European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00141.19Y.1210.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Juli 2019, GZ 111 Hv 3/19s‑65, verletzt im Schuldspruch 2 § 31 Abs 1 EU‑JZG.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch 2, in der Subsumtionseinheit, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in der Verweisung der „Firma R***** mit ihrem Begehren“ gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Zeljko S***** wird vom Vorwurf, er habe
zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Zeitraum von 27. Oktober 2018 bis 29. Oktober 2018 in G***** dem Unternehmen R***** durch Aufbrechen des Türschlosses eines Kleinlastwagens mit einem nicht näher bekannten Gegenstand Werkzeuge und Arbeitsmaschinen im Gesamtwert von 9.802,45 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Gemäß § 366 Abs 1 StPO wird das Unternehmen R***** mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Im darüber hinausgehenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz verwiesen.
Gründe:
Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes relevant wurde Zeljko S***** (der aufgrund eines Europäischen Haftbefehls [ON 6, 13, 25] in Kroatien festgenommen an die österreichische Justiz übergeben worden war) mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Juli 2019, GZ 111 Hv 3/19s‑65, des Vergehens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Danach hat er fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert teils durch Einbruch, teils durch Eindringen mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug in Transportmittel mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1) am 17. April 2018 in P***** der K***** GmbH durch Einschlagen der Fenster zweier Pkw und Öffnen eines Pkw mittels Schlossstichs Werkzeuge und Baumaterialien im Gesamtwert von zumindest 15.000 Euro;
2) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Zeitraum von 27. Oktober 2018 bis 29. Oktober 2018 in G***** der Fa R***** durch Aufbrechen des Türschlosses eines Kleinlastwagens mit einem nicht näher bekannten Gegenstand Werkzeuge und Arbeitsmaschinen im Gesamtwert von zumindest 5.000 Euro.
Gemäß § 366 Abs 2 StPO wurde die „Firma R***** mit ihrem Begehren“ auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Über die gegen das Urteil vom Angeklagten ergriffene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht das Urteil in seinem Schuldspruch 2 mit dem Gesetz nicht im Einklang:
§ 271 Abs 1 Z 5 StPO ermöglicht es dem Obersten Gerichtshof, sich über den Inhalt eines in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstücks ein Bild zu machen. Solcherart ist er in der Lage, sich vom Fehlen einzelner Spezialitätserfordernisse zu überzeugen und einen Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO aufzugreifen. Wenn die für die Feststellungen über prozessuale Tatsachen notwendigen Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, kann der Oberste Gerichtshof aus den Akten eigenständige Feststellungen treffen und aufgrund dieser in der Sache selbst entscheiden (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 17, § 288 Rz 40 ff).
Nach den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen war Grundlage für die Übergabe des am 5. April 2019 in Kroatien festgenommenen und im Wege der Durchlieferung durch Slowenien an die österreichische Justiz übergebenen Angeklagten eine Entscheidung des Landesgerichts in Zagreb, welches die Übergabe „aufgrund des [zu AZ 27 St 157/18p der Staatsanwaltschaft Graz erlassenen] Europäischen Haftbefehls“ bewilligte (ON 27 S 3, ON 30 S 5), wobei sich keine aktenkundigen Hinweise für Ausnahmen von der Spezialität der Übergabe finden (§ 31 Abs 2 EU‑JZG).
Nachdem die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht für Strafsachen Graz zunächst einen Strafantrag gegen Zeljko S***** wegen der vom Europäischen Haftbefehl umfassten Tat erhoben hatte (ON 40), brachte sie am 14. Mai 2019 unter Hinweis auf „die in das Ermittlungsverfahren einbezogenen Abschlussberichte der Polizeiinspektion Kärnterstraße vom 18. November 2018 und 08. Mai 2019“ gemäß §§ 31 Abs 3 Z 6a, 227 Abs 2 StPO eine – auch den Vorwurf laut Schuldspruch 2 beinhaltende – Anklageschrift (ON 52) unter gleichzeitiger Zurückziehung des Strafantrags ein (ON 1 S 19 ff).
Ausschließlich die im Schuldspruch 1 des Urteils umschriebene Straftat findet im Europäischen Haftbefehl Deckung (ON 6 S 3; ON 13 S 3; ON 25 S 3), dass hinsichtlich der vom Schuldspruch 2 erfassten Tat das (prozessuale) Verfolgungshindernis der Spezialität nach § 31 Abs 1 EU-JZG besteht (vgl Hinterhofer in WK² EU-JZG § 31 Rz 8, 12 f, 17 und 37 ff; RIS-Justiz RS0092340 [T6]), blieb unbeachtet.
Insofern leidet das Urteil zum Schuldspruch 2 an einem prozessuale Tatsachen betreffenden Feststellungsmangel. Mangels aktenkundigen Hinweises auf ein zum Urteilszeitpunkt anhängiges Nachtragsübergabeverfahren war das Urteil im Schuldspruch 2 aufzuheben, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen und mit Freispruch vorzugehen (§ 292 letzter Satz StPO; RIS‑Justiz RS0098426, RS0092340). Zufolge Freispruchs war das Unternehmen R***** mit seinen Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Die notwendige Neubemessung der Strafe für das vom verbleibenden Schuldspruch umfasste Vergehen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 StGB wird (wegen der Haft des Angeklagten – RIS‑Justiz RS0100163) der zuständige Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz vorzunehmen haben (RIS‑Justiz RS0100271, RS0053176 [T6, T9]; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 31).
Der erwähnten Berufung ist durch die Aufhebung des Strafausspruchs der Anfechtungsgegenstand entzogen (vgl 11 Os 23/18v).
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