OGH 5Ob4/20d

OGH5Ob4/20d20.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. L*, 2. R* und 3. A*, alle *, alle vertreten durch Mag. Bettina Regenfelder, Mietervereinigung Österreichs, *, gegen den Antragsgegner K*, vertreten durch Schneider Rechtsanwalts KG in Wien, wegen §§ 16, 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. November 2019, GZ 28 R 111/19h‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127860

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Erst‑ und Zweitantragsteller mieteten gemeinsam befristet auf drei Jahre eine Wohnung, die in der Folge ebenfalls befristet auf drei Jahre an Erst‑ und Drittantragstellerin vermietet wurde. Der Antragsgegner (Wohnungseigentümer) war jeweils Vermieter.

2. Gegenstand des außerstreitigen Mietrechtsverfahrens ist die Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses und die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses durch Vorschreibung zu bestimmten Zinsterminen. In einem Vorprozess hatte der Antragsgegner die Mieter auf Zahlung rückständiger Mietzinse geklagt. Die rechtskräftige Entscheidung in dem Vorprozess begründet keine Nichtigkeit dieses Verfahrens. Für die Einmaligkeitswirkung mangelt es an der Identität des Streitgegenstands. Diese ist nur gegeben, wenn neben der Parteienidentität auch der in einem neuen Verfahren geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Klagegrundes, identisch mit jenem des Vorprozesses ist (RIS‑Justiz RS0039347 ua). Eine rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess entfaltet nur Bindungswirkung in Ansehung der entschiedenen Hauptfrage, nicht jedoch einer Vorfrage (RS0039843 [T21]). Nach den Feststellungen war die gesetzliche Zulässigkeit des Mietzinses kein Thema des streitigen Verfahrens. Zu klären war nur die Frage, in welcher Höhe der Hauptmietzins vereinbart wurde. Die im streitigen Verfahren auf Zahlung rückständiger Mietzinse ergangene rechtskräftige Entscheidung (Zahlungsbefehl) bindet das Gericht im außerstreitigen Mietzinsüberprüfungsverfahren nicht (5 Ob 75/09d = RS0039843 [T30]).

3. Der Antragsgegner sieht in der Zahlung der Mietzinse (zum Teil aufgrund des rechtskräftigen Titels im streitigen Verfahren) ein konstitutives Anerkenntnis. Dieses ist nur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streits oder bei Zweifeln über den Bestand einer Forderung möglich (RS0032818 [T4]). Ist noch kein Streit über Ansprüche entstanden und besteht kein Anlass, diese Auseinandersetzung durch Schaffung eines neuen selbständigen Verpflichtungsgrundes zu bereinigen, liegt kein konstitutives Anerkenntnis vor (RS0032841). Wie bereits erwähnt, war im streitigen Verfahren nur der Inhalt der Mietzinsvereinbarung umstritten, nicht deren Zulässigkeit.

4. Die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG läuft auch im Fall des Aneinanderreihens zulässig befristeter Mietverträge so lange nicht ab, als nicht sechs Monate nach der zusammengerechnet vereinbarten Befristungszeit abgelaufen sind oder aber ein unbefristetes Mietverhältnis geschlossen wird (RS0119647). Erst nach endgültiger Beendigung des Mietverhältnisses oder Umwandlung in einen unbefristeten Mietvertrag steht der Mieter nicht mehr unter dem Druck, bei Geltendmachung seiner im MRG normierten Rechte eine Verlängerung seines Bestandverhältnisses zu gefährden (5 Ob 71/15z mwN; 5 Ob 102/04t; ErlRV 555 BlgNR 20. GP  18). Der vom Gesetzgeber intendierte Mieterschutz kommt auch dann zum Tragen, wenn – wie hier – befristete Mietverträge mit Personen geschlossen werden, die schon Mitmieter eines wirksam befristeten Mietvertrags waren (vgl Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 111 mwN). Ein mit mehr als einem Hauptmieter geschlossener Mietvertrag begründet ein einheitliches Mietverhältnis mit allen Mitmietern (RS0101118). Die Rechtsprechung lässt die Feststellung des zulässigen Mietzinses deshalb nur gegenüber allen Mitmietern zu (RS0013161 [T1]; RS0110736; RS0101118 [T2, T9]). § 16 Abs 8 MRG gilt dem Schutz jedes Mieters und damit jedes einzelnen Mitmieters. Die Drucksituation des in der Wohnung verbleibenden Mitmieters wird nicht dadurch beseitigt, dass der andere das befristete Mietverhältnis nicht fortsetzt. Die Beurteilung des Rekursgerichts zur Verlängerung der Präklusivfrist auch in einem Fall, in dem nur ein Mitmieter Vertragspartner des zweiten befristeten Mietvertrags wird, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Sinn und Zweck der Bestimmung des § 16 Abs 8 Satz 3 MRG.

5. Für die Ausstattungskategorie A und B ist nach § 15a Abs 1 Z 1 und 2 MRG das Vorhandensein eines Vorraums notwendig. Der Eingang zur Wohnung führt hier unmittelbar in die Küche. Einen der Küche vorgelagerten Vorraum gibt es nicht. Das Rekursgericht verneinte aufgrund der räumlichen Einheit von Küche und Vorraum das Vorhandensein des Ausstattungsmerkmals Vorraum. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 173/12w [krit Kothbauer in immolex 2014, 128]; 5 Ob 304/99p). Es kommt entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers nicht darauf an, ob der Vorraum von der Küche baulich abgetrennt werden könnte. Zufolge § 15a Abs 2 MRG ist für die Beurteilung der Ausstattungskategorie der Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags entscheidend.

6. Die Berechtigung und die Höhe von Abschlägen bzw Zuschlägen zum Richtwertmietzins hängen von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0116132 [T2]; RS0117881 [T1]). Mit der in § 16 Abs 2 MRG geforderten Orientierung an der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens ist es unvereinbar, alle (auch die winzigsten) Ausstattungsdetails gesondert zu werten und die Zuschläge einfach zusammenzuzählen. Geboten ist eine Gesamtschau, weil auch der Wert einer Wohnung insgesamt erfassbar ist oder erlebt wird. Die Auflistung und Bewertung eines der Faktoren kann nur ein Kontrollinstrument sein (RS0117881).

7. Das Ergebnis des Rekursgerichts hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. So rechtfertigen Anlagen (Lift) nur dann einen Zuschlag, wenn der Mieter diese Einrichtung konkret mitbenützen kann (5 Ob 42/15k = RS0116132 [T5] = RS0117881 [T4]), was nach den Feststellungen nicht zutrifft. Einen Abzug für die Stockwerkslage einer Wohnung ohne Lift sah der Oberste Gerichtshof bereits als nicht korrekturbedürftig an (5 Ob 296/02v). Eine erhöhte Lärmbeeinträchtigung sowie eine straßenseitige Ausrichtung einer Wohnung wurden bereits mit einem Abzug von 5 % berücksichtigt (vgl 5 Ob 188/18k). Die Vorinstanzen sahen weiters Zuschläge für Waschmaschinen‑ und Telekabelanschluss, Gegensprechanlage sowie für weit überschießende Kategoriemerkmale als gerechtfertigt an. Ein zusätzlicher Zuschlag für einen angeblichen (den Feststellungen nicht zu entnehmenden) neuwertigen Zustand ist nicht zwingend. Ein Lagezuschlag scheitert schon daran, dass entgegen der zwingenden (RS0111820; RS0111201) Bestimmung des § 16 Abs 4 MRG die maßgebenden Umstände nicht schriftlich dargelegt wurden. Gegenteiliges behauptet der Revisionsrekurswerber gar nicht.

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