European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00151.19Y.0304.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ramadan O***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (1./) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 28. Jänner 2019 in S*****
1./ „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Ylber C***** und Virginia V***** dem Selimchan B***** dadurch, dass Ylber C***** ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, sie ihn zu Boden rissen, Virginia V***** ihn am Boden festhielt bzw sich auf ihn legte und ihm zahlreiche Schläge mit dem Mobiltelefon gegen den Kopf versetzte, Ramadan O***** ihm drei Tritte in den Bereich des Rückens versetzte und Ylber C***** ihm zahlreiche Tritte gegen den Kopf versetzte, eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht, wobei die Tat eine Gehirnerschütterung, eine Prellung des rechten Augapfels und ein Hämatom auf der Stirn zur Folge hatte“ und
2./ Magomed D***** durch Wegschieben und Wegstoßen mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Beendigung des Angriffs auf Selimchan B***** genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht das über das Tatgeschehen (1./) vorliegende Video, die Angaben des Zeugen Dominic W***** (ON 2 S 73) sowie die „tatsachengeständige Verantwortung“ des Angeklagten (der drei – wenn auch nicht feste – Tritte gegen den Rücken des Opfers zugestanden hatte; ON 2 S 48, ON 33 S 4) im durch das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) vorgegebenen Umfang (vgl RIS‑Justiz RS0106642) gewürdigt (US 6 f).
Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die aus dem äußeren Tatgeschehen, nämlich wiederholt auf eine von anderen Tätern attackierte und am Boden festgehaltene Person einzutreten, abgeleitete Schlussfolgerung auf den auf eine schwere Verletzung bezogenen (bedingten) Vorsatz (vgl § 5 Abs 1 StGB; US 6 iVm US 5) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882). Dass dies aus Beschwerdesicht (Z 5 vierter Fall) nicht überzeugend genug erscheint und auch andere Schlüsse denkbar wären, ist einer Anfechtung mit Mängelrüge nicht zugänglich (RIS‑Justiz RS0099455). Unter Darstellung des eigenen (gegenteiligen) Prozessstandpunkts zieht die Beschwerde bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 450 f). Eine auf eine schwere Verletzung gerichtete Absicht (vgl § 5 Abs 2 StGB und § 87 Abs 1 StGB) des Angeklagten wurde – was die Beschwerde vernachlässigt –ohnehin nicht konstatiert.
Im Hinblick auf die Feststellungen zum beim Versetzen von drei Fußtritten gegen den am Boden liegenden und dort fixierten B***** vorgelegenen Vorsatz (US 5 f) betrifft das ein Vorgehen des Angeklagten (überdies) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit C***** und V***** kritisierende Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) keine für den Schuldspruch oder die Subsumtion nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB entscheidende Tatsache.
Beweggründe für ein deliktisches Verhalten sind für die Sachentscheidung grundsätzlich nicht von Bedeutung, weshalb darauf bezogene Urteilserwägungen auch nicht Gegenstand der Mängelrüge sein können (RIS‑Justiz RS0088761).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet, die im Urteil getroffenen Feststellungen seien „nicht von den Beweisergebnissen des Strafverfahrens gedeckt“, und unternimmt mit eigenen Erwägungen zur Interpretation der Angaben des Angeklagten, jener des Zeugen W***** und von Ausführungen im Polizeibericht (der Angeklagte habe „nicht mit erheblicher Gewalt“ hingetreten; ON 2 S 8, 10) den Versuch, die getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Zweifel zu ziehen. Sie erweckt solcherart keine erheblichen Bedenken im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0119583).
Ausgehend vom festgestellten Verletzungsbild des Opfers (US 5 f) fordert die Subsumtionsrüge (Z 10) eine rechtliche Beurteilung des (zu 1./ relevanten) Sachverhalts als (versuchte) Körperverletzung nach „§§ 15 iVm 83 StGB“ ein, blendet aber die zur subjektiven Tatseite getroffene Konstatierung aus (RIS‑Justiz RS0099810), wonach dem Angeklagten „klar“, aber „egal“ war, dass seine wiederholten Tritte auch schwere Verletzungen zur Folge haben können (US 6). Weshalb dieses Sachverhaltssubstrat die rechtliche Beurteilung der Tat als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (siehe dazu: RIS‑Justiz RS0131591) nicht tragen oder weitere Feststellungen zum „Tatbeitrag eines Mittäters“ oder zur „Schwere“ der „Art der Körperverletzung“ und der „damit verbundenen Folgen“ erforderlich sein sollten, erklärt die Beschwerde nicht (RIS‑Justiz RS0116565). Sie lässt nämlich offen, weshalb die hier in Rede stehende Strafbarkeit als unmittelbarer Täter wegen Versuchs – ungeachtet des in Bezug auf eigene Ausführungshandlungen (vgl § 12 erster Fall StGB) gebildeten Vorsatzes (vgl US 6) – nur im Fall eines Verletzungserfolges (welchen Grades auch immer) oder eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens mit weiteren Aggressoren zum Tragen kommen sollte. Die gegen eine Einordnung des Beschwerdeführers als Mittäter gerichtete Beschwerdekritik (dSn Z 9 lit a) kann somit dahinstehen.
Zum Schuldspruch 2./ vermisst die Beschwerde (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) Feststellungen zur Erheblichkeit der körperlichen Einwirkung, nimmt dabei aber erneut nicht Maß an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810), wonach der Angeklagte beim „Wegstoßen“ und „Wegschieben“ D*****s „nicht unerhebliche Körperkraft“ anwendete (US 6). Weshalb es für die Annahme von Gewalt (iSd § 105 StGB) darauf ankäme, dass die (körperliche) Einwirkung als „intensiv“ einzustufen ist, dem Opfer Schmerzen verursacht, es zu Boden wirft oder ihm sonst einen Widerstand unmöglich macht, lässt die Beschwerde unter schlichter Berufung auf eine dies nur behauptende Kommentarstelle (Schwaighofer in WK2 StGB § 105 Rz 36) nicht erkennen (RIS‑Justiz RS0117321, RS0118429; vgl zur für den Gewaltbegriff maßgeblichen Erheblichkeitsschwelle im Übrigen RIS‑Justiz RS0095666, RS0093617; Jerabek/Reindl‑Krauskopf/Ropper/ Schroll in WK2 StGB § 74 Rz 35 ff).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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