OGH 2Nc48/19k

OGH2Nc48/19k17.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. I***** K*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.426 EUR sA, über die Befangenheitsanzeige des ***** im Revisionsverfahren zu ***** den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020NC00048.19K.1217.000

 

Spruch:

Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit des ***** in Zweifel zu ziehen.

 

Begründung:

Für das im Spruch genannte Verfahren ist nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs der ***** Senat zuständig. ***** gehört diesem Senat an. Er zeigt an, dass seine Ehegattin Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten ist. In dieser Funktion sei sie typischerweise nicht mit Fragen der Geschäftsführung befasst. Er selbst fühle sich subjektiv nicht befangen. Die Frage, ob sich aus ihrer Funktion der Anschein seiner Befangenheit ableiten lasse, sei jedoch noch nicht beurteilt worden.

Die Befangenheitsanzeige ist begründet:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach § 22 Abs 2 GOG haben Richter Gründe anzuzeigen, die ihre Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen geeignet sind; darüber ist nach § 22 Abs 3 GOG auch ohne Ablehnung durch eine Partei im Verfahren nach den §§ 23 bis 25 JN zu entscheiden.

2. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 1 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949).

3. Im vorliegenden Fall ist die Ehegattin des Richters Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten. Der Oberste Gerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall den Anschein der Befangenheit bejaht (9 Nc 17/08m). Dass der Ehegatte der Richterin dort nicht nur Mitglied, sondern auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats war, begründet keinen tragfähigen Unterschied. Denn auch der Umstand, dass ein Richter mit einem einfachen Mitglied des Aufsichtsrats einer Partei verheiratet ist, könnte den Anschein erwecken, dass er sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten ließe. Ein solcher Anschein soll aber jedenfalls vermieden werden, zumal er durch Umstände rein objektiver Natur nicht widerlegbar wäre (9 Nc 17/08m; RS0046052 [T7]).

4. Aus diesem Grund ist im Sinn von § 19 Abs 2 JN auszusprechen, dass ein zureichender Grund vorliegt, die Unbefangenheit des anzeigenden Richters in Zweifel zu ziehen. Das schließt seine Mitwirkung an der Entscheidung aus.

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