OGH 9ObA145/19t

OGH9ObA145/19t26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI G***** M*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Dr. Meinrad Einsle, Dr. Rupert Manhart und Dr. Susanne Manhart, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Oktober 2019, GZ 110 Ra 6/19x‑22, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 24. Juni 2019, GZ 35 Cga 20/19s‑17, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00145.19T.0226.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.406,96 EUR (darin 401,16 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger ist seit 1. 9. 2013 als Vertragslehrer bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde mit Dienstantritt in die Entlohnungsgruppe I L/I2b1 in der Gehaltsstufe 4 eingestuft. Als Vorrückungsstichtag wurde der 1. 5. 2004 festgelegt. Bei dessen Ermittlung wurden die Schulzeiten und die Zeiten der Beschäftigung des Klägers bei der BOKU Wien als inländische öffentliche Universität berücksichtigt.

Auf das Dienstverhältnis fand gemäß § 1 Abs 1 lit a, Abs 2 des Land- und forstwirtschaftlichen Landesvertragslehrpersonengesetzes (LLVG idF BGBl I 2002/100), nunmehr § 27 Abs 1 lit a, Abs 2 (LLVG idF BGBl 2018/60) ua das VBG 1948 in der jeweils geltenden Fassung mit bestimmten Maßgaben Anwendung.

Am 11. 2. 2015 (Dienstrechts‑Novelle 2015, BGBl I 2015/65) wurde der Kläger in das neue Besoldungssystem übergeleitet. Nach Abschluss des Bachelor-Studiums (11. 1. 2016) wurde er in die Entlohnungsgruppe L 1 eingestuft und ein neuer Stichtag mit 1. 11. 2010 errechnet. Eine Anrechnung der vom Kläger in der Klage aufgelisteten Berufspraxiszeiten erfolgte nicht.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Beklagte zu verpflichten, ihm bestimmte Berufspraxiszeiten gemäß § 26 Abs 3 VBG 1948 (erkennbar gemeint idF BGBl I 2015/65; kurz VBG 1948 neu) als Vordienstzeiten anzurechnen, insbesondere näher bezeichnete Tätigkeiten von 1990 bis 2013. Ein rein rechnerisches Leistungsbegehren sei in der praktischen Umsetzung nicht möglich. Wäre er richtig eingestuft worden, würde er im September 2019 die Gehaltsstufe 12 erreichen. Die Nichtanrechnung dieser Vordienstzeiten anlässlich der Berechnung des Besoldungsdienstalters aufgrund der Bundesbesoldungsreform 2015 bzw Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags anlässlich der Einstufung in die Entlohnungsgruppe L 1 sei gesetzwidrig, widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz und sei altersdiskriminierend.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Die Nichtanrechnung der Berufspraxiszeiten des Klägers folge aus den klaren, mit der Bundesbesoldungsreform 2015 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Anlässlich der Überleitung des Klägers in das neue Besoldungssystem sei eine neue Ermittlung des Besoldungsstichtags nach dem neuen Recht ausgeschlossen. Dies gelte gemäß § 169d Abs 9 GehG auch für den hier vorliegenden Fall einer Überstellung vor Erreichung der Zielstufe. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor, weil es nicht im Belieben der Beklagten stehe, die alte oder die neue Rechtslage anzuwenden. Ein Fall der Altersdiskriminierung liege ebenfalls nicht vor.

Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den gegenständlichen Rechtsfragen ließ das Berufungsgericht die Revision zu.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO unzulässig. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Dies ist hier der Fall. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist, dass die – grundsätzlich zurückwirkenden – Regelungen der 2. Dienst-rechts‑Novelle 2019, BGBl I 2019/58 im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen sind, weil diese Bestimmungen nur dann zur Anwendung kommen, wenn die erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Zeiten erfolgte (§ 94b Abs 1 Z 3 VBG 1948). Dies ist beim Kläger nach den Feststellungen nicht der Fall.

2. Nach dem mit der Bundesbesoldungsreform 2015, BGBl I 2015/32 neu geschaffenen Besoldungssystem wurde jeder Vertragsbedienstete (der Kläger aufgrund der Verweisung des § 27 Abs 1b LLVG idF BGBl I 2015/164) gemäß § 94a VBG 1948 iVm §§ 169c und 169d GehG 1956 durch eine pauschale Festsetzung seines Besoldungsdienstalters unter Berücksichtigung des dafür maßgebenden Überleitungsbetrags (Gehalt Februar 2015 = Überleitungsmonat) in das neue Besoldungssystem übergeleitet. Der Vertragsbedienstete wurde jener Gehaltsstufe des neuen Besoldungssystems zugeordnet, die den nächstniedrigeren Betrag enthält. Diese Gehaltsstufe war Ausgangspunkt für das neue Besoldungsdienstalter: Es wurde mit jener Zeit festgesetzt, die zum Erreichen dieser Gehaltsstufe erforderlich war (§ 169c Abs 2 bis 6 GehG 1956). Zugleich wurde mit einem System aus Wahrungszulagen (§ 169c Abs 6 Satz 5 GehG 1956) und vorgezogenen Vorrückungen (§ 169c Abs 7 GehG 1956) sichergestellt, dass ihr prognostischer Lebensverdienst von der Überleitung nicht beeinträchtigt wurde (vgl Beschluss vom 24. 7. 2018, 9 ObA 141/15y). Eine (neuerliche) Feststellung und Anrechnung allfälliger Vordienstzeiten im Zuge der Überstellung in das neue Besoldungssystem sieht § 169c GehG jedoch nicht vor. § 26 VBG 1948 war daher weder in der alten noch in der neuen Fassung anzuwenden.

3. Auch die Überstellung des Klägers anlässlich des Abschlusses des Bachelor-Studiums (11. 1. 2016) in die Entlohnungsgruppe L 1 (§ 15 Abs 1 Satz 1 VBG 1948) bot keine Möglichkeit auf (neuerliche) Feststellung und Anrechnung allfälliger Vordienstzeiten (§ 15 Abs 6 VBG 1948), sondern nur auf Berücksichtigung eines – in der Revision nicht relevierten – Vorbildungsausgleichs (§ 15 Abs 4 VBG 1948). Auf die vom Berufungsgericht angestellten und vom Kläger bekämpften Überlegungen zu § 169d Abs 9 GehG 1956 und dem Erreichen der „Zielstufe“ (§ 169c Abs 1 GehG 1956) kommt es daher hier nicht an.

4. Zu Recht sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass die vom Kläger behaupteten Vordienstzeiten weder bei Berechnung des Besoldungsdienstalters anlässlich der Überleitung in das neue Besoldungssystem aufgrund der Bundesbesoldungsreform 2015 noch anlässlich der Überstellung in eine neue Entlohnungsgruppe im Jahr 2016 auf Basis des § 26 VBG 1948 neu zu berücksichtigen waren.

5. Ein (vergleichbarer) Fall des § 169d Abs 5 GehG 1956 liegt beim Kläger, dessen Vorrückungsstichtag erstmals mit Eintritt in das Dienstverhältnis am 1. 9. 2013 festgesetzt worden war, nicht vor.

6. Aspekte einer Altersdiskriminierung oder Ungleichbehandlung des Klägers sind nicht erkennbar und werden in der Revision auch nicht nachvollziehbar dargelegt.

Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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