European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127493
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit der Revisionsrekurswerber eine erhebliche Rechtsfrage darin erblickt, ob die Gesellschaft in einem Firmenbuchverfahren, dem ein Antrag auf Eintragung eines neuen Geschäftsführers zugrunde liegt, Parteistellung genießt, ist dem entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung (auch) Anmeldungen im vereinfachten Verfahren nach § 11 FBG zwar von den Vertretern der Gesellschaft in vertretungsbefugter Anzahl vorzunehmen sind, die Anmeldung aber im Namen der Gesellschaft erfolgt (6 Ob 243/08s; RS0123556). Bei Ablehnung der Eintragung ist daher die Gesellschaft beschwert und deshalb als Partei (§ 2 Abs 1 Z 2 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG) rekurs‑ und revisionsrekursberechtigt (6 Ob 243/08s). Dass dies auch für die Legitimation zur Erstattung von Rechtsmittelbeantwortungen gilt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
2.1. Unzutreffend sind auch die Ausführungen im Revisionsrekurs zur Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts. Der erkennende Senat hat bereits in einem dieselben Parteien betreffenden Verfahren darauf hingewiesen, dass das Firmenbuchgericht die Anmeldung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen hat (6 Ob 154/18t). Die materielle Prüfpflicht gilt auch in Fällen vereinfachter Anmeldung (6 Ob 154/18t ErwGr 4.1 ff). Die Aussage, die Angaben des Geschäftsführers über einen Abtretungsvorgang würden „grundsätzlich nicht geprüft“ (6 Ob 111/01v), ist lediglich als Beschreibung des faktischen Regelfalls, nicht als Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Firmenbuchgerichts zu verstehen. Vielmehr entspricht es völlig herrschender Auffassung, dass das Firmenbuchgericht, wenn Bedenken bestehen, weiter prüfen kann und muss (6 Ob 57/01b uva; Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 11 Rz 9 und § 15 Rz 36, 104 und 116).
2.2. Dass das Gericht die rechtlichen Grundlagen des Übertragungsakts nie zu prüfen hätte, trifft nicht zu. Vielmehr entspricht es gesicherter Rechtsprechung, dass das Firmenbuchgericht etwa zur diesbezüglichen Prüfung die Vorlage des Notariatsakts über die Abtretung verlangen kann, wenn es anlässlich seiner amtswegigen Prüfung Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Gesuch zugrunde liegenden Tatsachen hegt (6 Ob 2371/96m). Der gegenteiligen Auffassung von Eiselsberg/Schenk/Weißmann (FBG § 11 Rz 7), wonach die materielle und formelle Gültigkeit des Übertragungsakts überhaupt nicht zu prüfen sei, ist weder die Rechtsprechung (vgl 6 Ob 2371/96m) noch die sonstige Literatur (Pilgerstorfer in Artmann, UGB3 § 11 FBG Rz 9 mwN; Kodek aaO § 11 FBG Rz 12) gefolgt.
3. Soweit der Revisionsrekurs argumentiert, aus dem Firmenbuch könne ein bestimmtes Verhalten der Mehrheitsgesellschafterin in Bezug auf im Jahr 2018 abgegebene Anbote des Revisionsrekurswerbers erschlossen werden, handelt es sich dabei um eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung. Die diesbezüglichen Tatsachen wurden im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht. Mangels entsprechenden erstinstanzlichen Vorbringens war das Rekursgericht auch nicht gehalten, sich mit dem diesbezüglichen Teil des Rekursvorbringens näher auseinanderzusetzen.
4.1. Im Übrigen stellt die Auslegung von Rechtsgeschäften regelmäßig eine Frage des Einzelfalls dar (RS0042936). Diesen Grundsatz hat der Oberste Gerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen auch auf Offerte angewendet (RS0042555). Demnach ist die Frage, wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ob eine Offerte inhaltlich ausreichend bestimmt ist und insbesondere, ob in ihr ein endgültiger Bindungswille des Antragstellers zum Ausdruck kommt, jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0042555).
4.2. Dies gilt auch für Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Abtretung eines GmbH‑Geschäftsanteils. Hier sind eine Vielzahl von Vertragsgestaltungen möglich. Neben der Abtretung ist auch die Aufspaltung in ein gesondertes Angebot und Annahme prinzipiell möglich. Ebenso möglich ist aber ein Angebot auf Abschluss bloß einer diesbezüglichen Verpflichtungsvereinbarung (Jasper in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts III5 [2018] § 24 Rz 64). Die Abgrenzung zwischen diesen verschiedenen Formen der Rechtsgeschäfte (vgl dazu auch zur Abgrenzung zwischen Option und „einseitigen“ Vorverträgen 6 Ob 570/93; 4 Ob 159/01p = SZ 74/152; zum in der wirtschaftlichen Praxis verwendeten „verschwommenen“ Begriff der Option in diesem Zusammenhang Jasper aaO) kann regelmäßig nur fallspezifisch vorgenommen werden, sodass sich hier in der Regel keine Rechtsfragen der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung stellen.
5.1. Im vorliegenden Fall enthält das „Anbot“ zudem mehrere Bedingungen und Befristungen, die die Prüfung, ob überhaupt ein annahmefähiges Anbot vorliegt, erschweren. Hier stellen sich ähnliche Bedenken wie gegen in einer Satzung vorgesehene Regelungen über einen an Bedingungen geknüpften ipso-iure-Übergang von Anteilen (dazu Rauter in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG § 76 Rz 37/1 mwN): Der rechtspolitische Grund des in § 76 Abs 2 GmbHG statuierten Formerfordernisses liegt einerseits in der Immobilisierung der Geschäftsanteile, allenfalls auch im Schutz vor Übereilung (SZ 62/28), aber auch in der Klarstellungsfunktion (6 Ob 150/08i ua). Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Identität der jeweiligen Gesellschafter sicher festgestellt werden kann (6 Ob 150/08i mwN; P. Bydlinski, Veräußerung und Erwerb von GmbH‑Geschäftsanteilen, 34 ff). In der Entscheidung 6 Ob 150/08i hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass ein derartiges Klarstellungsinteresse auch dann besteht, wenn die Satzung die Voraussetzungen des Übergangs des Gesellschaftsanteils regelt. Auch in derartigen Fällen können durchaus Zweifelsfragen auftauchen. So könne fraglich sein, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen in der Satzung vorgesehenen ipso‑iure‑Übergang des Geschäftsanteils erfüllt sind.
5.2. Diese Überlegungen lassen sich auf Angebote zur Abtretung eines GmbH-Anteils übertragen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Beurteilung kann von strittigen Tatfragen (vgl 6 Ob 150/08i), aber auch von komplizierten Rechtsfragen abhängen. Damit kann unklar sein, ob überhaupt ein annahmefähiges Angebot vorliegt (vgl auch Warto, Zum Modus bei der Übertragung von GmbH‑Geschäftsanteilen, ÖJZ 2012, 437 [444], nach dem die Frage der Bestimmtheit der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Bedingungen zum Übergang von GmbH-Geschäftsanteilen einer Firmenbucheintragung entgegenstehen kann).
5.3. Diese Schwierigkeiten können im Einzelfall auch dafür sprechen, ein „Anbot“ auf Abtretung eines Geschäftsanteils erst als Anbot auf Abschluss eines künftig abzuschließenden separaten Abtretungsvertrags zu verstehen, sodass die „Annahme“ dieses Angebots nicht zum unmittelbaren Erwerb einer Gesellschafterstellung, sondern nur zur – gegebenenfalls im Streitverfahren durchzusetzenden – Verpflichtung des Offerenten führt, einen Abtretungsvertrag abzuschließen.
5.4. Dazu kommt, dass im vorliegenden Fall das Anbot zunächst unter der aufschiebenden Bedingung erfolgte, dass die Anbotstellerin ihre Funktion als Geschäftsführerin der Gesellschaft beendet. Das Anbot war jedoch bis zum 31. 12. 2014 befristet. Zusätzlich ist vorgesehen, dass, wenn die Annahme bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen sollte, sich die Frist zur Annahme des Anbots automatisch um jeweils ein Jahr verlängert, sofern nicht bis spätestens sechs Wochen vor Ablauf der jeweiligen Anbotsfrist eine entsprechende schriftliche Kündigung seitens der Antragstellerin dem Angebotsempfänger zukommt. In diesem Fall verpflichtet sich die Anbotstellerin, ein neuerliches inhaltsgleiches notarielles Anbot innerhalb einer Frist von sechs Wochen an den Anbotsempfänger oder eine von ihm namhaft gemachte dritte Person zu stellen, widrigenfalls dieses Anbot vom Anbotsempfänger ohne Berücksichtigung der vorstehenden aufschiebenden Bedingung angenommen werden kann. Die Anbotstellerin hat allerdings mit – dem Revisionsrekurswerber zugegangenen – Schreiben vom 7. 2. 2018 erklärt, das Abtretungsanbot wegen laesio enormis, Sittenwidrigkeit und aus jedem sonstigen erdenklichen Rechtsgrund zu widerrufen. Die Annahmeerklärung wurde jedoch erst am 13. 8. 2019 abgegeben.
5.5. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage zu der Auffassung gelangten, der Revisionsrekurswerber habe nicht bescheinigt, dass alle Bedingungen für das Vorliegen eines – annahmefähigen – Anbots vorlägen, ist dies nicht zu beanstanden. Dafür wäre – neben dem Verständnis des Anbots als Anbot zur (unmittelbaren) Abtretung (und nicht bloß als Anbot zum Abschluss eines separaten Abtretungsvertrags) – nämlich auch erforderlich, dass der von der Anbotslegerin erklärte Widerruf ihres Anbots unwirksam war und sie verpflichtet war, ein neues (inhaltsgleiches) Anbot zu legen. Davon kann keinesfalls mit der erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden, war doch die Anbotslegerin nach der komplexen Vertragskonzeption im Ergebnis verpflichtet, laufend ohne zeitliche Beschränkung und ohne Widerrufsmöglichkeit dem Anbotsempfänger die Abtretung ihrer Geschäftsanteile zum bloßen Nennwert anzubieten. Dass auch auf Anbote und Vorverträge das Verbot der laesio enormis anzuwenden ist, ist völlig unstrittig (vgl nur Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 934 Rz 2 und 68; 6 Ob 174/69 = SZ 42/136). Die vereinbarte Unwiderruflichkeit steht jedenfalls der Wahrnehmung des Verbots der laesio enormis ebenso wenig entgegen wie der Wahrnehmung einer allfälligen Nichtigkeit. Ganz allgemein ist schließlich darauf zu verweisen, dass Dauerschuldverhältnisse (RS0020919) und sogar dingliche Rechte wie etwa Wohnrechte (RS0011875) aus wichtigem Grund vorzeitig beendet werden können.
6. Weil sich sohin nach dem Gesagten die Abweisung des Firmenbuchgesuchs jedenfalls als zutreffend erweist, bedurfte es im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung, inwieweit schon bloß die lange Bindung an das Anbot für sich genommen wegen der darin liegenden unangemessen langen Selbstbindung bzw unangemessen langen Beschränkung der Dispostionsfreiheit zur Nichtigkeit nach § 879 ABGB führt (vgl zu diesbezüglichen Bedenken bei der AGB‑Kontrolle BGH V ZR 265/14 = NJW‑RR 2017, 114 = WM 2016, 2235). Dass grundsätzlich – auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 6 Abs 1 Z 1 KSchG (dazu Mayrhofer/Tangl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 6 KSchG Rz 2 ff) – eine übermäßig lange Bindung des Offerenten an ein Anbot sittenwidrig sein kann, entspricht völlig einhelliger Auffassung (vgl nur Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 Rz 86 mwN).
7. Zusammenfassend vermag der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfragen der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.
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