OGH 3Ob189/19v

OGH3Ob189/19v22.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.‑Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch Mag. Franz Paul, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Z * Gesellschaft mbH, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 46.520,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2019, GZ 2 R 9/19m‑22, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25. Oktober 2018, GZ 23 Cg 17/17a‑17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127608

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im Umfang der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass das erstinstanzliche Urteil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.175,56 EUR (hierin enthalten 885,76 EUR USt und 2.861 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Marktgemeinde * (im Folgenden: Gemeinde) lud mit Schreiben vom 4. Dezember 1998 mehrere potenzielle Leasinggeber zur Legung eines Angebots betreffend „Leasingfinanzierung für den Neubau eines Kindergartens inklusive Erwerb der Liegenschaft“ ein.

Die Beklagte legte zunächst ein Offert vom 10. Dezember 1998, das eine Anpassung der Leasingraten und des Bauzinssatzes an die Schwankungen des Geld‑ oder Kapitalmarkts (6‑Monats‑VIBOR) und darüber hinaus vorsah, dass für den Fall, dass der 6‑Monats‑VIBOR, der damals 3,56 % betrug, unter dem Wert von 3,25 % liegen sollte, als Basis der Wert von 3,25 % herangezogen werde.

Nachdem die Gemeinde der Beklagten ein Leasingangebot einer anderen Leasing‑GmbH „zur Prüfung“ übermittelt hatte, legte die Beklagte ein nachgebessertes Angebot samt einem von ihr formulierten Mustervertrag vor. Darin heißt es ua:

III. Leasingentgelte

(1) Das Leasingentgelt besteht aus der Leasingrate, den Betriebskosten und der U msatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe.

(2) Die monatliche Leasingrate beträgt aufgrund der geschätzten Gesamtinvestitionskosten in Höhe von […] sowie des derzeit zugrunde liegenden kalkulatorischen Zinssatzes […]. Verändern sich die Gesamtinvestitionskosten oder das Verhältnis Grundkosten zu Baukosten oder der kalkulatorische Zinssatz, so verändert sich auch die Leasingrate aliquot.

[…]

IV. Kapital‑ und Geldmarktanpassung

(1) Die Leasinggeberin ist berechtigt, die Leasingrate der Entwicklung des Kapital- und Geldmarktes anzupassen. Als Anpassungsindikator dient die Sekundärmarktrendite und der 6-Monats-EURIBOR. […]

(2) Die Anpassung gemäß EURIBOR erfolgt zum 1. März und 1. September eines jeden Jahres – erstmals jedoch bei Übergabe des Leasingobjekts bis zum Ablauf von drei Jahren ab Datum der Fertigung des Leasingvertrages – dergestalt, daß der kalkulatorische Zinsbestandteil der Leasingrate entsprechend der Änderung des EURIBOR-Wertes (6-Monats-EURIBOR) geändert wird, wobei als Basis der Wert für den Monat .. 199. = .. % vereinbart wird (Offertbasis). Der der Leasingratenberechnung zugrundeliegende kalkulatorische Zinssatz von .. % p.a. dek. nom. ändert sich um denselben Absolutbetrag, wie sich der dem Änderungszeitpunkt unmittelbar zuletzt veröffentlichte Monatswert gegenüber dem Basisindexwert verändert hat. Sollte dieser Monatswert unter einem Wert von 3,25 % liegen, so gilt als Zinssatz für die Leasingratenberechnung der Wert von 3,25 % zuzüglich .. %-Punkte p.a.dek.nom.

(3) Die Anpassung gemäß Sekundärmarktrendite erfolgt zum 1. März und 1. September eines jeden Jahres – dergestalt, daß der kalkulatorische Zinsbestandteil der Leasingrate entsprechend der Änderung der Sekundärmarktrenditen (Emittenten gesamt) geändert wird, wobei als Basis der Wert für den Monat .. 199. = .. % vereinbart wird (Offertbasis). Der der Leasingratenberechnung zugrundeliegende kalkulatorische Zinssatz von .. % p.a. dek. nom. ändert sich um denselben Absolutbetrag, wie sich der dem Änderungszeitpunkt zuletzt veröffentlichte Monatswert gegenüber dem Basisindexwert verändert hat. Sollte dieser Monatswert unter einem Wert von 4,5 % liegen, so gilt als Zinssatz für die Leasingratenberechnung ein Wert von 4,5 % zuzüglich .. %-Punkte p.a. dek. nom.

[…]

Jedenfalls in den Jahren 1998 und 1999 standen bei der Beklagten für potenzielle Kunden aus dem Gemeinde- und Kommerzbereich Musterverträge mit solchen Klauseln in Verwendung. Klauseln wie Punkt IV (2) aus dem Mustervertrag waren für potenzielle Kunden der Beklagten verhandelbar. Grundsätzlich versuchte die Beklagte jedoch, solche Klauseln durchzusetzen.

Am 9. Februar 1999 fand in den Räumlichkeiten der Beklagten eine Besprechung bezüglich des abzuschließenden Leasingvertrags statt, an der für die Gemeinde deren Bürgermeister teilnahm. Die konkreten Gesprächsinhalte dieser Besprechung und weiterer Vertragsverhandlungen, insbesondere zu einer Mindestverzinsung der von der Gemeinde zu zahlenden Leasingraten, können nicht festgestellt werden.

Die Gemeinde erreichte im Rahmen dieser Vertragsverhandlungen mit der Beklagten (ua) eine Änderung der Klausel IV (2), und zwar dahin, dass als Basis der 6‑Monats‑VIBOR anstelle des 6-Monats-EURIBOR festgelegt wurde; auch Punkt IV (3) wurde wie folgt abgeändert: „Die Leasingnehmerin hat während der gesamten Laufzeit das einmalig auszuübende Recht, auf den Anpassungsindikator Sekundärmarktrendite, Emittenten gesamt, oder einen gemeinsam zu definierenden Finanzierungsindikator umzusteigen, wobei der dann der Leasingratenberechnung zugrunde zu legende kalkulatorische Zinssatz und dessen Anpassung einvernehmlich festzusetzen ist.“

Bereits vor Vertragsabschluss hatte ein für Angelegenheiten der Finanzverwaltung zuständiger Mitarbeiter der Gemeinde den Bürgermeister erfolglos darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Mindestverzinsungsklausel negativ für die Gemeinde auswirken könne und man daher versuchen solle, sie aus dem Vertrag heraus zu reklamieren.

Nach Genehmigung durch den Gemeinderat schloss die Gemeinde durch ihre dazu befugten Vertreter im Wissen um die Wirkung einer Mindestverzinsung laut Punkt IV (2) des Leasingvertrags am 23. Februar/11. März 1999 den Leasingvertrag ab, der am 28. Juni 1999 von der niederösterreichischen Landesregierung aufsichtsbehördlich genehmigt wurde. In Punkt IV (2) dieses Vertrags wurde als Basis der Wert des 6‑Monats‑VIBOR für den Monat Oktober 1998 = 3,56 % vereinbart.

Im Jahr 2011 erklärte das Land Niederösterreich die Gemeinde zu einer „Sanierungsgemeinde“. Aus diesem Grund wurde ab dem Jahr 2011 das Budget der Gemeinde von einem Sanierungsreferenten des Landes „durchforstet“. Im Zuge dessen übergab die Gemeinde der Klägerin im Jahr 2014 verschiedene Unterlagen, darunter auch den Leasingvertrag mit der Beklagten. Nach Erstattung eines Gutachtens, dessen Gegenstand die detaillierte Überprüfung ua des Leasingvertrags und die Nachrechnung der auf seiner Grundlage entrichteten Entgelte war, trat die Gemeinde an die Klägerin die Geldforderung hinsichtlich der Leasingentgelte für den Zeitraum März 2014 bis Februar 2017 sowie sämtliche Gestaltungsrechte (insbesondere jene der Irrtums‑ und Arglistanfechtung, sämtliche Kündigungs- und Rücktrittsrechte, Wandlung, Preisminderung etc) gegenüber der Beklagten zur gerichtlichen Geltendmachung ab, und die Klägerin nahm die Abtretung an.

Die Klägerin begehrt aufgrund der Forderungsabtretung von der Beklagten die Zahlung von 46.520,20 EUR sA (Mehrzahlungen aufgrund der Mindestzinsvereinbarung im Zeitraum März 2014 bis Februar 2017). Sie brachte dazu, soweit in dritter Instanz noch relevant, vor, die Gemeinde habe Rückforderungsansprüche im Zusammenhang mit dem im Leasingvertrag vereinbarten Zinsfloor. Es handle sich dabei um eine vorformulierte Erklärung und einen Standard-Textbaustein der Beklagten bzw deren Muttergesellschaft. Diese Zinsfloorklausel sei, wie sich aus 3 Ob 47/16g ergebe, gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig, weil sie für die Gemeinde gröblich benachteiligend sei.

Die Beklagte wendete insbesondere ein, dass dem Vertragsabschluss intensive Verhandlungen vorangegangen seien, die insbesondere die Höhe der Leasingraten und die Zinsklausel betroffen hätten. Die Klausel sei daher im Einzelnen ausgehandelt worden. Außerdem unterliege die Mindestverzinsungsklausel auch deshalb nicht der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB, weil sie sich auf die kontrollfreie Hauptleistung beziehe. Jedenfalls aber halte sie der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB stand. Die Entscheidung 3 Ob 47/16g sei, soweit sie die Mindestzinsklausel als nichtig gemäß § 879 Abs 3 ABGB qualifiziert habe, von der Lehre einhellig kritisiert worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe bereits in ihrem (ersten) Angebot vom 10. Dezember 1998 außerhalb eines Mustervertragstextes und unabhängig von etwaigen AGB auf eine Mindestverzinsung mit dem Wert von 3,25 % als Basis ausdrücklich hingewiesen; die letztlich getroffene Vereinbarung sei nach einer Verhandlungsphase vom Mustervertrag abgewichen, sodass § 879 Abs 3 ABGB von vornherein unanwendbar sei.

Das Berufungsgericht gab infolge Berufung der Klägerin dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Die Beklagte habe der Gemeinde mit dem nachgebesserten Anbot einen von ihr erstellten Mustervertrag vorgelegt, der die strittige Klausel enthalten habe. Mangels Feststellbarkeit der konkreten Gesprächsinhalte im Rahmen der Vertragsverhandlungen und angesichts der Tatsache, dass der Leasingvertrag in Punkt IV zwar geringfügig vom Text des Mustervertrags abweiche, die Zinsfloorklausel aber völlig unverändert übernommen worden sei, sei die Anwendbarkeit des § 879 Abs 3 ABGB nicht ausgeschlossen. Dass andere Klauseln verhandelt worden seien, führe nicht dazu, dass die strittige Klausel als im Einzelnen ausgehandelt anzusehen wäre. Die Frage, ob die hier strittige Zinsfloorklausel gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig sei, habe das Berufungsgericht bereits in der – vom Obersten Gerichtshof zu 3 Ob 47/16g gebilligten – Entscheidung 5 R 139/15w eingehend geprüft und bejaht. Ungeachtet kritischer Stimmen in der Lehre sehe sich das Berufungsgericht nicht veranlasst, von 3 Ob 47/16g abzugehen. Der Klägerin seien daher die von der Gemeinde aufgrund der nichtigen Vertragsklausel im Zeitraum von April 2014 bis einschließlich Februar 2017 geleisteten, der Höhe nach außer Streit gestellten und an die Klägerin wirksam abgetretenen Überzahlungen zuzusprechen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte insbesondere geltend, die Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB sei hier nicht anwendbar, weil die Klausel im Einzelnen ausgehandelt worden sei.

Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.

2.1. Dass in § 879 Abs 3 ABGB auf AGB und Vertragsformblätter abgestellt wird, ist in der zwischen Verwendern von AGB und ihren Vertragspartnern üblicherweise vorzufindenden Ungleichgewichtslage begründet. Der mit AGB konfrontierte Kunde ist nämlich in der Regel in seiner Willensbildung nicht völlig frei, er hat sich den AGB zu fügen oder erhält keinen Vertrag (Krejci in Rummel/Lukas 4 § 879 ABGB Rz 370).

2.2. Im Hinblick darauf liegen AGB bzw Vertragsformblätter nach der Rechtsprechung (nur) dann nicht vor, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt wurden (RS0123499 [T2]). Nicht verhandelte und aus der Sicht des Verwenders eines Vertragsformulars jedenfalls beizubehaltende – für ihn also nicht verhandelbare – Klauseln in Vertragsformularen stellen Vertragsformblätter iSd § 879 Abs 3 ABGB dar, auch wenn andere Vertragspunkte erörtert und über Wunsch des Vertragspartners abgeändert wurden (RS0128571 = RS0123499 [T3]). Für das Zustandekommen einer Individualabrede reicht es nicht aus, dass eine Vertragsbestimmung zwischen den Vertragsparteien bloß erörtert und dem Geschäftspartner bewusst gemacht wird. Vielmehr kann von einer individuellen Vereinbarung in Abgrenzung von einem Formularvertrag nur gesprochen werden, wenn der Geschäftspartner auch hinsichtlich des Vertragsinhalts eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener berechtigter Interessen hat; wenn und soweit es ihm also möglich war, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Sein Vertragspartner muss daher zu einer Abänderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein (7 Ob 154/13t; 2 Ob 20/14a; vgl RS0121396 [T1, T2]).

2.3. Nach den Feststellungen war die Beklagte nicht nur grundsätzlich zu Verhandlungen über die damals in ihrem Mustervertrag standardmäßig enthaltene Mindestzinsvereinbarung bereit, sondern die Vertragsparteien verhandelten auch tatsächlich unter anderem über die Klausel IV (2) des Mustervertrags, und die Gemeinde erwirkte eine (wenn auch nicht den Mindestzinssatz selbst betreffende) Änderung dieser Bestimmung sowie eine völlige Neufassung des 3. Absatzes. Unter diesen Umständen kann hier aber, obwohl der konkrete Inhalt der Vertragsgespräche nicht festgestellt werden konnte, kein Zweifel daran bestehen, dass die grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft der Beklagten bezüglich dieser – ua den Zinsfloor beinhaltenden – Klausel für die Gemeinde auch erkennbar war, die sie ja auch zum Teil erfolgreich in Anspruch nahm. Davon, dass von Seiten der Beklagten in den Vertragsverhandlungen – entgegen ihrer festgestellten grundsätzlichen Haltung – im konkreten Fall signalisiert worden wäre, der vorgesehene Zinsfloor sei unverhandelbar, kann nach der getroffenen Negativfeststellung nicht ausgegangen werden. Da der Vertragspunkt IV (2) nämlich seitens der Beklagten grundsätzlich verhandelbar war und auch tatsächlich verhandelt und abgeändert wurde, gehen die Unklarheiten über den Inhalt der der Gespräche zu Lasten der Klägerin, weil es unter diesen Umständen an ihr gelegen gewesen wäre, eine im konkreten Fall gegenteilige Haltung der Beklagten nachzuweisen.

2.4. Es liegt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eine im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbestimmung vor. Der Umstand, dass die bereits im Mustervertrag enthaltene Klausel IV (2) in Bezug auf den Zinsfloor unverändert blieb, kann an dieser Beurteilung nichts ändern, weil die Qualifikation einer Bestimmung als im Einzelnen ausgehandelt keine tatsächliche Änderung gegenüber dem Vorschlag der Beklagten voraussetzt (vgl 4 Ob 225/17t). Eine im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbestimmung kann also – Verhandlungsbereitschaft vorausgesetzt – auch dann vorliegen, wenn eine Vertragspartei nach inhaltlichen Verhandlungen über den von der Gegenseite vorgeschlagenen Vertragspunkt – und damit ohne eine im Fall von AGB typischerweise angenommene Ungleichgewichtslage – diesem letztendlich vollinhaltlich zustimmt, zB weil es – wie hier – zur Modifikation anderer Vertragspunkte kam.

2.5. Eine Inhaltskontrolle dieser Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB scheidet daher mangels Vorliegens von AGB oder eines Vertragsformblatts aus. Dieses Ergebnis steht mit der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 47/16g nicht in Widerspruch, weil im dortigen Verfahren kein Einwand der Individualabrede erhoben worden war.

3. Den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Schadenersatzanspruch, weil die Beklagte den „wahren wirtschaftlichen Wert“ der Mindestverzinsungsklausel und die damit verbundene gröbliche Benachteiligung der Gemeinde arglistig verschwiegen habe, hat das Erstgericht zutreffend verneint:

3.1. Mögliche Geschäftspartner treten zwar schon mit der Kontaktaufnahme in ein beiderseitiges vorvertragliches Schuldverhältnis, das die Beteiligten insbesondere verpflichtet, einander über die Beschaffenheit der in Aussicht genommenen Leistungsgegenstände aufzuklären und Umstände mitzuteilen, die einem gültigen Vertragsabschluss entgegenstehen (RS0014885 [T4]). Eine Verletzung von Aufklärungspflichten stellt insbesondere die Irreführung in Bezug auf solche Umstände dar, bei deren Kenntnis der Vertragspartner vom Vertragsabschluss Abstand genommen oder das Geschäft anders geschlossen hätte; sie kann auch durch Schweigen erfolgen (RS0014885 [T13]).

3.2. Allerdings besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für seine Willensbildung von Bedeutung sein könnten. Eine solche Pflicht wäre vielmehr nur dann anzunehmen, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten darf (RS0014811), etwa wenn sonst der Vertragszweck gefährdet wäre oder ein Schaden droht (RS0014811 [T5]). Ansonsten muss jeder Vertragsteil grundsätzlich die eigenen Interessen selbst wahrnehmen (RS0014811 [T6]).

3.3. Im Sinn dieser Judikatur bestand somit keine Verpflichtung der Beklagten, die Gemeinde, auf die in Zukunft möglicherweise eintretenden negativen Folgen der Mindestverzinsung hinzuweisen.

4. Das Klagebegehren erweist sich daher insgesamt als unberechtigt, sodass in Stattgebung der Revision das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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