European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00164.19I.1219.000
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 3.874,50 EUR (darin 407,25 EUR Umsatzsteuer und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin war bis zu ihrem Rücktritt am 26. 1. 2017 amtsführende Stadträtin für Gesundheit und Soziales in W*****. In ihre Amtszeit fiel der Bau des Krankenhauses *****, eines Krankenhausneubaus des W***** in W*****. Bei diesem Bau kam es zu Überschreitungen des Kostenplans, welche seitdem regelmäßig im Fokus der öffentlichen Debatte stehen und Gegenstand eines Rechnungshofberichts sowie einer Untersuchungskommission des W***** Gemeinderats waren.
Die Beklagte ist eine politische Partei nach dem Parteiengesetz. Sie veröffentlichte auf ihrer Homepage unter https://***** am 13. 3. 2019 einen Beitrag unter dem Titel „Rechtliche Schritte zum KH *****-Skandal“, in dem (auszugsweise) ausgeführt wurde:
Der renommierte Strafrechtsexperte und ehemalige Co-Leiter der Wirtschaftsgruppe in der Staatsanwaltschaft W*****, Mag. V*****, sieht konkrete Anhaltspunkte für strafrechtliches Fehlverhalten: „Es geht um möglichen Amtsmissbrauch durch die ehemaligen K*****-Direktoren J***** und B*****, sowie darum, ob die ehemalige Stadträtin ***** davon gewusst hat, dass es sich um eine unrichtige 200 Millionen Euro-Buchung handelt“.
Anhaltspunkt ist die offenbar missbräuchliche Aufstellung des K*****‑Wirtschaftsplans 2018. In diesem Wirtschaftsplan befindet sich die Position von 200 Millionen Euro für Regressforderungen beim KH *****. Wie zahlreiche Zeugen in der Untersuchungskommission bestätigt haben, war diese Summe von 200 Millionen Euro von Anfang an illusorisch. Es besteht daher der Verdacht, dass die Kosten für das KH ***** lange Zeit geschönt wurden – unter anderem, damit die Kostenexplosion nicht dem Gemeinderat vorgelegt werden musste.
Derzeit (laut K*****-Wirtschaftsplan 2019) liegen die Kosten für das KH ***** bei 1,341 Mrd EUR. Im Jahr 2012 kalkulierte die Stadt W***** noch mit Kosten iHv 825 Mio EUR und ging von einem Vollbetrieb ab 2016 aus. Im K*****-Wirtschaftsplan 2018, der vom Generaldirektor des K*****, ***** J*****, unter Mitwirkung des für den Finanzbereich zuständigen Direktors, ***** B*****, zu erstellen war, fanden sich bereits Gesamtkosten in Höhe von 1,289 Mrd EUR, allerdings auch eine Position Forderungen aus Regressansprüchen und Versicherungsentschädigungen iHv 200 Mio EUR. Dieser Wirtschaftsplan, der gemäß § 15 Abs 1 K*****-Statut sechs Wochen vor Beginn des Wirtschaftsjahrs zur Prüfung und Genehmigung dem Gemeinderat vorzulegen ist, hat gemäß § 13 K*****-Statut nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer unternehmensrechtlicher Buchführung den Unternehmensprozess in seinen Zusammenhängen inhaltsgetreu wiederzugeben.
Verdachtslage
Missbräuchliches Aufstellen des K*****-Wirtschaftsplans 2018
Gemäß § 4 Z 5 K*****-Statut hat der Gemeinderat das Recht, die Erhöhung der im Wirtschaftsplan vorgesehenen Gesamtsumme zu bewilligen, wenn diese das 100-fache der Wertgrenze des § 88 Abs 1 lit e WStV übersteigt (ca 38 Mio EUR). Im K*****-Wirtschaftsplan 2018, vorgelegt im Oktober 2017, wurden die Kosten für das KH ***** um weitere 200 Mio EUR, nämlich im Gesamtbetrag von 1,289 Mrd EUR überschritten. Der K***** hätte daher die Bewilligung der Erhöhung der im Wirtschaftsplan vorgesehenen Gesamtsumme beim Gemeinderat einholen müssen. Weil aber ***** J***** und ***** B***** eine Forderung in Höhe von 200 Mio EUR in den Investitionsplan einstellten, bestand kein Grund dazu, ausgabenseitige Erhöhungen vorzunehmen, die dann auch bewilligt hätten werden müssen. Somit wurde der Gemeinderat in seinem Recht auf Kontrolle der Gebarung geschädigt.
Das durch den Gemeinderat als gewählten allgemeinen Vertretungskörper ausgeübte Recht (der Gemeinde) auf Kontrolle von (sonstigen) Gemeindeorganen, hat die Rechtsprechung (in bestimmten Konstellationen im Zusammenhang mit Missbräuchen im Rahmen der Gemeindebuchhaltung) als im Sinn des § 302 Abs 1 StGB ausreichend anerkannt. Dieses Recht ist Ausfluss demokratischer Kontrolle vollziehender Organe auf der Ebene der Gemeindeselbstverwaltung (also mediatisierte Partizipation der Gemeindebürger) und unterscheidet sich in diesem Aspekt von sonstigen – durch in der Verwaltungshierarchie Vorgesetzte oder Aufsichtsbehörden ausgeübten – staatlichen Kontroll- und Aufsichtsrechten (17 Os 36/15w; 17 Os 45/14t, EvBl 2015/109; 17 Os 9/18d).
Die Ausübung dieses Rechts setzt eine richtige Information – insbesondere im Hinblick auf das Übersteigen der oben genannten Grenze von 38 Mio Euro – voraus. Damit kommt den Organen des K***** eine funktionale Amtsträgereigenschaft zu, die verpflichtet sind, mit richtigen Informationen die rechtliche Voraussetzung für das Tätigwerden des Gemeinderats zu schaffen. Die unrichtige Darstellung des Wirtschafts- oder Finanzplans durch die Vertretungsbefugten des K***** zielt auf Verhinderung der Rechtsausübung ab, sodass dieses Amtsgeschäft der Hoheitsverwaltung zuzurechnen ist.
Wir bringen deshalb eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft gegen [die Klägerin], J***** und B***** ein [...]“, so W***** [Klubobmann der Beklagten].
Die Staatsanwaltschaft wird daher auch in diesem Zusammenhang zu prüfen haben, ob allenfalls ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten iSd § 302 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt) gesetzt wurde, sowie auch, ob die ehemalige Stadträtin ***** bewusst und gewollt mit J***** und B***** agiert hat.
Die Gesamtkosten für das KH ***** laut Investitionsplan 2016 in Höhe von rund 1,049 Mrd EUR netto waren in selber Höhe im ersten und zweiten Quartalsbericht 2016 ersichtlich gewesen. Dieser Betrag hatte sich gemäß Wirtschaftsplan 2017 unter Pkt 1.2 des Investitionsplans 2017 auf rund 1,089 Mrd EUR erhöht, wobei auch eine Erläuterung zum Investitionsplan 2017 unter Pkt 5.1.2 dahin vorgenommen worden war, dass sich die Gesamtkosten um insgesamt 40 Mio EUR erhöhten. Hierbei hatte es sich offenbar um Schäden gehandelt, die keinem Verursacher eindeutig hätten zugeordnet werden können.
Dieser Gesamtinvestitionsbetrag von rund 1,089 Mrd EUR hatte sich dann auch im vierten Quartalsbericht 2016 sowie im ersten und zweiten Quartalsbericht 2017 gefunden, desgleichen unverändert im Investitionsplan des Wirtschaftsplans 2018 unter Pkt 1.2. Genau in diesem Investitionsplan war allerdings erstmals eine Regressforderung in Höhe von 200 Mio EUR extra als Abzugsposten ausgewiesen, wobei in den Erläuterungen zum Investitionsplan unter Pkt 5.1.2 keine Anmerkung zu diesem Abzugsposten vorgenommen worden war. Fast wortident war der Stehsatz aus dem Investitionsplan 2017 Pkt 5.1.2 übernommen worden, dies mit Ausnahme des zweiten Absatzes, wo dort noch erörtert worden war, dass Schäden von insgesamt 40 Mio EUR nicht eindeutig zuordenbar und die Verfolgung dieser offenbaren Regressforderungen mit einem überhöhten Prozessrisiko behaftet seien, weshalb sich die Gesamtkosten erhöhten.
Im dritten Quartalsbericht des K***** 2017 war die Regressforderung in Höhe von 200 Mio EUR nicht mehr angeführt, gleichzeitig aber die ausgewiesenen Gesamtkosten um rund 151 Mio EUR erhöht gewesen. Diese erhöhten Gesamtkosten waren bis einschließlich Wirtschaftsplan 2019 in der Tabelle Investitionsplan 2019 in dieser Höhe unverändert geblieben. Bei den Erläuterungen zum Investitionsplan 2019 war unter Pkt 5.1.2 derselbe Stehsatz übernommen worden, der sich bereits bei den Erläuterungen zum Investitionsplan 2018 befunden hatte. Lediglich der Fertigstellungstermin war geändert worden. Es war keine Anmerkung oder Erklärung ersichtlich gewesen, warum die Position „Forderungen aus Regressansprüchen und Versicherungsentschädigungen“ in Höhe von 200 Mio EUR, die noch im Investitionsplan 2018 als Abzugsposten angeführt gewesen war, nicht mehr aufschien.
In der Sitzung des K*****-Aufsichtsgremiums vom 9. 6. 2016 war von den K*****-Vorständen die Einhaltung des Kostenrahmenbildes eingehend dargestellt und von den Teilnehmern des Gremiums kritisch erörtert worden. Bereits zum damaligen Zeitpunkt war offensichtlich gewesen, dass der Kostenrahmen von 1,05 Mrd EUR nur deshalb dargestellt werden konnte, weil die Position 200 Mio EUR an Regressforderungen für den Zweck der Einhaltung des – offenbar auch politisch gewollten – Kostenrahmens bereits abgezogen worden war. Die Klägerin hatte schon damals in Ausübung ihres Weisungsrechts gegenüber den Vorständen des K***** (J*****, B*****) Druck ausgeübt, dass diese Zahl halten werde. B***** hatte dem Aufsichtsgremium berichtet, der Kostenrahmen von 1,05 Mrd EUR halte unter der Prämisse, dass man es schaffe, die Regressforderungen geltend zu machen, was eine große Herausforderung sein werde, und es auch der Auftrag der Klägerin sei, dass man keine Kompromisse eingehen soll, sondern man solle den Schaden entsprechend geltend machen.
In der Sitzung des Finanzausschusses des K***** vom 13. 10. 2016 war erörtert worden, dass bereits zu diesem Zeitpunkt Gesamtkosten in Höhe von 1,29 Mrd EUR ersichtlich gewesen seien. Der Vorstand des K***** war damals aufgrund des Forderungsmanagements und der rechtlichen Betreuung davon ausgegangen, dass rund 200 Mio EUR über Versicherungen und Regresse zu lukrieren sein würden. Es war aber ausdrücklich referiert worden, dass sich die Umsetzung von Regressforderungen während der Errichtungsphase als sehr schwer und als sehr behindernd für den Errichtungsprozess und die Inbetriebnahme darstellen würden; man müsse davon ausgehen, dass ein Teil dieser Regresse nicht in dieser Form bzw Zeit in Ansatz gebracht werden könne; Grund dafür sei auch die technische Komplexität, die eine Zuordnung zu einzelnen Verursachern, zB den Planern, Architekten und Errichtern, oft unmöglich mache; die Stadt W***** werde daher einen Finanzierungsbedarf von 1,29 Mrd EUR bis zum Jahr 2020 haben; ab 2021 habe die Stadt W***** einen „Rückfluss“ von 200 Mio EUR; für die Zwischenfinanzierung von 200 Mio EUR müsse eine Abdeckung geschaffen werden. Festgehalten war auch worden, dass das Jahr 2021 in der Darstellung etwas „geschönt“ dargestellt wurde, nämlich durch den Einmaleffekt der Regress- und Versicherungserlöse von 200 Mio EUR.
Im Mai 2018 hatte der Rechnungshof seinen Bericht über das Projekt Neubau KH ***** veröffentlicht. Darin war (auszugsweise) festgehalten worden:
Rz 1 Der RH überprüfte von April 2016 bis Mai 2017 auf Verlangen der Gemeinderäte der Stadt W*****, D***** und Kollegen (F*****), vom Jänner 2016 gemäß § 73a der Wiener Stadtverfassung die Unternehmung „W*****“ (K*****) und die Stadt W***** hinsichtlich der Planung, Errichtung und Finanzierung des Krankenhauses *****. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2006 bis 2016. Soweit erforderlich, nahm der RH auch auf frühere bzw aktuellere Entwicklungen Bezug.
[…]
Rz 44.1. (2) Der K***** erwartete darüber hinaus ab 2021 noch Einnahmen von 200 Mio EUR aus Regressforderungen gegenüber seinen Auftragnehmern und Versicherungen (TZ 25, TZ 29, TZ 35, TZ 37). Der K***** beabsichtigte, diese Einnahmen bei Erhalt der Stadt W***** – die diesen Betrag mit ihren Zuschüssen vorfinanzierte – zurückzuüberweisen.
Rz 44.2 Der RH hielt fest, dass der vom K***** ausgewiesene Finanzierungsbedarf für das Projekt Krankenhaus ***** zur Zeit der Gebarungsüberprüfung gedeckt war. Der RH wies jedoch darauf hin, dass hinsichtlich der Höhe der noch offenen Grundstücksverkäufe und der für 2021 erwarteten Einnahme von 200 Mio EUR noch Unsicherheiten bestanden. Der RH verwies hinsichtlich der 200 Mio EUR aus Regressforderungen und Versicherungen auf seine Beurteilung in TZ 37, dass es aufgrund der bisher (Ende der Gebarungsüberprüfung an Ort und Stelle) mangelhaften Wahrnehmung der Funktion als Bauherr zweifelhaft erschien, dass der K***** die Summe von 200 Mio EUR in voller Höhe lukrieren wird.
Dkfm Dr. R***** war von 2012 bis November 2016 Vorsitzender des K*****-Aufsichtsgremiums gewesen. Im Rahmen der mittlerweile eingesetzten Untersuchungskommission des W***** Gemeinderats zur Klärung der Projekt-, Kosten- und Terminentwicklung des KH ***** hatte er als Zeuge bei seiner Befragung vom 16. 10. 2018 unter anderem angegeben, dass er betreffend höhere Kosten und Regressmöglichkeiten im Rahmen der beim KH ***** tätigen Gewerke der Stadträtin (also der Klägerin) gesagt hatte, es bestehe nach wie vor eine mangelnde Entscheidungskompetenz und es fehle eine Führung des Koordinationsteams; für das Aufsichtsgremium seien die primären Ansprechpartner die Vorstände des K***** gewesen; die Ankündigung höherer Kosten und drohender Regresse sei auch an den K*****-Vorstand, den Bürgermeister, den Magistratsdirektor und an die Klägerin gegangen. Der Zeuge hatte außerdem angegeben: „Da hat es die Gegenverrechnung gegeben. Auch dieses Thema wurde insbesondere im Aufsichtsgremium besprochen, nämlich die Frage: Erstens einmal: Haben diese Unternehmungen, ob das die Architekten oder die Planer oder die Statiker waren oder auch die ausführenden Unternehmen, Versicherungen? Das war die erste Frage, aber ich bin kein Baufachmann […]. Und ganz wichtig: Stellen Sie Regressforderungen? Und da wurde uns gesagt: Ja, das machen wir, wir glauben – und das ist dauernd wiederholt worden, sowohl von B***** als auch von J***** –, da kriegen wir mindestens 200 Mio zurück. Auch das wurde der Stadträtin [Klägerin] kommuniziert. […] Dann habe ich Folgendes gefragt: Moment, kriegen wir das wirklich? Okay, obwohl die anderen auch, P*****, K*****, alle haben das hinterfragt und nicht nur ich. Und da: Ja, das passt, wir haben den gesonderten Auftrag von der Frau Stadträtin [Klägerin], dass wir mit allen Methoden das eintreiben müssen!“
Die Klägerin begehrt – gestützt auf § 1330 Abs 2 ABGB – von der Beklagten die Unterlassung der Behauptung, sie sei als ehemalige W***** Gesundheitsstadträtin verdächtig, im Herbst 2017 von unrichtigen Buchungen des W***** K***** gewusst zu haben und/oder diese bewusst oder gewollt veranlasst zu haben, wodurch der W***** Gemeinderat in seinem Recht auf Kontrolle der Gebarung geschädigt wurde; die Beklagte habe außerdem gleichartige unwahre und kreditschädigende Behauptungen zu unterlassen. Darüber hinaus stellte die Klägerin ein Widerrufsbegehren. Die wahrheitswidrigen Äußerungen der Beklagten gingen weit über eine angemessene und zulässige politische Kritik hinaus und stellten möglicherweise sogar eine falsche Verdächtigung im Sinn des § 297 StGB dar.
Zur Sicherung dieses Klagebegehrens beantragt die Klägerin die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.
Die Beklagte hielt dem Sicherungsbegehren entgegen, sie habe lediglich einen begründeten Tatverdacht geäußert, den im Übrigen ein Strafrechtsexperte, nämlich Mag. V*****, gutachterlich bestätigt habe.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab, wobei es von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt ausging und darüber hinaus als bescheinigt annahm, dass die Konstruktion einer „beschönigten“ Regressforderung von insgesamt 200 Mio EUR schon im Oktober 2016 ganz offensichtlich den Zweck gehabt habe, den W***** Gemeinderat und somit auch die Steuern zahlende Öffentlichkeit ruhig zu stellen und nicht den Tatsachen entsprechend zu informieren, damit nicht eine weitere Erhöhung der Gesamtkosten für das KH ***** und den damit verbundenen zusätzlichen Finanzierungsbedarf offengelegt werden musste. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin in ihrer kontrollierenden und weisungsbefugten Funktion als Stadträtin von diesen Vorgängen aufgrund von Berichten der K*****-Vorstände und durch Diskussionen mit Mitgliedern des Aufsichtsgremiums gewusst und diese zumindest gut geheißen habe. Die Beklagte habe sich zwar die Äußerungen des von ihr zitierten Strafrechtsexperten zu eigen gemacht, für Politiker, also auch die Klägerin, sei aber der Persönlichkeitsschutz eingeschränkt. Die Beklagte habe die Richtigkeit ihres geäußerten Verdachts eines möglichen Amtsmissbrauchs der K*****-Direktoren und, dass die Klägerin davon gewusst habe, im Tatsachenkern ausreichend belegt: Der unbefangene Durchschnittsadressat entnehme ihren Äußerungen, dass im K*****-Wirtschaftsplan 2018 eine Position über 200 Mio EUR für Regressforderungen beim KH *****‑Bau eingebucht worden sei, die von Anfang an eher zweifelhaft und somit nicht (zur Gänze) werthaltig gewesen sei, und dass der Verdacht bestehe, dass durch eine in der Höhe nicht gerechtfertigte Regressforderung Kostenüberschreitungen in vergleichbarer Höhe überdeckt werden sollten, um eine Kostenexplosion zu verbergen. Genau in diesem Zusammenhang werde die Frage gestellt, ob die Klägerin als ehemalige Stadträtin davon gewusst und dies zumindest gut geheißen habe, damit die Kostenexplosion vor dem Gemeinderat und somit auch vor der Öffentlichkeit also verborgen werden sollte. Für den unbefangenen Durchschnittsadressaten ergebe sich also der Gesamteindruck, dass im Zuge der Untersuchungen über die Vorgänge beim Bau des neuen KH ***** (insbesondere die medial vielfach thematisierte „Kostenexplosion“) Verdachtsmomente gegen die Klägerin als damals verantwortliche Stadträtin aufgekommen sind, denen die Beklagte als Oppositionspartei nachgehe und durch die Staatsanwaltschaft prüfen lassen werde.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR zwar übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig ist.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass die von der Beklagten getätigten Äußerungen über die Klägerin Tatsachenbehauptungen über das Verhalten der Klägerin großteils im Vorfeld der im Oktober 2017 erfolgten Erstellung des K***** Wirtschaftsplans 2018 enthalten hätten; die Äußerungen setzten bei einer Gesamtbetrachtung die Klägerin aber auch in den Kontext eines behaupteten, im Oktober 2017 stattgefundenen Amtsmissbrauchs. Das folge aus der Bezugnahme auf die „offenbar missbräuchliche Aufstellung des K***** Wirtschaftsplans 2018“ – der im Oktober 2017 erstellt wurde – in der inkriminierten Stellungnahme. Der unbefangene Durchschnittsadressat werde diese Äußerungen im Gesamtkontext so verstehen, dass der Klägerin in diesem Zusammenhang ein strafrechtliches Delikt– Amtsmissbrauch – vorgeworfen wird. Diesen ihr vorgeworfenen Amtsmissbrauch könne die Klägerin aber nicht begangen haben, weil sie zum Zeitpunkt der Erstellung des Plans im Oktober 2017 seit längerem nicht mehr Stadträtin gewesen war. Sie habe daher im Herbst 2017 auf die Erstellung dieses Plans keinen Einfluss mehr nehmen können; ihr allfälliges Wissen zu früheren Zeitpunkten könne nicht relevant sein für einen Amtsmissbrauch durch einen inhaltlich falschen K*****‑Wirtschaftsplan aus dem Oktober 2017.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach § 1330 Abs 2 ABGB ist derjenige berechtigt, Ersatz zu fordern, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die seinen Kredit, seinen Erwerb oder sein Fortkommen gefährden und deren Unwahrheit dieser kannte oder kennen musste. Neben weiteren Ansprüchen steht dem Geschädigten ein Unterlassungsanspruch zu, der durch einstweilige Verfügung gesichert werden kann (vgl nur Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 [2017] § 1330 Rz 9 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
2. Die Beklagte macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zunächst geltend, das Rekursgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie sich in ihrer Aussendung auf die Expertise eines renommierten Strafrechtsexperten gestützt habe; sie habe somit die gebotene Sorgfalt angewendet. Dem kann nicht gefolgt werden:
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dann, wenn das bekämpfte Zitat in einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung eines Dritten besteht und keine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand, zu prüfen, ob sich aus der gebotenen Interessenabwägung ein Rechtfertigungsgrund ergibt; die Weiterverbreitung ist dann gerechtfertigt, also nicht rechtswidrig, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Äußerung die Interessen des Verletzten überwiegt, etwa wegen der besonderen Stellung des Zitierten in der Öffentlichkeit oder wegen der aktuellen, besonderen Wichtigkeit des Themas (RS0111733). Ob eine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand, richtet sich danach, wie die Aussagen von einem zumindest nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Leser bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RS0111733 [T5]).
2.2. Im vorliegenden Fall kann allerdings nicht von einer „neutralen“ Wiedergabe eines Zitats (des Strafrechtsexperten) ausgegangen werden, hat sich doch die Beklagte dessen Ausführungen zu eigen gemacht, indem ihr W***** Klubobmann mit diesem in einer gemeinsamen Pressekonferenz aufgetreten ist (vgl das in der Beilage enthaltene Lichtbild Blg ./A). In einem solchen Fall ist die Haftung des Täters auch dann zu bejahen, wenn die ehrenrührige Äußerung bloß in Verdachts- oder Vermutungsform erfolgte; der beweispflichtige Beklagte hat daher die Richtigkeit seiner Vorwürfe zu beweisen und nicht bloß den Umstand, dass auch andere solche Vorwürfe schon erhoben haben (6 Ob 7/99v). Auch nach Reischauer (in Rummel, ABGB³ [2004] § 1330 ABGB Rz 7 f) reichen Äußerungen Dritter als solche noch nicht für die Annahme einer zureichenden Verdachtslage; es müsse etwa nachvollziehbar sein, warum der Dritte über ein bestimmtes Verhalten des Verdächtigen informiert und überhaupt in der Lage gewesen sein konnte, jene Vorgänge zu beobachten, über die er sich äußerte; die bloße Berufung auf Dritte könne keinesfalls genügen.
Im vorliegenden Fall ist vor allem maßgeblich, dass sich die Beklagte für den zentralen Inhalt des inkriminierten Artikels, die Klägerin habe von einer unrichtigen Buchung gewusst, gar nicht auf den Strafrechtsexperten beruft, zumal dieser zu dieser Frage auch gar keine unmittelbaren Wahrnehmungen haben konnte. Der Experte wurde ja nur zur strafrechtlichen Subsumtion beigezogen, also zur Frage, ob in einem Wissen um eine unrichtige Buchung ein strafbares Verhalten liegt.
3. Als Tatsachenmitteilungen gelten zwar auch Verdächtigungen und abfällige Urteile, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen; es genügt, dass eine Äußerung, wenn auch nur mittelbar, eine (abfällige) Tatsachenmitteilung enthält, die objektiver Nachprüfung zugänglich ist (RS0032494). Unter § 1330 Abs 2 ABGB fällt demnach jede Mitteilung, die dem anderen schaden kann, auch wenn sie in der Form einer Vermutung ausgesprochen wird (RS0032494 [T6]). Darüber hinaus kann (auch) das Recht auf freie Meinungsäußerung eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen er eines verwerflichen Verhaltens bezichtigt wird, nicht rechtfertigen (RS0032201). Ein Recht auf freie Meinungsäußerung auf der Grundlage unrichtiger oder nicht bewiesener Tatsachenbehauptungen gibt es also nicht (RS0032201 [T15]). Allerdings können bei Äußerungen von Politikern über den Gegner unter Umständen auch massiv in die Ehre des Gegners eingreifende Werturteile noch zulässig sein, wenn diese einen rechtfertigenden wahren Sachverhalt als Basis der pointiert zum Ausdruck gebrachten Kritik haben (RS0032201 [T5]). Dabei genügt – im Rahmen politischerAuseinandersetzungen – bereits ein „dünnes Tatsachensubstrat“ für die Zulässigkeit einer Wertung (RS0032201 [T23]). Allgemein gilt, dass der Wahrheitsbeweis dann als erbracht anzusehen ist, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079693). Es genügt der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns (RS0079693 [T2]). Eine Äußerung ist noch grundsätzlich als richtig anzusehen, wenn sie nur in unwesentlichen Details nicht der Wahrheit entspricht (RS0079693 [T3]). Diese Voraussetzungen sind hier – entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung – gegeben:
3.1. Der inkriminierte Beitrag der Beklagten führt (zusammengefasst) zunächst aus, dass der renommierte Strafrechtsexperte und ehemalige Co-Leiter der Wirtschaftsgruppe in der Staatsanwaltschaft W*****, Mag. V*****, konkrete Anhaltspunkte für strafrechtliches Fehlverhalten sehe. Es gehe (unter anderem) um die Frage, ob die ehemalige Stadträtin, also die Klägerin, davon wusste, dass eine unrichtige 200 Millionen-Euro-Buchung vorgenommen worden sei. Anhaltspunkt dafür sei die offenbar missbräuchliche Aufstellung des K*****‑Wirtschaftsplans 2018; in diesem Wirtschaftsplan befände sich die Position von 200 Mio EUR für Regressforderungen beim KH *****‑Bau, welche Summe von Anfang an illusorisch gewesen sei. Es bestehe daher der Verdacht, dass die Kosten für das KH ***** lange Zeit geschönt worden seien. Die Staatsanwaltschaft werde zu prüfen haben, ob allenfalls ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten gesetzt wurde und ob die Klägerin bewusst und gewollt mit den K*****-Direktoren agiert habe.
Dem inkriminierten Beitrag lässt sich zwar nicht entnehmen, wann der Wirtschaftsplan 2018 aufgestellt wurde. Grundsätzlich wird aber der unbefangene Leser davon ausgehen, dass ein Wirtschaftsplan für ein bestimmtes Jahr gegen Ende des Vorjahres aufgestellt wird. Der unbefangene Leser kann dabei auch berücksichtigen, dass die Klägerin im Jänner 2017 als Stadträtin zurückgetreten war. Allerdings wird in dem inkriminierten Beitrag auch ausgeführt, die Summe von 200 Mio EUR für Regressforderungen sei „von Anfang an“ illusorisch gewesen und es bestehe der Verdacht, dass die Kosten „lange Zeit“ geschönt worden seien. Somit wird der unbefangene Leser den Artikel nicht in dem Sinn verstehen, dass der Klägerin ein punktuelles Fehlverhalten gegen Ende des Jahres 2017 und damit nach ihrem Rücktritt unterstellt wird, sondern dass sie bereits „lange Zeit“ vor der Aufstellung des Wirtschaftsplans für das Jahr 2018 gewusst habe, dass der Betrag von 200 Mio EUR, der darin schließlich ausgewiesen wurde, illusorisch sei.
Damit überzeugt aber die zur Antragsabweisung führende gegenteilige Auffassung des Rekursgerichts nicht, hat doch auch das Erstgericht in seiner Würdigung der Bescheinigungsmittel explizit ausgeführt, dass die von der Beklagten thematisierten Vorgänge bereits während der Amtszeit der Klägerin geschehen waren oder zumindest begonnen hatten. Die Klägerin kann sich somit nicht allein damit rechtfertigen, dass der Wirtschaftsplan 2018 erst nach ihrem Rücktritt erstellt und beschlossen wurde.
3.2. Mittäterschaft liegt vor, wenn eine Mehrzahl von Personen den Tatbestand einer bestimmten strafbaren Handlung im bewussten und gewollten Zusammenwirken – auch ohne gleichzeitig entfaltete Tätigkeit und gemeinsame Anwesenheit am Tatort – erfüllt (RS0089843). Die einzelnen Ausführungsakte müssen dabei nicht im nahen zeitlichen und örtlichen Konnex stehen (RS0089843 [T1]). Ähnlich gilt für den Beitragstäter, dass ein strafbarer Tatbeitrag nicht nur während der Tat (bis zu ihrer materiellen Vollendung), sondern auch schon vor Beginn des Versuchsstadiums geleistet werden kann (RS0090195 [T2]). Anwesenheit bei der Tatausführung oder zeitliche Nähe sind (für die Strafbarkeit des Beitrags) nicht erforderlich (vgl RS0090195 [T3]), weil ein tatunterstützender Beitrag sowohl vor als auch während der Deliktsausführung strafbar sein kann (RS0090195 [T5]). Somit gilt sowohl für den Bestimmungs- als auch für den Beitragstäter, dass die Zurechenbarkeit einer Tatbeteiligung durch das Ausmaß des Zeitabstands bis zur Tatausführung (durch den unmittelbaren Täter) nicht aufgehoben wird (RS0089834). Nach § 67 Abs 1 StGB hat der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung zu der Zeit begangen, als er gehandelt hat oder hätte handeln sollen; wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend. Das Strafgesetzbuch folgt damit in Ansehung der Tatzeit der Handlungstheorie (RS0102824). Für den Bestimmungs- oder Beitragstäter ist hinsichtlich der Tatzeit nur der Zeitpunkt der Bestimmungs- oder Beitragshandlung relevant; der Eintritt des Bestimmungserfolgs (Erwecken des Handlungsentschlusses) oder des Beitragserfolgs (Einfluss auf die Tat) ist für die Frage des Tatzeitpunkts nicht relevant (Salimi in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 67 Rz 12). Daher kann es für die an ein- und derselben Tat Beteiligten unterschiedliche Tatzeiten geben; auch im Fall der Mittäterschaft ist die Tatzeit für jeden Mittäter gesondert zu bestimmen (Salimi aaO).
Damit ist aber dem außerordentlichen Revisionsrekurs zu folgen, wonach es durchaus möglich ist, dass die Klägerin sich noch während ihrer Amtszeit etwa als Bestimmungstäterin an einem Amtsmissbrauch beteiligt hat, der dann von den K*****-Direktoren bei Aufstellung des Wirtschaftsplans im Oktober 2017 ausgeführt wurde. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach ein Verhalten der Klägerin während ihrer Amtszeit nicht relevant sein könne für einen Amtsmissbrauch durch einen inhaltlich falschen Wirtschaftsplan vom Oktober 2017, trifft hingegen nicht zu. In diesem Sinn hat das Erstgericht als bescheinigt angenommen, dass bereits im Oktober 2016 eine „beschönigte“ Regressforderung vorlag, die schon zu diesem Zeitpunkt ganz offensichtlich den Zweck hatte, den W***** Gemeinderat und somit auch die Steuern zahlende Öffentlichkeit ruhig zu stellen und nicht den Tatsachen entsprechend zu informieren. Diese Feststellung ist im Rekurs unbekämpft geblieben.
3.3. Die Klägerin hat Klage und Sicherungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass der Wirtschaftsplan erst im Oktober 2017 erstellt wurde, sie aber bereits am 26. 1. 2017 zurückgetreten sei. Dies allein ist zwar – wie bereits ausgeführt – nicht entscheidend und für sich genommen nicht geeignet, die Antragsstattgebung zu begründen. Allerdings ist das Klage- und Sicherungsbegehren so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440 [T4]), hier also dahin, dass die Klägerin überhaupt bestreitet, von allenfalls missbräuchlichen Buchungen gewusst zu haben. Bei einer solchen Behauptung handelt es sich um eine Äußerung, die beide Tatbestände des § 1330 ABGB erfüllt, weil sie sowohl ehrenrührig als auch kreditschädigend ist. Damit trifft die Beklagte die Beweislast für die Richtigkeit (RS0031798). Nach Auffassung des Erstgerichts ist anzunehmen, dass die Klägerin in ihrer kontrollierenden und weisungsbefugten Funktion als Stadträtin über diese Vorgänge aufgrund von Berichten der K*****-Vorstände und durch Diskussionen mit Mitgliedern des Aufsichtsgremiums wusste und diese zumindest gut geheißen habe. Diese Feststellung wurde im Rekurs von der Klägerin bekämpft, das Rekursgericht hat die Feststellungsrüge nicht behandelt.
Darauf kommt es letztlich aber nicht an: Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen referierten die K*****-Vorstände bereits am 9. 6. 2016 im Aufsichtsratsgremium, das gemäß § 8 Abs 3 K*****-Statut die amtsführende Stadträtin (also damals die Klägerin) „unterstützt“, dass der Kostenrahmen nur bei tatsächlicher Einbringung von 200 Mio EUR an Regressforderungen zu halten sei, was allerdings eine große Herausforderung darstelle. Im Oktober 2016 wurde in der Sitzung des K*****‑Finanzausschusses erörtert, es sei davon auszugehen, dass die 200 Mio EUR nicht in der (offenbar geplanten) „Form und Zeit“ hereingebracht werden würden. Festgehalten wurde ausdrücklich, dass das Jahr 2021 in der Darstellung etwas „geschönt“ dargestellt wurde, und zwar durch den Einmaleffekt der Regress- und Versicherungserlöse von 200 Mio EUR.
Die im Rekurs von der Klägerin bekämpfte Feststellung,
dass die Konstruktion einer „beschönigten“ Regressforderung von insgesamt 200 Mio EUR schon im Oktober 2016 ganz offensichtlich den Zweck gehabt habe, den W***** Gemeinderat und somit auch die Steuern zahlende Öffentlichkeit ruhig zu stellen und nicht den Tatsachen entsprechend zu informieren, damit nicht eine weitere Erhöhung der Gesamtkosten für das KH ***** und den damit verbundenen zusätzlichen Finanzierungsbedarf offengelegt werden musste; es sei anzunehmen, dass die Klägerin in ihrer kontrollierenden und weisungsbefugten Funktion als Stadträtin von diesen Vorgängen aufgrund von Berichten der K*****-Vorstände und durch Diskussionen mit Mitgliedern des Aufsichtsgremiums gewusst und diese zumindest gut geheißen habe,
an deren Stelle die Klägerin die Feststellung begehrt,
sie habe nicht die Absicht verfolgt, den W***** Gemeinderat und (gemeint: in) seinem Recht auf Kontrolle der Gebarung zu hindern und einen erhöhten Finanzierungsbedarf nicht offen zu legen; sie habe dies weder billigend in Kauf genommen noch habe sie überhaupt von einer angeblichen Unrichtigkeit bzw mangelnden Werthaltigkeit der inkriminierten Buchungen gewusst,
betrifft in ihrem ersten Teil den Zweck der „geschönten“ Darstellung im Oktober 2016, nämlich die Falschinformation von Gemeinderat und Öffentlichkeit. Unter „geschönt“ ist dabei bezogen auf den Zeitraum Oktober 2016 zu verstehen, dass die Regressforderung von 200 Mio EUR nicht gesondert ausgewiesen, sondern sogleich abgezogen worden war (gesondert ausgewiesen war sie ja nach den Feststellungen erstmals im Wirtschaftsplan 2018). Damit kommt es aber weder darauf an, ob der K***** den Gemeinderat und die Öffentlichkeit tatsächlich fehlinformieren wollte, noch darauf, ob die Klägerin dies gutgeheißen hat. Die gewählte Vorgehensweise des K***** – Abzug des Regresspostens, ohne ihn auszuweisen, obwohl die Eintreibung als schwierig angesehen wurde – rechtfertigte es für die Beklagte, den Verdacht zu äußern, dass es Falschbuchungen gegeben hat. Die Informationspflichten des K*****-Vorstands gegenüber der damals amtsführenden Stadträtin, also der Klägerin, wiederum rechtfertigten es, in der politischen Auseinandersetzung die Frage zu stellen, ob diese nicht (gegebenenfalls) davon wusste oder zumindest davon hätte wissen müssen. Wie bereits ausgeführt, ist der Wahrheitsbeweis aber schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079693); es genügt der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns (RS0079693 [T2]).
4. Damit war aber dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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