./, 5./, 7./, und 11./ keine Begründung angeführt, nimmt sie nicht Maß an der angefochtenen Entscheidung (US 11 ff).
Die Mängelrüge ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0119370). Daran geht die Nichtigkeitsbeschwerde vorbei, indem sie dem Erstgericht Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) betreffend Protokolle über Handykommunikation vorwirft, aber die diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Urteil außer Acht lässt (US 11, 13 ff).
Es ist kein Begründungsmangel, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei sowie zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS‑Justiz RS0098377 [T16]). Dies verkennt der Rechtsmittelwerber, soweit er kritisiert, die Tatrichter hätten Details aus den Aussagen des Birol G***** und der Sabine V***** nicht gewürdigt (vgl jedoch US 11 ff).
Soweit der Angeklagte einwendet (nominell Z 5), es wäre nicht abgeklärt worden, warum „der Zeuge Johann V***** die Telefonnummer mit den Endziffern ***** der Polizeibehörde nicht bekanntgegeben hat bzw warum der Zeuge V***** diese Telefonnummer den Polizeibehörden verschwiegen hat“, will er inhaltlich eine Aufklärungsrüge (Z 5a) geltend machen; er verfehlt jedoch deren Anfechtungskriterien, weil er nicht erklärt, weshalb der Verteidiger an einer entsprechenden Antragstellung oder Fragestellung an den Zeugen gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823 [T8]).
Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, der als solcher einer Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO entzogen ist (RIS‑Justiz RS0099419). Dies verkennt die Tatsachenrüge, soweit sie unter Hinweis auf einen Chat zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen V*****, welcher nicht mit der zuvor behaupteten massiven Drohung in Einklang stünde, behauptet, es wäre von einer Intrige des Zeugen auszugehen (vgl jedoch US 11 unten f).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) lässt methodengerechte Ableitung der behaupteten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz vermissen (vgl RIS‑Justiz RS0116565), indem sie betreffend die Punkte 4./, 5./, 7./ und 11./ des Schuldspruchs einwendet, der Angeklagte hätte „keinerlei Zahlungsverpflichtung der Ehegatten V***** behauptet oder auch nur konstruiert bzw festgestelltermaßen auch keine moralische Verpflichtung gegenüber den Ehegatten V***** behauptet, sodass eine strafrechtlich relevante Täuschungshandlung nicht vorliegt“. Dass die Getäuschten bei Kenntnis der wahren Sachlage die Zahlungen nicht geleistet hätten, lässt sich dem angefochtenen Urteil entnehmen (US 7 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19).
Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580). Indem der Rechtsmittelwerber (nominell Z 9 lit c) die Feststellung begehrt, der Angeklagte hätte sich seit 13. November 2018 in Bulgarien in Haft befunden, und dazu erklärt, dies hätte zwingend zum Ergebnis geführt, dass unter der Erpressernummer ***** am 15. November 2018 jedenfalls nicht er mit Johann V***** kommunizieren konnte, wird ein solcher Feststellungsmangel jedoch nicht dargestellt, sondern lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung war gemäß § 147 Abs 3 StGB von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. Erschwerend waren der Tatzeitraum von über einem Jahr sowie das mehrfache Überschreiten der Wertqualifikationsgrenze, mildernd hingegen, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie der – zufolge bereits eingetretener Tilgung der Vorverurteilungen aus Deutschland (ON 124) – bisher ordentliche Lebenswandel.
Ausgehend davon erwies sich die im Spruch genannte Freiheitsstrafe als angemessen.
Weshalb der Zuspruch an den Privatbeteiligten fehlerhaft oder überhöht sein sollte, legt der Rechtsmittelwerber nicht dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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