OGH 4Ob215/19z

OGH4Ob215/19z19.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** T***** e.U., *****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek und Mag. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Monopolverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, Wien 9, Porzellangasse 47, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 251.675,46 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. September 2019, GZ 5 R 91/19t‑38, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00215.19Z.1219.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Verhältnis zwischen einem Tabaktrafikanten und der Beklagten im Zusammenhang mit dem jeweiligen Bestellungsvertrag ist ein privatrechtliches und kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (vgl VfGH G 173/06, VfSlg 18.176/2007; G 237/97, VfSlg 15.343/1998).

1.1. Nach § 24 Abs 1 TabMG 1996 darf eine Tabaktrafik an einem Standort, an dem bisher noch kein solches Geschäft bestand, nur dann errichtet werden, wenn hierfür ein dringender Bedarf besteht und eine nicht zumutbare Schmälerung des Ertrags benachbarter Tabaktrafiken ausgeschlossen erscheint. Nach Abs 2 leg cit darf eine Tabaktrafik an einen anderen Standort innerhalb ihres Einzugsgebiets verlegt werden, wenn eine nicht zumutbare Schmälerung des Ertrags benachbarter Tabaktrafiken ausgeschlossen erscheint. Vor der Zulassung einer Neuerrichtung, bei einer Standortverlegung vor der entsprechenden Änderung des Bestellungsvertrags, ist von der Beklagten nach Abs 3 leg cit ein Gutachten des Landesgremiums der Tabaktrafikanten einzuholen. Spricht sich das Landesgremium gegen die Neuerrichtung oder die Standortverlegung aus, kann die Beklagte ein Gutachten des Neuerrichtungsbeirats einholen. Vor Abgabe des Gutachtens dieses Beirats darf die Neuerrichtung oder die Standortverlegung nicht vorgenommen werden.

1.2. Zu § 24 TabMG 1996 (bzw dessen Vorgängerbestimmungen) hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich daraus keine Rechte eines allfälligen Bewerbers um eine Tabaktrafik ableiten lassen, sondern es sich dabei um Bestimmungen handelt, die den inneren Willensbildungsprozess der Beklagten regeln (vgl RS0110430). Bei der Frage, ob diese als Monopolistin an einem gewissen Standort eine neue Tabaktrafik im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Nahversorgung mit Tabakwaren als erforderlich erachtet, handelt es sich um einen inneren Willensprozess, der zwar als vorvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflicht auch dem Schutz der Interessen der benachbarten Tabaktrafiken dient, einem dritten Interessenten aber keine Rechte einräumt (7 Ob 54/01v mwN).

2.1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die angeblich unter Verletzung von § 24 TabMG 1996 erfolgte Verlegung einer anderen Trafik in die Nähe des Standorts der nunmehr von der Klägerin betriebenen Trafik sei für deren geltend gemachten Verdienstentgangsansprüche nicht von Bedeutung, weil sie ihren Vertrag mit der Beklagten erst mehr als ein Jahr nach der Verlegung schloss und sie daher als im Zeitpunkt der Verlegung als bloße Interessentin durch § 24 TabMG 1996 nicht geschützt ist, hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze.

2.2. Soweit die Klägerin dem entgegenhält, die Beklagte hafte für einen von ihr geschaffenen gesetzwidrigen Dauerzustand, hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass eine fortgesetzte Schädigung dann vorliegt, wenn durch eine schädigende Anlage, Nichtbeseitigen eines gefährlichen oder Aufrechterhalten eines rechtswidrigen Zustands Schäden hervorgerufen werden, oder wenn wiederholte schädigende Handlungen vorliegen, von denen jede den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung verkörpert und jede für sich Schadensursache ist (RS0034365).

Die Auffassung der Vorinstanzen, die Verlegung einer Trafik sei ein einmaliges Ereignis und § 24 TabMG 1996 im oben Pkt 2.1 dargelegten Sinne sehe nicht vor, eine Verlegung wieder rückgängig zu machen, womit ein Verstoß gegen diese Bestimmung kein Dauerdelikt verwirkliche, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Die von der Revision zum Beleg für ihre gegenteilige Ansicht zitierten Entscheidungen betrafen den Verzug mit der wiederholt zugesagten Verbesserung einer mangelhaft errichteten Halle (6 Ob 232/15h) bzw Umbauarbeiten des Vermieters (9 Ob 39/17a) und sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

2.3. Haben sich – wie hier – aus einer einzelnen (den Behauptungen nach) schädigenden Handlung fortlaufend gleichartige schädliche Folgen entwickelt, die im überschaubaren Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, so handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, der schon durch die erste schädliche Auswirkung entstanden ist. In solchen Fällen sind die Wirkungen des schädigenden Ereignisses bekannt, auch wenn erst ein Teil von ihnen eingetreten ist. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (vgl RS0034618 [T10, T11, T13]; RS0083144 [T2, T8, T15, T25, T37]).

Dass spätestens bei Vorliegen des Rechnungsabschlusses, aus dem die behaupteten Umsatzeinbußen durch die Verlegung belegbar gewesen wären, ein Primärschaden vorgelegen ist, dessen Verjährung die Klägerin durch Erhebung einer Klage in obigem Sinne entgegenzuwirken gehabt hätte, dies hier aber unterblieben ist, hält sich als Einzelfallbeurteilung ebenfalls im Rahmen dieser Grundsätze der Rechtsprechung zu § 1489 ABGB.

3.1. Wenn sich jemand einer ihm bekannten oder zumindest erkennbaren Gefahr, die ein anderer geschaffen hat, aussetzt, liegt ein Handeln auf eigene Gefahr vor; in diesem Fall entfällt jede Haftung mangels Rechtswidrigkeit, weil dem Gefährder keine Schutzpflichten gegenüber jemandem obliegen, der die Gefahr erkennt oder erkennen konnte und dem daher Selbstsicherung zuzumuten ist (RS0023006).

3.2. Schon nach dem Klagsvorbringen hatte die Klägerin bereits vor der Verlegung (als sie noch in der damals ihrem Mann gehörenden Trafik mitarbeitete) massive Bedenken gehabt und Umsatzeinbußen befürchtet. Weiters hat sie vorgebracht, dass diese Umsatzeinbußen auch tatsächlich eintraten und deshalb bereits Zahlungen aus dem Solidaritätsfonds der Beklagten für in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Trafikanten erfolgten.

3.3. Vor diesem Hintergrund schloss das Berufungsgericht daraus, dass im Abschluss des Vertrags mit der Beklagten Handeln auf eigene Gefahr im Sinne der zitierten Rechtsprechung zu sehen ist, zumal die Klägerin andere Gründe und Umstände nicht behauptet hat, aus denen sie zum Abschluss gezwungen gewesen wäre. Dem setzt die Revision ebensowenig entgegen wie der auf 8 Ob 563/92 gestützten Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte das Verfahren nach § 24 TabMG 1996 eingehalten hat, sie aufgrund der Stellungnahme des Landesgremiums der Tabakverschleißer davon ausgehen durfte, dass eine unzumutbare Ertragsschmälerung ausgeschlossen ist, und sie das Risiko künftiger Entwicklungen nicht zu tragen hat.

4. Da sich die Revisionswerberin auf einen Verstoß gegen § 24 TabMG 1996 nicht berufen kann, kommt dem Umstand, dass sie darin auch eine unlautere Handlung iSd § 1 UWG erblickt, keine zusätzliche Bedeutung zu.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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