European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127015
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Dem auch eine Leitungswasserschadenversicherung beinhaltenden Gebäudeversicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die „Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (AWB)“ der Beklagten (in der Folge: AWB) zugrunde, deren Art 1.1 („Versicherte Gefahren und Schäden“) wie folgt lautet:
„Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Schäden, die an den versicherten Sachen dadurch entstehen, dass Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen von Wasserleitungs-, Warmwasserversorgungs- oder Zentralheizungsanlagen sowie aus Etagenheizungen austritt.
Zu ersetzen sind Schäden, die in der Zerstörung oder Beschädigung der versicherten Sache bestehen, wenn sie auf der unmittelbaren Einwirkung von ausgetretenem Leitungswasser beruhen oder die unvermeidliche Folge eines solchen Ereignisses sind.“
Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision gegen das sein Begehren auf Feststellung der Deckungspflicht abweisende Teilurteil des Berufungsgerichts keine erheblichen Rechtsfragen auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbes T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).
2. Die Leitungswasserschadenversicherung war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Fachsenats. Diese Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Versicherung gegen Leitungswasser bietet Schutz gegen Schäden, die durch den Austritt von Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen von Wasserleitungs-, Warmwasserversorgungs- oder Zentralheizungsanlagen sowie aus Etagenheizungen entstehen. Sie ist eine Sachversicherung, die dem Erhalt des Gebäudes, sohin des Eigentums des Versicherungsnehmers dient (7 Ob 118/17d mwN; RS0113625). Unter Leitungswasser ist aus wasserführenden Rohrleitungen, Armaturen oder angeschlossenen Einrichtungen austretendes Wasser zu verstehen, wobei der Versicherungsschutz auch Flüssigkeitsaustritt am Ende einer wasserführenden Rohrleitung umfasst (vgl RS0123409). Dies kann ein verständiger Versicherungsnehmer nur dahin verstehen, dass Versicherungsschutz ausschließlich dann besteht, wenn das Wasser bestimmungswidrig austritt, es also entgegen den Planungen und dem Willen des Versicherungsnehmers an nicht dafür vorgesehenen Orten auftritt oder keine bestimmungsgemäße Verwendung vorliegt; der Austritt von Leitungswasser aus führenden Installationen muss also unbeabsichtigt passiert sein (vgl 7 Ob 105/15i = RS0130380). Eine angeschlossene Einrichtung iSd Art 1.1 AWB ist nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers jedes Behältnis, das bestimmungsgemäß Wasser durchlässt oder aufnimmt und dauernd durch eine Zuleitung oder durch eine Ableitung oder durch beides mit dem Rohrsystem verbunden ist. Dazu gehören neben den in Art 1.1 AWB angeführten Warmwasserversorgungs- und Heizungsanlagen auch Wärmepumpenanlagen (7 Ob 118/17d mwN).
3.1. Im vorliegenden Fall ist eine raumlufttechnische Anlage mit integrierter Kältemaschine, integriertem Dampfluftbefeuchter, Kühlregister sowie Heizregister („RLT‑Anlage“; auch „Vollklimaanlage“ genannt) zu beurteilen. Bei einer solchen Anlage wird Luft als Transportmittel für Wärme und Kälte benützt und auch die Raumfeuchtigkeit durch die Zufuhr mehr oder weniger stark befeuchteter Luft geregelt; es handelt sich um eine Lüftungsanlage, nicht um eine wasserführende Klimaanlage. Aufgrund einer Fehlfunktion der Steuerung dieser Anlage gab sie zu viel Wasserdampf in den Raum ab, der schließlich außerhalb der RLT‑Anlage an Gebäude und Inventar kondensierte, wodurch diese beschädigt wurden.
3.2. Daraus ergibt sich, dass der Schaden durch einen Fehler der Steuerung verursacht wurde, der Austritt von Wasserdampf aber grundsätzlich in der geplanten Weise und an der konstruktionsbedingt vorgesehenen Stelle erfolgte. Insofern entspricht die Konstellation jener zu 7 Ob 105/15i, weil sich hier wie dort kein entgegen den Planungen und dem Willen des Versicherungsnehmers an nicht dafür vorgesehenen Orten ablaufendes Geschehen ereignete. Entspricht aber die Abgabe von Wasserdampf an die Raumluft gerade der geplanten Konstruktion, dann liegt auch kein Austritt von Leitungswasser iSd Art 1.1 AWB vor.
3.3. Soweit die Revision darauf verweist, dass die RLT‑Anlage über ein Heiß- und ein Kaltwassernetz verfügt, verkennt sie daher, dass aus diesen Leitungen gerade kein den Schaden unmittelbar verursachender Wasseraustritt erfolgte (vgl 7 Ob 190/17t). Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung wird damit nicht aufgezeigt.
Mit 7 Ob 6/08w ist der vorliegende Sachverhalt nicht zu vergleichen, weil die Fehlfunktion der Anlagensteuerung sich vom Defekt eines Zapfhahns oder einer Armatur am Ende einer wasserführenden Rohrleitung unterscheidet.
Im zu 7 Ob 118/17d = RS0131657 zu beurteilenden Sachverhalt trat aus der Kondensatwanne einer Luft-/Wasserwärmepumpenanlage Kondenswasser aus, weil der Abfluss dieser Wanne verstopft war. Für den dadurch verursachten Austritt des in der Wanne bestimmungsgemäß gesammelten, bereits zuvor kondensierten Wassers bejahte der Fachsenat die Versicherungsdeckung. Auch dies ist mit der vorliegenden Einzelfallkonstellation nicht zu vergleichen.
3.4. Die Fragen, ob die RLT‑Anlage überhaupt eine angeschlossene Einrichtung im Sinn der Bedingungen ist und ob Wasser und Wasserdampf im gegebenen Zusammenhang grundsätzlich gleichwertig sein könnten, müssen daher hier nicht geklärt werden.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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